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Classic Driving News

Einer wie keiner - Mittelmotor-Mercedes

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Mercedes-Benz hat in seiner Geschichte zahllose Cabriolets und Roadster erschaffen, die automobile Berühmtheit erlangten. Doch den 150 Sport Roadster mit Mittelmotor von 1934 kennen nur wenige. In Kalifornien/USA, lud das Unikat zur Probefahrt ein.

Seine Silhouette ist einzigartig, das Mittelmotorkonzept auch. Ebenso wie viele andere Autohersteller suchte Mercedes-Benz kurz vor dem Zweiten Weltkrieg nach einer Neuausrichtung. Der Wirtschaft ging es schlecht, die Käufe dümpelten vor sich hin; dabei waren die Autos waren groß und teuer.

Nur ein einziger Mercedes 150 Sport Roadster soll überlebt haben

Nach dem Erfolg bei der 2.000-Kilometer-Fahrt des Jahres 1934 wurde der Ruf laut nach einem echten Sportwagen. Bei der Suche nach einem geeigneten Basismodell wurden die Ingenieure schnell fündig. So wurde das Grundkonstrukt der eleganten Mercedes 150 Sportlimousine kurzerhand zu einer technischen Plattform für den 150er Sportroadster. Der feierte seine Publikumspremiere auf der Internationalen Automobil- und Motorradausstellung (IAMA) 1935 in Berlin.

Wie viele Fahrzeuge des offenen 150ers es real gab, ist bis heute ungewiss. Fest seht, kaum mehr als eine handvoll 150 Sportroadster haben die Sindelfinger Produktionshallen verlassen. Heute existiert wohl nur noch ein Roadster der seltenen Baureihe W 30.

Der kernig rote Sportler ist zum Auslandsbesuch im Sonnenparadies Kalifornien. Heute wäre er wohl mehr als eine Million Euro wert - vielleicht auch deutlich mehr. "Ist immer schwer zu sagen bei einem Einzelstück wie dem Sportroadster", erklärt Michael Kunz, Leiter des Mercedes Classic Centers in Irvine.

Der Mercedes 150 Sportroadster wird 1935 auf der IAMA für 6.600 Reichsmark angeboten

Ein Druck auf den schwarzen Starterknopf am schmucken Armaturenbrett - nichts passiert. Nate Landers schüttelt den Kopf und holt den Schraubenzieher aus dem rechten der beiden Handschuhfächer, steigt aus und öffnet die nicht enden wollende Motorhaube hinter den Sitzen. "Dann machen wir es eben wieder auf die traditionelle Art", grummelt der 27jährige, der sein Herz vor knapp zehn Jahren an die Oldtimer im Hause Mercedes-Benz verloren hat. Seither ist er der virtuose Bastler im Mercedes Classic Center Irvine, rund eine halbe Stunde südlich von Los Angeles.

Nate Landers kennt den 150er mittlerweile wie seine Westentasche: ""Ich habe zuletzt 31 Tage am Stück mit diesem Mercedes 150 verbracht. Der Wagen ist seit den 40er Jahren nicht mehr bewegt worden." Es war eines der aufwendigsten Projekte, die das Mercedes Classic-Center seit seiner Eröffnung vor fünf Jahren zu bewältigen hatte. "Wir gehen davon aus, dass dieser Roadster ehemals eine Limousine war, die dann zum Roadster umgebaut worden ist", so Michael Kunz, "der Wagen befand sich seit 1949 im Mercedes-Museum."

Nach 60 Jahtren im Mercedes-Benz-Museum wieder zurück auf die Straße

Das Ergebnis der technischen Restauration kann sich sehen und fahren lassen. Nach einem kleinen Räusperer beim manuellen Startvorgang im Heck des Wagens zeigt der 150 Sportroadster keine Schwächen mehr. Das Design mit den drei ebenso sehenswerten wie lichtschwachen Scheinwerfern, die gepfeilte Windschutzscheibe und die grazil geschwungenen Kotflügel sind eine wahre Schau. Wo könnte er besser hinpassen, als in den Süden Kaliforniens?

