Es muss nicht immer Benz, Kadett oder Käfer sein: Auch seltene Japaner wie Martins Toyota Carina taugen zum Alltagsklassiker. Wir trafen den Berliner zur Probefahrt.
Berlin – Oldtimer gleich Klassiker, Klassiker gleich Sammlerstück? Martin passt so gar nicht ins Klischee des Oldtimer-Liebhabers, denn er interessiert sich nicht besonders für Autos. Als Großstädter fährt er mit der U-Bahn zur Arbeit, „das geht schneller und ist billiger“. Ein Auto wollte er trotzdem haben. Nicht für jeden Tag, aber zumindest für jede Woche. Für Gelegenheitstouren, zum Einkaufen – für alle Fälle eben. Und wenn schon, dann sollte es ein bezahlbarer, alltagstauglicher Oldie sein. Aber welcher? Durch Zufall stieß der Berliner mit der modischen Berufsbezeichnung "Agile Coach" vor fünf Jahren auf ein Auto, das sich in den einschlägigen Online-Börsen virtuell die Reifen in den Unterboden stand: Ein Toyota Carina, Erstzulassung 1976. Gebaut aber vor dem Modellwechsel von der Baureihe TA12 zu TA 14, die im gleichen Jahr in fernen Japan stattfand. Wie die meisten Japaner seiner Zeit läuft der Carina erster Generation in Deutschland weit unter dem Radar der Oldtimer-Szene. Quelle: MOTOR-TALK Damit so einer überlebt, braucht es schon Zufälle wie diesen: 30 Jahre lang gehörte der Wagen einer 1924 geborenen Dame. Sie hegte und pflegte den Toyota, und rettete ihn damit in die Neuzeit. Über zwei Kurzzeit-Besitzer fand der Wagen den Weg zu Martin. Laut Typschlüssel sind beim Kraftfahrtbundesamt von diesem Typ noch 128 Exemplare in Deutschland zugelassen. Noch weniger dürften diesen Zustand aufweisen: Martin kaufte den Garagenwagen mit knapp 29.000 Kilometern auf dem Tacho für verträgliche 3.000 Euro. Oldie-Fahrgefühl im Mittelklasse-ExotenTechnisch teilte sich der Carina vieles mit dem Celica: 1,6-Liter-Benziner mit Fallstrom-Registervergaser, ein zeitgemäßes Fahrwerk mit McPherson-Federbeinen vorn und Starrachse mit Stoßdämpfern hinten. 75 PS waren 1976 gar nicht wenig, und auch heute noch fährt die knapp eine Tonne schwere Mittelklasselimousine locker im Verkehr mit. Mit fröhlich-lautem Orgeln reagiert der rustikale Vierzylinder auf Gasbefehle, das kurz übersetzte Viergang-Getriebe ist schnell am Ende aller Schaltvorgänge angekommen. Ab jetzt geht Beschleunigen nur noch über mehr Drehzahl. Laut Datenblatt läuft der Carina 155 km/h, wir belassen es heute bei Tempo 100 – schließlich kommt der alte Herr nicht oft aus der Mietgarage in Prenzlauer Berg heraus, und er ist ohnehin eher zum Cruisen gemacht als zum Rasen. Aus heutiger Sicht vermisst man eine Servolenkung, in den 1970ern gehörte das feste Zupacken am dünnen Kunststoff-Lenkrad noch dazu – auch in der Mittelklasse, und auch im traditionell gut ausgestatteten Japaner. Quelle: MOTOR-TALK Was es im Toyota dagegen gab: Gute Bremsen, vorne Scheibe, hinten Trommel, Bremskraftverstärker. Auch deshalb fanden es zeitgenössische Presseberichte „absolut verständlich, wenn Autofahrer in Ländern ohne heimische Produktion ebenso gern einen Toyota wie einen Fiat oder Ford kaufen“. Rustikaler als Ascona und TaunusDie gute Bremsleistung schafft Vertrauen, während wir durch die ländlichen Ausläufer von Berlin kurven. Wir lümmeln auf zeitgemäß seitenhaltfreien Polstern, die angesichts der geringen Laufleistung des Toyota noch frisch wirken. Das Lenkrad scheuert allerdings leicht am Knie, denke ich, während ich über gleich drei Hupknöpfe staune. Ja, dieser Toyota fährt ein Quäntchen rustikaler als seine ungleich erfolgreicheren Konkurrenten Opel Ascona oder Ford Taunus. Dafür werden wir mehrfach gefragt: „Was ist das denn für ein schöner Oldtimer?“ Anders als deutsche Fabrikate kennt diesen Carina kaum noch jemand. Und das Oldtimer-Gefühl, das vermittelt der Wagen sehr direkt. Schon die nachfolgende Generation ab 1978 bot deutlich besseren Geräuschkomfort. Rost ist ein ThemaWie steht es um die Alltagstauglichkeit des Carina? „Rost ist natürlich ein Thema“, sagt Martin. Direkt nach dem Kauf ließ er den Wagen hohlraumversiegeln. Trotzdem bringt er den Oldie einmal im Jahr zum Lackdoktor, „zur Durchsicht – manche neuralgischen Stellen muss man jedes Jahr nacharbeiten“. Das koste allerdings nur wenige hundert Euro. Pro 100 Kilometer nimmt der Toyota Carina gute 10 Liter Sprit plus Bleiersatz – nicht wenig, aber für Gelegenheitsfahrer Martin kein Problem: Bei unter 1.000 Kilometern pro Jahr ist jedes Auto Liebhaberei, und der Sprit bei Weitem das Günstigste. Dabei hat Martin durchaus vor, mit dem Toyota auf große Tour zu gehen: „Quer durch Deutschland über die Landstraßen, das ist eigentlich schon seit zwei Jahren mein Urlaubsplan. Es hat nur noch nie gepasst“. Sein günstiger Alltags-Oldie fände das bestimmt gut. Richtigen Auslauf bekommen Stadtautos eben nur zu besonderen Gelegenheiten. Technische Daten: Toyota Carina 1600
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