Ein dickes amerikanisches SUV mit typisch europäischem Downsizing-Diesel? Gibt es bald bei Ford. Und: Das funktioniert sogar. Erste Ausfahrt im Edge, rund um München.
München – Bei Ford pflegen sie das Konzept Weltauto. „One Ford“ bedeutet im Fall des großen SUV Ford Edge: Zwei Jahre nach seiner Premiere im Juni 2014 in Köln kommt der Dicke endlich zu uns. Nachdem Ford weltweit schon rund 200.000 Exemplare verkauft hat. Wir sehen es positiv, Anlaufschwierigkeiten sollte es in der Produktion keine mehr geben. Die Adaption des in Europa unverzichtbaren Dieselantriebs dauerte eben. So kommt der Edge für Europa zwar aus Kanada, in ihm stecken aber je zur Hälfte amerikanische und europäische Eigenschaften. One Ford eben. Seine üppigen Abmessungen trägt der kantige Edge mit amerikanischer Selbstverständlichkeit auf mindestens 19 Zoll großen Rädern nach außen. Wo europäische SUV gern aussehen wie aufgeblasene Kompaktwagen, steht dem Edge das prima. Er weiß eben, wo er herkommt. Bells and Whistles im InnenraumIm Innenraum empfängt die Passagiere eine Mischung aus zwei Welten - halb USA, halb Europa. Ja, der Edge soll durchaus eine Alternative zu Audi Q5 oder VW Touareg darstellen. Entsprechend gab man sich viel Mühe mit weichen Oberflächen, belederten Blenden und viel Chrom. Aber da ist auch das Ford-typisch leicht überfrachtete Lenkrad, und die übersichtliche, aber wenig elegante Hartplastik-Mittelkonsole. Bells and Whistles, wie der Ami sagt, aber ein richtig guter Song wird nicht daraus. Eher so Ford-Köln, nicht billig, aber auch nicht Premium, dafür aber bodenständig. Viele Details überzeugen: Die Bedienung ist übersichtlich, trotz der Technik-Vollausstattung des Testmodells. Das Informationsangebot rund um die analogen Anzeigen mit anmimierten Zeigern stimmt. Einsteigen, losfahren. Richtig schön amerikanisch ist das XL-Platzangebot. In dem großen Auto kneift nichts. Auf den breiten Sitzen würde sich John Goodman wohlfühlen, auch in der zweiten Reihe reist es sich höchst angenehm. Und dahinter erstrecken sich noch einmal 602 Liter Kofferraum. Familientrip, Möbel-Shopping oder Langstrecke: Der Edge packt alles. Ein Ford, ein Wort. Ein Auto für die LangstreckeAm wohlsten fühlt sich der Ford Edge auf langen, breiten Straßen. Hier kann er seine Stärken ausspielen: Das Fahrwerk wiegt die Karosserie sanft, der Fahrer lenkt das knapp zwei Tonnen schwere SUV mit minimalem Kraftaufwand um die Kurven. Und es ist still. Per aktivem Gegenschall (Serie ab „Titanium“) sperrt die „Active Noise Control“ den 2,0-Liter-Diesel akustisch weitgehend aus. Da nervt sogar ab ca. 90 km/h ein leichtes Pfeifen an der Seitenscheibe, das man ohne dieses Hifi-Feature kaum bemerkt hätte. Die manuelle Schaltung flutscht locker durch die Gassen, der „kleinere“ Motor im Testwagen (180 PS, 400 Nm) bietet genug Kraft für Überholmanöver und Zwischensprints. Und doch gibt es ein klares Argument für den 210-PS-Diesel mit 450 Newtonmetern Drehmoment: Nur ihn gibt es mit der empfehlenswerten Getrag-Doppelkupplung. Denn so eine Blechburg möchte kaum jemand selbst schalten. Das ist einfach nicht bequem. Und unamerikanisch. Etwas weniger selbstverständlich fährt sich Fords großes SUV in der Stadt. Hier überzeugt die „Sport“-Version mit dem feiner, also europäischer, abgestimmten Fahrwerk. Zwar wirkt die adaptive Lenkung synthetisch, aber sie funktioniert halbwegs mit dem kantigen Edge im Münchner Berufsverkehr. Die passable Übersicht und die serienmäßige (und sehr präzise) Rückfahrkamera erleichtern das Manövrieren. Genug vom Verkehr sieht man auf dem hohen SUV-Bock ohnehin. Nicht so smart: Sync 2 im EdgePositiv: Die Automatik-Version verbraucht nicht mehr als der manuelle Schalter. 7,5 Liter auf 100 Kilometer stehen in beiden Varianten am Ende auf der Uhr. Das geht angesichts der zu bewegenden Masse von knapp zwei Tonnen in Ordnung. Sogar eine (recht ambitionierte) Offroad-Strecke hat Ford eingeplant, schlammiger deutscher Waldweg, leicht hügelig. Passt nicht so richtig zu einem Reiseauto, aber klar: Wenn der Edge muss, dann kommt er vielleicht nicht auf den Rubicon-Trail, aber deutsche Flurstücke, das geht. Prima. Das „S“ in „SUV“, findet Ford, könnte beim Edge auch für „smart“ stehen. Ok: mit ACC, Verkehrsschildererkennung, Parkassistent, intelligentem Geschwindigkeitsbegrenzer oder aktivem Notbremsassistent stehen jede Menge Hilfen zur Verfügung, zu fairen Preisen (z. B. ACC: 500 Euro) oder im „Titanium“-Trimm serienmäßig. Aber: In dieser Klasse ist vieles davon Industriestandard. Kurios: Fords modernstes vernetztes Infotainment, Sync 3, das im Sommer in S-Max, Mondeo und Co einzieht, wird im Edge erst 2017 verfügbar sein. Bis dahin steckt im Edge noch Sync 2 auf Microsoft-Basis. Dessen Navi gern vor allem in der Stadt deutlich schneller rechnen dürfte. Auf der Route 66 oder der A9 reicht das so natürlich aus. Kantiger Ami oder rundlicher Deutscher?Ist der Ford Edge preislich eine attraktive Alternative zu Audi Q5 oder BMW X3? Darüber haben die MOTOR-TALKer ausführlich diskutiert. Fest steht, die Basis kostet rund 600 Euro mehr als ein vergleichbar motorisierter, angejahrter Audi Q5. Ford Marketing-Chef Wolfgang Kopplin ist sich dennoch sicher: Ausstattungsbereinigt ist sein Edge günstiger. Und deshalb zum Beispiel für Dienstwagenfahrer attraktiv, die ihr Auto privat nutzen, dafür ein Budget bekommen, und nach Listenpreis versteuern. Sowie natürlich für alle, die einen kantigen Ami cooler finden als einen rundlichen Deutschen. Das soll auf rund 7.000 Käufer pro Jahr in Deutschland zutreffen. Viel mehr, bedauert Kopplin, kann ihm sein Mutterhaus ohnehin nicht über den Atlantik schicken. Das gleiche Problem haben sie in Köln mit dem Mustang aus US-Produktion. Der allerdings ist ein unschlagbares Angebot für alle, die einen echten Ami-Motor wollen. Ein SUV mit 2,0-Liter-Diesel wie der Edge spielt in einer etwas anderen Liga. Ford Edge: Technische Daten
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