Zugegeben: Unfälle mit Wohnmobilen sind selten. Wenn es trotzdem kracht, können die Folgen verheerend sein. Ein kontrollierter Crashtest zeigt das Schreckensszenario.
Münster - Ungebremst rast ein Wohnmobil mit 70 Sachen auf das Heck eines geparkten Wagens. Die Wucht des Aufpralls ist gewaltig. Nach dem Zusammenstoß macht der Pkw einen großen Satz nach vorn - gut 25 Meter. Verletzt wurde dabei niemand, der Crash spielte sich auf einem Testgelände in der Nähe von Münster ab. Das Szenario ist von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) initiiert. Es ist eine typische Kollision, sagt der UDV. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit gering. Nur 0,18 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden gehen auf das Konto der Reisekolosse, im vergangenen Jahr gab es 544 Vorfälle. Dennoch ist die Botschaft der Vorführung eindeutig. Wenn eines der rollenden Wohn- und Schlafzimmer auf ein anderes Auto auffährt, kann es gefährlich werden - und manches Risiko wäre vermeidbar. Wohnmobile werden beliebterDer Autofahrer hätte wenig tun können. Sein Kofferraum ist völlig eingedrückt, der Dummy am Steuer liegt verrenkt im eingedrückten Sitz. "Er müsste wohl mit schweren Verletzungen an der Wirbelsäule ins Krankenhaus", glaubt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Dass die Crash-Experten in diesem Jahr Unfälle mit Wohnmobilen in den Fokus gerückt haben, ist kein Zufall. Schließlich steigt seit Jahren die Zahl der registrierten Reisemobile - mehr als 392.000 sind es deutschlandweit. Laut der Unfallstatistik und den Analysen der Versicherer sind es häufig Auffahrunfälle, in die Wohnmobile verwickelt sind. Wer darin vorne sitzt, hat das geringste Risiko. Anders sieht es für die Unfallgegner aus. Von den im Jahr 2014 tödlich Verunglückten bei Wohnmobilunfällen saßen vier im Reisemobil, elf waren es bei den Unfallbeteiligten. Bei den Schwerverletzten lag das Verhältnis 44 zu 103, rechnen die Forscher vor. Hohes Gewicht und schwache BremsenDoch die Gefahren seien minimierbar, erklärt Brockmann. Zum einen seien da die "inakzeptabel langen Bremswege": Mehr als 60 Meter braucht ein Reisemobil realistischerweise, um von 100 Stundenkilometern in den Stand zu kommen. "Damit liegt die Bremsleistung zwar im gesetzlichen Rahmen, ist aber deutlich geringer als bei modernen Pkw", kritisiert er. Bei Stichproben-Kontrollen mit der Polizei stellten die Unfallforscher zudem fest, dass rund die Hälfte der 35 gewogenen Reisemobile mehr Ladung an Bord hatte als erlaubt war. Vielen sei gar nicht bewusst, wie schnell bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen durch Urlaubsgepäck oder gefüllte Wassertanks die Toleranzschwelle überschritten ist. Gefahr durch falsche BeladungWenn dann die Ladung schlecht gesichert ist, drohen Szenarien wie auf der Crashtest-Bahn: Zwar sieht das Reisemobil äußerlich vergleichsweise wenig mitgenommen aus. Die Front ist eingedrückt, etwas Öl tritt aus. Im Innenraum wird jedoch deutlich, welche Kräfte hier gewütet haben. Wer genauer hinsieht, erkennt, dass die Dummy-Urlauber im Crashmobil viele Fehler gemacht haben, bei denen sich auch echte Wohnmobil-Reisende ertappen dürften. Geschirr ist durch den Innenraum geflogen und zerbrochen. Wasserflaschen wurden zu lebensgefährlichen Geschossen. Ein Mitfahrer-Dummy ohne Gurt ist unter den Tisch gerutscht, der Kopf gefährlich nah an der Platte. Die Sitzbänke des Campers liegen kreuz und quer. Und wäre der vierbeinige Dummy mit Plüschfell, den es bis in den Fußraum der Fahrerkabine geschleudert hat, ein echter Hund, hätte er das wohl nicht überlebt. "Jeder sollte sich gut überlegen, ob er da nicht lieber das Gewinsel aus der sichereren Transportbox in Kauf nimmt", sagt Brockmann. Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht
Quelle: Mit Material von SP-X und dpa |