Der 150 Sportroadster ist eine visuelle Versuchung, wie es bei Mercedes nur wenige gab. Das spitz zulaufende Bootsheck mit den zwei hintergrundbeleuchteten Kennzeichen macht ihn im Hause Mercedes einzigartig. Der Mercedes-Stern an der Front steht selbstbewusst frei über dem unverwechselbaren Gesicht mit den drei Scheinwerferaugen. Zwischen den gegenläufig öffnenden Türen und den beiden hinteren Kotflügeln befinden sich wenig schmuckvolle Ersatzreifen. Zur damaligen Zeit allemal praktisch, aber eine optische Verunglimpfung des filigran gezeichneten Sonnenanbeters.

Sport Roadster mit Autobahn-Schnellgang

Angetrieben wird der deutsche Sonnenkönig von einem 1,5 Liter großen Vierzylinder-Reihenmotor mit mageren 40 KW/55 PS. Das reichte 1934/35 immerhin für 125 km/h Spitze. Dass der Verkaufsprospekt Mitte der 30er Jahre von einem "rassigen Sportwagen" mit einem vorzüglichen Leistungsgewicht spricht, erscheint 70 Jahre später leicht verklärt, doch wohl zeitgemäß. Immerhin musste eine Pferdestärke gerade einmal 19 Kilogramm Gewicht bewegen. In den 30er Jahren tatsächlich ein beeindruckender Wert.

Der Motor befindet sich nicht wie gewöhnlich vorn, sondern in Mittelbauweise hinter den beiden Sitzen. Selbst nach heutigen Maßstäben ist der Mercedes 150 Sportroadster flott unterwegs. Der kernige Motorklang lässt zunächst einen Dreizylinder vermuten; doch Mitte der 30er Jahren waren bereits vier Brennräume eine Überraschung. Für die schnellen Autobahnfahrten gibt es drei normale und einen Schnellgang, der nicht eingekuppelt werden muss. Nach dem Ausdrehen des dritten Gangs einfach in den vierten geschaltet, kurz vom Gas und der Autobahn-Schnellgang legt sich wie von Geisterhand selbsttätig ein. Für Bergan-Fahrten sollte man mit gleicher Vorgehensweise lieber wieder in die dritte Schaltstufe wechseln. Im Schnellgang hat der kleine Vierzylinder den Hang hinauf nichts zuzusetzen.

In Kalifornien braucht man für den Sport Roadster kein Dach

Der Innenraum ist komplett mit schwarzem Leder ausgeschlagen. Nicht nur Sitze, sondern auch Armaturenbrett-Oberseite und die Türtafeln machen es den beiden Insassen auf kleinem Raum möglichst bequem. Der Zustand des Fahrzeugs ist nicht perfekt, aber vorbildlich, obwohl hier keineswegs restauratorische Hand angelegt wurde. Hier im kalifornischen Orange County sind Regentage so selten wir ein warmer Pazifik. Daher kommt kein Drang auf, dem 150er die Regenmütze aufzusetzen. "Wir haben gar kein Dach oder Dachgestänge für den Sportroadster", lacht Michael Kunz, Leiter des Classic Centers, "das sollte heute aber kein Problem sein. Es bleibt trocken."

Ebenso wie Restaurationspate Nate Landers ist auch Michael Kunz stolz, dass der offene 150er so problemlos läuft: "Wir haben in den letzten zweieinhalb Monaten komplett an dem Wagen durchgearbeitet. Der Wagen läuft wirklich gut." Bleibt zu hoffen, dass er nicht wieder ins Museum muss, sondern regelmäßig auf die Straße darf. Es muss ja nicht immer Orange County sein.

 

Quelle: Motor Klassik

Avatar von MotorKlassik
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