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Boykott sei immer eine zweifelhafte Sache - Europarats-Berichterstatter: Formel 1 in Baku hilft, Lage zu zeigen

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Experten sehen die Aufnahme von Aserbaidschan in den Rennkalender der Formel 1 mit Skepsis. Sie kritisieren die Unterdrückung Andersdenkender in dem Land. Europarats-Berichterstatter Stefan Schennach setzt auf Dialog und hält wenig von einem Boykott.

Der Große Preis von Europa in Aserbadschan steht in der Kritik. "Er hilft aber, die Lage zu zeigen" - so Europarat-Berichterstatter Stefan Schennach Der Große Preis von Europa in Aserbadschan steht in der Kritik. "Er hilft aber, die Lage zu zeigen" - so Europarat-Berichterstatter Stefan Schennach Quelle: dpa/Picture Alliance

Baku - Zeitgleich zur umstrittenen Formel-1-Premiere in Baku führt der Europarats-Berichterstatter Stefan Schennach Gespräche mit der autoritären Führung in Aserbaidschan. Kritik sei notwendig, aber der Dialog sei wichtig, sagt der Österreicher der Deutschen Presse-Agentur in der Südkaukasusrepublik vor dem Großen Preis von Europa am Sonntag.

Herr Schennach, Kritiker werfen Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliyev vor, Menschenrechte massiv zu missachten. Hätte die Formel 1 nie nach Aserbaidschan vergeben werden dürfen?

Schennach: Ich würde nie sagen, dass Sport- oder Kulturereignisse nicht nach Aserbaidschan vergeben werden dürfen. Solche Veranstaltungen im Scheinwerferlicht der internationalen Presse helfen oft, die Lage im Land darzustellen. Boykott ist immer so eine zweifelhafte Sache. Und es ist nun wirklich nichts Neues, dass die Formel 1 dort fährt, wo Geld ist - auch wenn dieses knapp geworden ist durch den Ölpreis.

Hat denn die autoritäre Führung Interesse an Veränderung?

Schennach: Aliyev ist es nicht egal, wie die Welt über sein Land denkt. Ich sehe da einiges in Bewegung. Nicht wenige namhafte Häftlinge wurden zuletzt freigelassen - durch die Justiz und durch präsidiale Amnestie. Ich glaube, dass wir mehr erreichen, wenn wir auf Aserbaidschan zugehen und es nicht nur verteufeln. Dann igelt sich das Land noch mehr ein. Manchmal erreicht man mit Dialog mehr als mit Sanktionen. Die Regierung muss aber liefern, und die Reformliste ist lang: Wahlgesetz, Strafrecht, NGO-Gesetz, Unabhängigkeit der Justiz. Man kann nämlich auch außerhalb des Gefängnisses wie in Haft sein.

Frage: Nimmt Präsident Aliyev den Westen als Partner ernst?

Schennach: Er weiß, dass wir bleiben, wenn die Formel 1 weiterzieht. Ich habe mit ihm zwei Stunden über politische Häftlinge verhandelt. Letztendlich hat er eine Namensliste von Amnesty International akzeptiert. Natürlich könnte der Europarat Aserbaidschan das Stimmrecht entziehen, wie es manche fordern. Bleibt doch die Frage, wie wir dann mit Aliyev und Aserbaidschan diskutieren sollen. Ich bin ein Gegner dieser Idee, ich setze auf Dialog - und der läuft gut derzeit. Nicht zu vergessen, dass wir Aserbaidschan und Armenien zur Bewältigung des Berg-Karabach-Konflikts benötigen.

Zu Stefan Schennach: Er wurde am 31. August 1956 in Biberwier (Tirol) geboren. 2010 wechselte der langjährige Publizist von den Grünen zur sozialdemokratischen SPÖ. Seit 2011 unternimmt er Wahlbeobachtungsmissionen des Europarats im Südkaukasus.

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