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Technik: Chronik der Automatikgetriebe - Eine kleine Geschichte vom Selbstschalter

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Der komfortverliebte Ami schwört auf seine Automatik, und das seit 1940. Die Akzeptanz in Europa wuchs nur langsam und die Technik fand erst spät den Weg aus der Nische.

Cadillac Hydra-Matic: Erstes vollautomatisches Getriebe 1940 Cadillac Hydra-Matic: Erstes vollautomatisches Getriebe 1940 Quelle: Cadillac

Köln - Sie galt als Spaßbremse, Spritsäufer und unsportlich. Zumindest hierzulande, denn in Amerika wird das Automatikgetriebe bereits seit rund 75 Jahren als Meilenstein der Automobilentwicklung gefeiert. In Europa dagegen gab es keinen echten Automatik-Boom. 25 Jahre nach den US-Herstellern rüsteten Zulieferer wie ZF und Borg Warner Mittelklassemodelle von Fiat, Peugeot oder Volvo mit Wandlerautomaten aus.

Im Motorsport schon in den 60er Jahren beliebt

Mercedes Benz 300 mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und Drei-Gang-Wandler-Automatik von BorgWarner ab 1955 Mercedes Benz 300 mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und Drei-Gang-Wandler-Automatik von BorgWarner ab 1955 Quelle: Mercedes-Benz

Langsam ersetzte die Wandlerautomatik vorhandene Halbautomaten. Ford und Volkswagen kamen lange Zeit nicht ohne Schalthebel aus. Sportwagenfahrer dagegen akzeptieren selbsttätige Gangwechsel in Europa erst seit 15 Jahren. Heute sprintet mancher Porsche mit Doppelkupplung schneller als sein Pendant mit Handschaltung. Bei Ferrari ist das Doppelkupplungsgetriebe längst obligatorisch.

Tatsächlich wurde die Getriebeautomatik im Motorsport bereits Mitte der 1960er Jahre populär. Der US-Rennstall Chaparral gewann 1966 mit einem V8 und Automatikgetriebe das legendäre 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring. Für die Fachwelt eine Sensation. Doch während die Piloten von Ferrari oder Porsche rund 4.400 Schaltvorgänge während der Renndistanz absolvieren mussten, konzentrierten sich die Chapparal-Fahrer Phil Hill und Joakim Bonnier ganz auf Gas und Lenkung.

Werbung für Automaten: So leicht wie Kaffee kochen

Bis die Stammtische die Automatik akzeptierten, dauerte es trotzdem. Erschwert wurde diese Akzeptanz durch Werbeslogans wie den von Daf, dem Erfinder der stufenlosen Riemenautomatik. Darin stellte eine Frau mit Kaffeekanne in der Hand über das Fahren mit dem Daf fest: „So leicht wie Kaffee kochen.” Auch Opel warb für eine Automatik im Rekord, der damit wie geschaffen sei „für die Dame des Hauses”. Wenig hilfreich fürs Image waren schwedische Untersuchungsergebnisse, wonach Senioren mit Automatikautos länger fit im Verkehrsalltag bleiben.

Komfort, Sicherheit und Fahrspaß waren die Ziele des Erfinders der Automatik: Der Kanadier Alfred Horner Munro wollte damit 1923 den schwierigen Gangwechsel bei unsynchronisierten Getrieben erleichtern. Das gleiche Ziel verfolgten ab 1932 die brasilianischen Ingenieure Araripe und Lemos, die ihre Patente für eine Automatik mit Getriebeöl schließlich an General Motors (GM) verkauften.

Noch bevor dort bei Oldsmobile die Hydra-Matic 1940 als erste Vollautomatik in Serie ging, gab es Halbautomatik-Getriebe bei europäischen Luxusmodellen von Mercedes-Benz und Peugeot. Trotzdem: GM feierte 1949 die Auslieferung des einmillionsten Fahrzeugs mit Hydra-Matic. Die Automatik mit Drehmomentwandler war bei fast allen US-Marken die populärste Sonderausstattung.

Mercedes entwickelt Viergang-Automatik für S-Klasse

In Europa kamen die ersten erfolgreichen Wandlerautomaten ebenfalls vor allem aus Amerika. In Adenauers Staatskarosse Mercedes 300 C debütierte eine Borg-Warner-Dreigang-Wandlerautomatik. Mit „Fahren in Vollendung“ warb Mercedes-Benz dann Anfang der 1960er Jahre für das erste selbst entwickelte Viergang-Automatikgetriebe in der S-Klasse – noch ohne Wandler.

