Viel fahren bedeutet viel Verschleiß. Aber auch lange Standzeiten können alten Autos schaden. Wir haben uns die Instandsetzung eines VW Käfer mit Wartungsstau angesehen.
Quelle: Ausblenden | Marlene Gawrisch Von Haiko Prengel Berlin - Von wegen der läuft und läuft. Mit Muskelkraft muss der alte Käfer zur Hebebühne geschoben werden, der Boxermotor springt schon lange nicht mehr an. „Die Batterie ist tot”, sagt Andreas Steinhofer. Auch das Blech verheißt nichts Gutes. Viele Dellen, hässliche Roststellen - als Patina kann man diesen Zustand nicht mehr bezeichnen. „Das ist kein gepflegtes Liebhaberstück”, meint Steinhofer über die Ikone aus Wolfsburg. „Eher ein vernachlässigter Gebrauchtwagen.” Der Ingenieur ist Inhaber von „OldieTech“, eine der ältesten Klassiker-Werkstätten in Berlin. Auf dem Parkplatz stehen ein britischer Roadster, ein Mercedes der Baureihe W108 und andere feine Kundenfahrzeuge. Zum täglichen Brot der Firma gehören auch abgerockte Alltagsoldies, die im Winter als Daily Driver herhalten müssen. Und Standleichen, die wieder zum Leben erweckt werden sollen. Reparieren kann man vieles. Aber lohnt sich der Aufwand? Bei dem alten Käfer auf der Hebebühne würden Liebhaber sicher erst einmal ja sagen. Der VW rollte 1985 vom Band und ist ein so genannter Jubiläumskäfer, ein Sondermodell zum 50. Käfer-Geburtstag. Zu den Extras gehören die exklusive Lackierung in Zinngrau-Metallic, Colorverglasung, Sport-Stahlfelgen und ein Vierspeichen-Lenkrad aus dem Golf II. Nicht nur wegen des Preises von fast 12.000 Mark: Der Jubi-Käfer aus Mexiko „war vom ersten Tag an ein Hätschel- und Wegstell-Kandidat”, schreibt „Autobild Klassik”. Quelle: Ausblenden | Marlene Gawrisch Massig Wartungsstau, marode KarosseDoch dieser Jubi-Käfer wurde nicht gehätschelt, sondern erst jahrelang im Alltag gefahren und dann weggestellt – nicht aus Fürsorge, sondern weil er nicht mehr lief. Fachgerechte Einmottung, Konservierung? Fehlanzeige. So rostete der Wagen zuletzt ein Jahr lang in einer Tiefgarage vor sich hin. „Eigentlich dachte ich, dass ich die notwendigen Reparaturen selber machen könnte”, sagt Besitzer Hanno Klinger. Der Mittvierziger bestellte allerlei Ersatzteile bei einem Autoteile-Handel: neue Bremsschläuche, Stoßdämpfer, Spurstangenköpfe. Doch nicht nur massig Wartungsstau ist das Problem. Auch die Karosserie ist marode. Am Ende entschied sich Klinger doch für eine Fachwerkstatt. Aber was ist eine Fachwerkstatt? Zum Volkswagen-Vertragspartner werden wohl die wenigsten 30 Jahre alten Käfer fahren. Manche Hersteller haben nicht einmal Ersatzteile für 20 Jahre alte Youngtimer im Programm. Und auch nicht jede der zahlreichen Oldtimer-Werkstätten hält, was sie verspricht. „Zur Qualifizierung eines derartigen Fachbetriebes ist es jedenfalls nicht ausreichend, ein Schild mit dem Schriftzug 'Classic' an die Fassade zu schrauben und dann auf Kundschaft zu warten“, sagt Kfz-Ingenieur Peter Deuschle, der bei Stuttgart Deutschlands erste Prüfstelle für klassische Fahrzeuge gegründet hat. Quelle: Ausblenden | Marlene Gawrisch Alte Autos sind speziellAlte Autos sind teils so speziell, dass herkömmliche Werkstätten an ihre Grenzen geraten. Ein Beispiel sind komplexe Vergasersysteme, die ein Kfz-Mechatroniker, der an Einspritzsystemen gelernt hat, nicht mehr einstellen kann. Mit einem Goggomobil oder einem Fiat 500 sollte man besser nicht auf den Rollenprüfstand