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1913 gegen 2013: Der Rolls-Royce Ghost - Ein Jahrhundert-Vergleich

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100 Jahre liegen zwischen diesen beiden Autos. Der Rolls-Royce Silver Ghost stammt von 1913, der hellblaue Ghost ist nagelneu. Wir haben beide miteinander verglichen.

Alter vor Technik - hier fährt der Rolls-Royce Silver Ghost von 1913 vor der Centenary Edition von 2013 Alter vor Technik - hier fährt der Rolls-Royce Silver Ghost von 1913 vor der Centenary Edition von 2013 Quelle: Rolls-Royce

Von MOTOR-TALK-Reporter Wolfgang Gomoll

Wien - Das Starten des Silver Ghost ist eine liebenswerte wie schweißtreibende Prozedur. Mit einer kleinen Kurbel drehe ich so lange, bis der Motor anspringt. Bis der Siebenliter-Sechszylinder seine Betriebstemperatur erreicht hat, vergehen einige Minuten. Um die Prozedur abzukürzen, schiebe ich zwei Bretter vor den Kühlergrill. Zack, läuft der uralte Motor auf Temperatur.

Wie langweilig sind dagegen Autos der Neuzeit, selbst wenn sie Ghost heißen. Ein kurzer Dreh und der V12 mit 570 PS erwacht zum Leben. Kein Schweiß, keine Liebe.

Instrument wie aus Nemos Nautilus

Die Instrumente des alten Ghost scheinen von Nemos Nautilius zu stammen Die Instrumente des alten Ghost scheinen von Nemos Nautilius zu stammen Quelle: Rolls-Royce Der klassische Rolls-Royce Apline-Trial Ghost, der „Radley-Car“ genannt wird, macht das Autofahren zum puristischen Erlebnis. Vor allem muss ich mich erst einmal an meinen betagten Untersatz gewöhnen und all den Schnickschnack von modernen Hightech-Autos vergessen. Digitaler Tacho? Fehlanzeige. Bordcomputer? Wo denkt Ihr hin? Die analogen Instrumenten befinden sich teilweise im Fußraum des Autos und sehen allesamt so aus, als stammten sie von Kapitän Nemos Nautilus.

In dem alten Ghost sitze ich nicht, nein, ich throne wie auf einem urigen Fuhrwerk. Nur, dass vorn statt eines Sechsspänners ein Sechszylinder für Vortrieb sorgt. Angefahren wird im zweiten Gang. Drehzahlen? Unnötig. Natürlich gibt es keine Lenkkraftverstärkung. Brauche ich bei den extrem dünnen Reifen aber auch nicht.

Der Motor schnurrt gemütlich

Beim Bewegen des hundertjährigen Automobils fühle ich mich erhaben. Das liegt an der Aura, die in dieser Form heute kein Automobil mehr besitzt. Der 50-PS-Motor schnurrt gemütlich vor sich hin. Theoretisch könnte ich auf 100 km/h beschleunigen. Doch zu dem hellblauen Klassiker passt eine entspannte Gangart viel besser.

Schalten und Bremsen sind im 1913er-Ghost ein Abenteuer, weil beide Vorgänge miteinander verbunden sind. Vorne gibt es gar keine Bremsen und hinten nur Trommeln. Und diese haben mit dem Wagen ihre liebe Mühe. Am besten verzögere ich mit der Handbremse außen am Auto. Trete ich die Kupplung, wird eine weitere Bremse aktiviert, die für eine kleine, aber feine Verzögerung dosiert ist.

100 Jahre hinterher und dennoch voraus - der neue Ghost fährt hier voran 100 Jahre hinterher und dennoch voraus - der neue Ghost fährt hier voran Quelle: Rolls-Royce Zum Gang einlegen muss ich einen kleinen Hebel am Gangstock ziehen. Die riesige Kupplung selbst ist mit einem groben, sehr widerstandsfähigen Stoff bezogen.

Im Gegensatz zum Modell des Jahres 1912, mit dem James Radley am Katschbergpass scheiterte, verfügt der Alpine-Trail Ghost von 1913 über vier besser gespreizte, kürzer übersetzte Gänge, die sich konventionell einlegen lassen: Kupplungspedal drücken, Hebel am Gangstock ziehen und letzteren in die entsprechende Gasse der H-Viergangschaltung legen.

Doppelt so viele Gänge

Diese Prozedur ist beim modernen Rolls-Royce Ghost natürlich passé. Wie beim Urahn sorgt ein ZF-Getriebe für den passenden Vortrieb, allerdings mit doppelt so vielen Gängen und vollautomatisch. Auch die Instrumente sind komplett anders.

Ich muss gar nicht so genau hinschauen, um die Verwandtschaft mit dem BMW-Siebener zu erkennen. Das geht beim Display in der Mittelkonsole los, setzt sich bei der Navi-Software und der an das iDrive angelehnten Menüführung fort und endet bei den schicken, durchsichtigen Plexiglas-Favoritentasten.

Der Rolls-Royce Ghost hat einen 570 PS starken V12 unter der Haube Der Rolls-Royce Ghost hat einen 570 PS starken V12 unter der Haube Quelle: Rolls-Royce Die Verarbeitung des Interieurs und die feinen Materialien sind typisch Rolls-Royce. Dass der Motor ebenfalls aus München stammt, mag den eingefleischten „The-Times-Leser“ über die vergangene Pracht des Empire und den Verlust britischer Status-Symbole lamentieren lassen. Aber ein Nachteil ist das sicher nicht. Im Gegenteil: Die 570 PS starke Bayern-Power schiebt den gut 2,4 Tonnen schweren Briten kräftig nach vorn, sodass jeder Tritt aufs Gas eine Wonne ist.

Genau wie sein Vorfahre lässt sich auch der Rolls-Royce Ghost des Jahres 2013 souverän steuern, ohne Anstrengung. Zumindest so lange, bis es zum ersten Mal flott in die Kurve geht. Denn hierbei bremsen spürbare Wank- und Rollbewegungen den Vorwärtsdrang des 5,40 Meter langen Luxusdampfers deutlich aus.

Auch bei der Kühlerfigur gibt es einen großen Unterschied zwischen den beiden Brüdern: Der moderne Ghost versenkt die Spirit-of-Ecstasy-Statue auf Knopfdruck im Kühlergrill, damit Souvenirjäger nicht zugreifen können. Apropos zuschlagen: Der moderne Ghost ist ab 265.000 Euro zu haben, sein Urahn ist mehrere Millionen Euro wert.

 

Quelle: MOTOR-TALK

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