Peugeot 504 mit ZF Drei-Gang-Automatik 1974: Innenraum Peugeot 504 mit ZF Drei-Gang-Automatik 1974: Innenraum Quelle: Autodrom

Eine eigene Wandlerautomatik realisierte Mercedes erst 1972 in der S-Klasse der Baureihe W 116. Zu diesem Zeitpunkt hatte ZF bereits millionenfach einen 1965 präsentierten Dreigang-Automaten an BMW, Peugeot und Alfa Romeo geliefert.

Ein entscheidender Schritt für schaltfreies Fahren in kleineren Autos war die Entwicklung elektronischer Getriebesteuerungen, die das Getriebe besser vor Überlastung schützten. Ab 1990 gab es von Mercedes-Benz und ZF außerdem die ersten Fünfgang-Automaten, die den Mehrverbrauch von Wandlergetrieben gegenüber manuellen Schaltgetrieben deutlich senkten. Neu war außerdem die Lebensdauer-Ölbefüllung des Getriebes, für Laufleistungen von bis zu einer Million Kilometer ausgelegt - wie ein BMW 525 tds im Alltagseinsatz unter Beweis stellte. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Getriebeölwechsel die Lebensdauer erhöhen.

Erst sechs, dann sieben, dann acht Gänge

Zur Jahrtausendwende gehörten zähe Gangwechsel in Automatik-Autos der Vergangenheit an. Manche Modelle mit DSG-Schaltung oder mit elektronisch regulierten Gangwechseln schalteten schneller als Profis an manuellen Getrieben.

Seitdem treiben die Emissions- und Verbrauchswerte technische Entwicklungen voran. 2001 debütierte der BMW 7er mit dem weltweit ersten Sechsgang-Automatikgetriebe, entwickelt von ZF. Der Verbrauchsvorteil gegenüber einem Fünfgang-Automaten betrug sieben Prozent, weshalb dieses Getriebe kurz darauf von zwölf weiteren Marken genutzt wurde.

Nur zwei Jahre später zeigte Mercedes-Benz die erste Siebengang-Automatik. Der mehrheitlich zu Toyota gehörende Getriebe-Gigant Aisin legte nach: 2007 erschien der Lexus LS 460 mit Achtgang-Automatik. Zwölf Monate danach folgte ZF. Der Achtgang-Automat der Deutschen lässt sich mit Hybridsystemen koppeln.

Aktueller Höhepunkt ist eine ZF-Neungang-Automatik, die im Range Rover Evoque, Honda CR-V und Jeep Cherokee eingeführt wurde. Mercedes entwickelte ebenfalls eine Neungang-Automatik.

Heute werden Automatik-Käufer auch in Deutschland längst nicht mehr belächelt. Zum Angeben genügt es aber trotzdem nicht. Das klappte nur 1966: In der letzten Runde öffnete der Fahrer die Tür und putzte in aller Ruhe während der Fahrt die Frontscheibe.

 

