Die meistverkaufte Reise-Enduro der Welt bekommt einen wassergekühlten Boxer. Wir sind die neue Technik bereits gefahren.
Von MOTOR-TALK-Reporter Ralf Schütze George/Südafrika – Der Winter in Südafrika kann heiß sein. Das passt gut. Denn 37,5 Grad sind die besten Voraussetzungen, um die neue BMW GS mit wassergekühltem Boxer zum ersten Mal so richtig ins Schwitzen zu bringen. Eine Baustelle entlang der Garden Route fordert gleich zu Beginn der Testfahrt die Geduld des Fahrers und die Kühlung des Motors. Der alte, luftgekühlte Boxer hätte die Waden des Bikers bereits zum Glühen gebracht. Doch der neue Motor setzt auf Wasser und besiegt mit einem dezent klingenden Gebläse den thermischen Kollaps. Die Unterschenkel des Fahrers werden geschont und stellen mit unversehrter Haut unter Beweis: Es gibt auch eine GS nach der Luftkühlung. Waschechter Boxer trotz WasserkühlungJahrelang grassierte die Angst vor dem modernen Boxer, dessen Einführung wegen Emissions- und Geräuschvorschriften unvermeidlich war. Doch die Vorurteile verdampfen bereits bei der ersten Ausfahrt wie heißes Wasser. Quelle: Ralf Schütze Der neue BMW-Boxer funktioniert hervorragend und sieht noch dazu gut aus. Statt eines glattflächigen und unförmigen Gebildes hat BMW einen waschechten Boxermotor mit schicken Kühlrippen geschaffen, die dem Motor kühlenden Fahrtwind zu fächern. So bleibt auch beim neuen Boxer, zumindest zu 65 Prozent, die Motorkühlung echte Luftsache. Die neue GS wurde mit Spannung erwartet: Immerhin war die Vorgängerin mit über 180.000 Exemplaren seit 2004 die meistverkaufte Reise-Enduro der Welt. Diese Fahrzeugklasse hat BMW ab 1980 mit der R 80 G/S selbst vorangetrieben. Das Bike stand damals für die Verbindung zwischen Gelände und Straße (daher das Kürzel GS). Von da an perfektionierten die Bayern nach und nach die Idee vom komfortablen, vielseitigen und leicht hochbeinigen Motorrad, quasi ein SUV auf zwei Rädern. 125 PS und viel AusstattungDie jüngste Ausgabe heißt wie gehabt BMW R 1200 GS und ist ab 2. März für 14.100 Euro zu haben. Das ist viel Geld für ein Motorrad. Aber günstig war es noch nie, eine GS zu fahren. Zudem hat das Bike jede Menge zu bieten: einen luft-/wassergekühlten Boxermotor mit 125 PS und 125 Newtonmeter Drehmoment, eine Ölbad-Kupplung mit Antihopping-Funktion, ein ins Motorgehäuse integriertes Sechsgang-Getriebe, das semi-aktive Fahrwerk "Dynamic ESA" mit fünf Fahrmodi (gegen Aufpreis), E-Gas, ein teilintegrales ABS in Serie, einen Bordcomputer, eine in Höhe und Neigung einstellbare Sitzbank sowie ein optionales Voll-LED-Fahrlicht. Wer sich dann noch weitere Extras wie die Cruise Control oder das Navigationssystem gönnt, hat am Ende ein Rundum-Sorglos-Paket auf zwei Rädern. Trotz des ganzen neumodischen Schnickschnacks bleibt die GS eine Spaßmaschine. Dafür sorgen ein verbesserter Schwerpunkt, eine optimierte Fahrwerksgeometrie, ein blitzsauber arbeitendes Teilintegral-ABS und eine speziell entwickelte Rad-Reifen-Kombination. So macht die GS in schnellen Landstraßenkurven jedem Sportler mehr Feuer unterm Hintern als je zuvor. Wer trinkt schon gerne im Liegen?Extras hin, Ausstattung her. Das Sahnestück der GS bleibt der Motor. Die Präzisions-Wasserkühlung an den thermisch kritischsten Stellen stammt aus der Formel 1. Die senkrechte Durchströmung der Zylinder ist optisch ebenso ungewöhnlich wie technisch überzeugend – Quelle: BMW wer schon mal versucht hat, im Liegen zu trinken, weiß warum. Damit liefert der Motor 15 PS Mehrleistung trotz identischem Hubraum. Der neue Boxer genehmigt sich im Normverbrauch 5,6 Liter auf 100 Kilometer und somit 7 Prozent weniger als sein Vorgänger. Seine volle Leistung liefert er mit Superbenzin (95 Oktan), verlangt also nicht wie bisher nach Super Plus. Im entspannten Cruise-Modus entlang der Garden Route verbrauchten wir nur 4,3 Liter. Das ist ein Wahnsinnswert für ein Bike dieser Leistungs- und Gewichtsklasse. Apropos Gewicht: Mit 238 Kilogramm fahrfertigem Leergewicht hat die GS dank Leichtbau nur vier Kilogramm zugenommen. Mit dieser Fuhre hat der kräftig anschiebende und drehfreudige Wasser-Boxer leichtes Spiel. Beeindruckend ist vor allem, wie sanft der Antrieb im Zusammenspiel mit Kupplung und Getriebe die Kraft ans Hinterrad liefert.
Nobody is perfectAber perfekt ist auch die neue GS nicht. Bereits die Optik lässt Luft für Kritik. Zwar wirkt das Design der Neuen insgesamt dynamischer und eleganter als das der alten GS. Aber vor allem im Profil wirkt der Jahrgang 2013 wie eine Blaupause der Vorgängerin. Etwas mehr Mut und Abstand zum bisherigen Outfit hätten dem technisch stark weiterentwickelten Motorrad gut gestanden. Ein weiterer Minuspunkt ist die Ergonomie: Zwar gibt es viele Verstellmöglichkeiten für Fahrer und Sozius. Quelle: BMW Wer aber mit Schuhgröße 46 die Gänge wählt, kommt ständig mit dem Ausleger des Seitenständers ins Gehege. Auch die angepriesene Einhand-Verstellung des Windschilds hält nicht, was sie verspricht. Das Rädchen liegt rechts vom Cockpit und damit ausgerechnet in Reichweite der Gashand. Die unlogische Positionierung begründet BMW damit, dass man das Schild während der Fahrt gar nicht verstellen soll. Schade. Denn wer von der Autobahn auf die Landstraße oder gar durch einen Ort fährt, würde sich über ein bisschen mehr Fahrtwind rund um die Nase freuen. Gerüstet für den Kampf um die WeltherrschaftDas Klagen auf hohem Niveau ändert jedoch nichts am Gesamteindruck: Die BMW R 1200 GS kann alles, was die Vorgängerin konnte, und das sogar noch einen Tick besser. Und da der wassergekühlte Motor ein ansehnlicher Boxer mit typisch kernigem Sound geblieben ist, darf die GS zu Recht selbstbewusst den Kampf um die Weltherrschaft unter den großen Reise-Enduros antreten.
Technische Daten BMW R 1200 GS (2013)
Quelle: MOTOR-TALK |