Der Mercedes Strich 8 passte perfekt in die Zeit von Revolution und Klassenkampf: Ein schlichter statt prunkvoller Mittelklasse-Benz. Mit Motoren für (fast) alle.
Köln - Er passte perfekt in eine Zeit, die aus den gewohnten Fugen geraten war. Der „kleine Mercedes“ - von allen Fans nur Strich-Acht (/8) genannt wurde vor einem halben Jahrhundert vorgestellt - kurz vor der 68er-Revolution. Die 4,68 Meter lange Mittelklasselimousine brach mit den Konventionen - sie demokratisierte das Premiumsegment: moderater Luxus für ein Millionenpublikum anstelle von Prunk für einige Wenige. Schlichte Eleganz statt einer opulenten Flosse am Heck. Vom Knauser-Diesel bis zum Sechsender Ursprünglich sollte sich die Fahrzeugfront der Typen W114 und W115 unterscheiden. Für die Vierzylinder (W 115) waren quer liegende Rechteckscheinwerfer vorgesehen. Die Sechszylinder (W 114) sollten mit vertikalen Leuchten im Stil des Pagodendach-SL die Überholspur frei räumen. Stattdessen gab es beim Marktstart durch die Bank Understatement. Nur Details wie die Stoßstangenlänge verrieten die Spitzenaggregate. Keinen Neid und keine soziale Missgunst wecken - in den 1970er-Jahren eine angesagte Tugend. Der Strich-Acht-Mercedes erfüllte sie. Die Fachpresse kommentierte die Modellpallette im Einheitslook mit Bezug auf die politischen Veränderungen als „stilistischen Linksruck.“ "Stilistischer Linksruck" Klar, Mercedes hielt die Limousine durch regelmäßige Modellpflegen attraktiv. Außerdem dürfte das konkurrenzlos große Motorenangebot zur anhaltenden Popularität beigetragen haben. Am Preis lag es eher nicht. Absolut gesehen gehörte der Mercedes nicht zu den günstigen Vertretern am Markt. Die Nachfrage blieb dennoch konstant hoch. Lange Lieferzeiten wurden in der Zeit des Strich-Acht zu einem Mercedes-Markenattribut. Als das letzte bestellte Modell die Werkshalle verließ, stand der Nachfolger W-123 bereits in den Mercedes-Schauräumen. 4,6 Millionen Kilometer Mit dem 240 D Als längsdynamisches Wunder ist der Strich-Acht nicht bekannt. Womöglich lag das an der schwachen Performance der Selbstzünder: Mehr als eine halbe Minute gönnte sich der phlegmatische 200 D, bis seine Tachonadel die 100-km/h-Marke erreichte. Die minimal kräftigeren Typen 220 D und 240 D galten ebenfalls als Wanderdünen. Die Langlebigkeit wurde zum Verkaufsargument. Ein 240-D-Taxi gilt bis heute als Mercedes mit der höchsten bekannten Kilometerleistung. Sein griechischer Besitzer legte mit dem Viertürer 4,6 Millionen Kilometer zurück. Heute steht der Benz im Stuttgarter Werksmuseum. Der 240D 3.0 war 1974 der erste Großserien-Fünfzylinder-Diesel und galt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 148 km/h als einer der rasantesten Diesel weltweit. Für den Kaufpreis wären allerdings noble englische V8-Modelle drin gewesen. Andererseits: Der Kauf eines Strich-Acht galt damals als relativ risikolose Langzeitinvestition. Die große Zahl bis heute überlebender Modelle beweist die Richtigkeit der damaligen Annahme. ***** In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten.
Quelle: SP-X |