Automaten-Chronik

  • 1921: Alfred Horner Munro (Kanada) erfindet die Getriebeautomatik und lässt sie 1923 patentieren unter CA 235757. Auch für die USA und Großbritannien erhält der Dampfmaschinen-Ingenieur Patente, wobei er allerdings die später übliche Hydraulikflüssigkeit durch komprimierte Luft ersetzt. Seine Technik ging nie in Serie
  • 1932: Die brasilianischen Ingenieure José Braz Araripe und Fernando Lehly Lemos entwickeln eine Automatik, die mit Getriebeöl arbeitet und deren Pläne sie später an General Motors (GM) verkaufen. Auch vom ungarischen Erfinder Biro – bekannt geworden durch die Entwicklung des Kugelschreibers – soll GM das Konzept einer Automatik übernommen haben
  • 1933: REO (gegründet von Automobilpionier Ransom Olds) und General Motors entwickeln halbautomatische Getriebe, die mehr Schaltkomfort ermöglichen als manuelle Getriebe, da die Kupplungspedal überflüssig wird. Derweil werden in Europa etwa vom Briten Walter Gordon Wilson und vom Franzosen Jean Cotal halbautomatische Vorwählgetriebe eingeführt, vor allem bei französischen Marken wie Peugeot.
  • 1939: GM präsentiert das erste vollautomatische GetriebeHydra-Matic, das zum Modelljahr 1940 bei Oldsmobile in Großserie geht. Oldsmobile verspricht 10 bis 15 Prozent Verbrauchsersparnis im Vergleich zu manuellen Schaltgetrieben, da die Gänge länger übersetzt sind
  • 1940: Cadillac bietet zum Modelljahr 1941 ebenfalls die Hydra-Matic an
  • 1942: GM feiert 200.000 PKW mit Hydra-Matic. Die Hydra-Matic wird in Kampfpanzern eingebaut und später als kampferprobt („Battle tested“) beworben
  • 1948: Im Januar lanciert Buick seine Dynaflow-Zweigang-Automatik mit Drehmomentwandler. 78 Prozent der Pontiac-Käufer bestellen die optionale Hydra-Matic, bei Cadillac sind es 95 Prozent. Dies trotz hoher Aufpreise (158 bis 174 Dollar)
  • 1949: Der amerikanische Hersteller Packard präsentiert die Ultramatic, eine Zweigang-Automatik mit Drehmomentwandler. Eine Million Hydra-Matic-Getriebe
  • 1950: Chevrolet präsentiert das Powerglide-Getriebe als Zweigang-Automatik mit Drehmomentwandler. In der Folge entwickelt Borg Warner Dreigang-Automaten für AMC, Ford und Studebaker
  • 1952: Zwei Millionen Hydra-Matic-Getriebe von GM
  • 1953: Chrysler führt die PowerFlite-Getriebe ein, eine Zweigang-Automatik mit Drehmomentwandler
  • 1955: Im Mercedes-Benz 300 c debütiert eine Dreigang-Wandlerautomatik von Borg Warner
  • 1956: Chrysler TorqueFlite als Dreigang-Wandlerautomatik. GM führt die "Jetaway" Hydra-Matic mit zwei Flüssigkeitskupplungen ein, die sanfteren Gangwechsel ermöglicht
  • 1960: Borg Warner startet in Großbritannien mit der Fertigung des BW 35, eines vollautomatischen Getriebes mit hydrodynamischem Drehmomentwandler, Ravigneaux-Planetengetriebe, zwei Lamellenkupplungen, zwei Bandbremsen, drei Vorwärtsgängen plus Rückwärtsgang. Eingebaut wird diese Automatik von AMC, Austin, Citroen, Chrysler, Daimler, Dodge, Fiat, Ford, Hillman, Humber, Jaguar, MG, Morris, Reliant, Saab, Sunbeam, Triumph und Volvo
  • 1961: Mercedes-Benz präsentiert im April das erste selbst entwickelte Automatikgetriebe in Form einer Viergang-Kupplungsautomatik, als Sonderausstattung im Typ 220 SEb der Baureihe 111. Im Mercedes-Benz 300 SE ist diese hydraulische Anfahrkupplung (ohne Drehmomentwandler) mit nachgeschaltetem Viergang-Planetengetriebe (inklusive drei Lamellenkupplungen und drei Bandbremsen) ab August Standard. Später hält dieser Viergang-Automat Einzug in den Typen 220 und 220 S (1962), 230 SL (1963) und 600 (1964). Der Vorteil dieses Getriebes gegenüber einer Wandlerautomatik sind der geringere Leistungsverlust und niedrigere Verbrauchswerte. ZF präsentiert seine erste Dreigang-Automatik auf der IAA 1965, das bis 1977 in Produktion bleibt und eingesetzt wird von BMW, Peugeot und Alfa Romeo. Die Weiterentwicklungen werden bis 1991 gebaut. Gesamtauflage dieses Getriebes: 1.065.511 Einheiten