fahren, weil sie mit ihren kleinen Rädern dort nur schwer herauskommen. „Der qualifizierte Kfz-Betrieb kann die zusätzliche werterhaltende Leistung nur dann erbringen, wenn der Kunde auch bereit ist, den dafür erforderlichen Zeitaufwand zu bezahlen – und insbesondere nicht vor Auftragserteilung ein verbindliches Festpreisangebot fordert“, sagt Deuschle. An den hinteren Kotflügeln des Berliner Käfers hat Kfz-Meister Steinhofer inzwischen mehrere Rostherde entdeckt, teils Durchrostungen. Auch am Vorderwagen gammelt es, in die Reserveradwanne kann man von unten die Finger stecken. Vor Jahren wurde hier schon mal geschweißt und gespachtelt, aber schlecht. „Man könnte auch Pfusch sagen”, meint Steinhofer. „Karosseriearbeiten sind immer am teuersten”, erklärt er. Schweißen, neue Bleche zuschneiden, lackieren: „Das wird auch bei diesem Käfer der größte Einzelposten.” Außerdem ist der Auspuffwärmetauscher fällig, die Bremsanlage gehört runderneuert. Bei längeren Standzeiten zieht die Bremsflüssigkeit Wasser aus der Luft, die sich im Zylinder ansammelt. Der Hauptbremszylinder fängt an zu rosten. Quelle: Ausblenden | Marlene Gawrisch Erst die HU, dann mal schauenInsgesamt wird sich der Kostenvoranschlag auf 2.500 Euro belaufen. Und das sind nur die notwendigen Arbeiten, um den Wagen durch die Hauptuntersuchung zu bringen. Zusätzlich rät die Firma zu dringend fälligen Wartungsarbeiten an Motor und Technik sowie zu einem Austausch der Reifen. Denn die sind auch schon 13 Jahre alt und recht porös. Am Ende werden Klinger über 3.100 Euro in Rechnung gestellt. Ein Kompromiss: Um die HU zu bestehen, wurden Frontblech und Radkasten hinten geschweißt, grundiert und versiegelt. Auf Spachtelarbeiten am Frontblech wurde dagegen verzichtet, und lackiert wurde aus Kostengründen nur mit der Spraydose. Auch Motor und Getriebe bekamen nur eine Wartung, also einen Motor- und Getriebeölwechsel sowie neue Zündkerzen, Ventildeckeldichtungen, Luftfilter und Keilriemen. Der Simmering der Kurbelwelle wurde nicht erneuert, obwohl er eigentlich fällig ist – denn der Motor verliert weiter Öl. Komplett gemacht wurden wiederum die Bremsen vorne und hinten (Bremsschläuche, Bremsbacken, Radbremszylinder). Quelle: Ausblenden | Marlene Gawrisch Grundsätzlich wird sich die Investition wohl lohnen. Jubiläumskäfer sind begehrt, Classic Data notiert den Marktwert für gut erhaltene Mexiko-Käfer (Zustand 2) bei 7.600 Euro. Ein Jubiläums-Modell dürfte noch einmal mehr kosten. Aber Hanno Klinger will seinen geliebten Käfer gar nicht verkaufen, er will ihn endlich wieder fahren. Das Schöne am Käferfahren sei der „herrliche Pragmatismus des Autofahrens“, sagt der Berliner: „Von A nach B kommen.” Doch wenn er länger Freude haben will an seinem Käfer, dann wird er bald neues Geld investieren müssen. Vor allem in einen gründlichen Korrosionsschutz und eine vernünftige Versiegelung, denn vorher wird sich der Rost nicht stoppen lassen. Wer ein altes Auto fährt, muss eben immer am Ball bleiben. Fahrbereite VW Käfer werden auf mobile.de ab etwa 2.500 Euro angeboten. Für Brezel-Käfer, besonders gut erhaltene oder komplett restaurierte Cabrios und Ovali-Käfer verlangen Verkäufer bis zu 50.000 Euro oder mehr. Wie der Oldie im Saft bleibtHier sind zwölf Tipps, wie man automobile Standleichen vermeidet – beziehungsweise sie wieder zum Leben erweckt:
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