  • 1968: Volvo und Saab starten eine Automatik-Offensive mit Borg-Warner-Dreigang-Automaten für die Modelle Volvo 144, Volvo 164 und Saab 99
  • 1972: In der Mercedes-Benz S-Klasse (W 116) ersetzt eine Wandlerautomatik die bisherige Kupplungsautomatik. Zunächst ist dieses Getriebe eine Sonderausstattung, ab 1973 bei 450 SE und 450 SEL aber Serie. Auch Mercedes-Benz SL und SLC der Reihe 107 werden als V8 mit dieser Dreigang-Automatik angeboten. Schwächere Motorisierungen gibt es mit Viergang-Automaten.
  • 1980: Bei Mercedes-Benz liegen die Verkaufsanteile von Automatik und Schaltgetrieben erstmals bei je rund 50 Prozent
  • 1982: Das ZF-Viergang-Automatikgetriebe geht in Serie. Es bleibt bis 2005 in Produktion (Gesamt: 1.901.984 Einheiten). Die höhere Spreizung durch den länger übersetzten vierten Gang und die Wandler-Überbrückungskupplung sparen Sprit. Für die Getriebesteuerung setzt ZF erstmals ein elektrohydraulisches Regelsystem ein. Die Automatik steckt in Fahrzeugen von Alfa Romeo (1986 bis 2005), Audi (1987 bis 2004), Rover (1984 bis 2000), BMW (1982 bis 2004), Chrysler (1986 bis 1999), Citroen (1984 bis 2005), Fiat (1986 bis 2005), Ford (1982 bis 2004), Jaguar (1982 bis 2004), Lancia (1986 bis 1999), Land Rover (1982 bis 2004), Lotus (1982 bis 2004), Maserati (1982 bis 2004), Mercedes-Benz (1996 bis 2005), Peugeot (1982 bis 2005), Porsche (1982 bis 2004), Renault (1996 bis 2005), Saab (1986 bis 1999), Volvo (1982 bis 2004).
  • 1989: Entwicklung elektronischer Getriebesteuerungen, die das Getriebe vor Überlastung schützen und eine bessere Schaltqualität erreichen, indem sie ein „Torque-down“-Request an das Motorsteuergerät übermitteln
  • 1990: Zu den ersten Modellen mit Fünfgang-Automatikgetriebe zählen bei Mercedes-Benz die 3,0-Liter-24V-Typen 300 E, 300 TE, 300 CE (W 124) und 300 SL (R 129). Auch ZF führt ein Fünfganggetriebe mit adaptiver Steuerung ein. An Steigungen oder im Anhängerbetrieb schaltet es erst bei höheren Drehzahlen hoch. Die Lebensdauer-Ölbefüllung macht den Wechsel des Getriebeöls überflüssig. Audi (1995 bis 2005), BMW (1990 bis 2005), Jaguar (1996 bis 2005), Skoda (1995 bis 2005) oder Volkswagen (1995 bis 2005) verwenden das Getriebe.
  • 1998: In der Mercedes A-Klasse debütiert der mit 31,5 Zentimeter Baulänge und 68 Kilogramm Gewicht kompakteste Fünfgang-Automat (FAG= Front-Automatikgetriebe) der Welt
  • 2001: Weltweit erstes Sechsgang-Automatikgetriebe, entwickelt von ZF. Es erreichte bis heute eine Auflage von mehr als sieben Mio. Der Verbrauchsvorteil gegenüber Fünfgang-Automaten beträgt bis zu sieben Prozent. Einsatz bei BMW, Aston Martin, Audi, Bentley, Ford, Hyundai, Jaguar, Kia, Land Rover, Lincoln, Maserati, Rolls Royce, Volkswagen
  • 2003: Die erste Siebengang-Automatik (7G-Tronic) debütiert bei Mercedes-Benz
  • 2005: Aisin AW überholt General Motors als weltweit größter Hersteller von automatisierten Getrieben. Jährlich werden 4,9 Millionen Einheiten produziert. Aisin liefert Getriebeautomaten an 55 Unternehmen, darunter GM, Ford, Mitsubishi, Nissan, Porsche, Saab, Audi, VW, Volvo, Hyundai und Mini
  • 2007: Lexus LS 460 mit dem weltweit ersten Achtgang-Automaten
  • 2009: Auch ZF präsentiert einen Achtgang-Automaten, Auflage bisher über 7,5 Millionen Einheiten, eingesetzt bei Aston Martin, Audi, Bentley, BMW, Chrysler, Dodge, Jaguar, Lancia, Land Rover, Maserati, Rolls Royce, Volkswagen. Verbrauchsersparnis gegenüber Sechsgang-Automaten bis zu elf Prozent mit Start-Stoppsystem. Koppelbar mit Hybridsystemen
  • 2013: Range Rover Evoque, Honda CR-V und Jeep Cherokee mit dem weltweit ersten Neungang-Automaten gehen 2013/14 in Serie. Mit dem 9 HP und einer Getriebespreizung von 9,8 (also das Verhältnis vom kleinsten zum größten Gang) hat ZF den bisher besten Wert für ein Getriebe erzielt.
  • 2015: Volkswagen präsentiert ein DSG mit zehn Gängen plus Kriechgang und Overdrive

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