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Exklusiv: MOTOR-TALK auf der Tokyo Motor Show

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Nach der fast abgesagten Tokyo Motor Show 2009 konnte es fast nur noch bergauf gehen – trotz der nächsten schweren Krise in Japan. Wir haben uns für Euch auf der Tokyo Motor Show 2011 umgesehen.

Eine Mischung aus Dunst und Smog liegt über der 9 Millionenstadt Tokio. Die Sonne verwandelt alles in eine fast Mystische Kulisse aus High Tech und Tradition. Zwischen Hochhäusern kauern Shinto Schreine. Leuchtreklamen stechen nur noch heraus, wenn sie mindestens 10 Stockwerke vorzuweisen haben, man verbeugt sich voreinander und Gaijins (Ausländer), wie ich, sind hier nur selten zu sehen.

Daran ändert auch der Autotempel nichts, der in diesen Tagen seine Tore in der Stadt öffnet. Die 42. Tokyo Motor Show lädt das erste Mal auf ein neues Messegelände namens „Tokyo Big Sight“ ein, mitten in der Stadt.

Tokyo Big Sight Tokyo Big Sight Und zu sehen gibt es in der Tat einiges: So wie Japan eine einzigartige Mischung aus Neuem und Altem ist, so findet man auf der Tokyo Motor Show traditionell die Zukunftsvisionen der Automobilbranche.

Concept Cars, die etwas auf sich halten und ihrer Zeit wirklich voraus sein wollen, „müssen“ hier vorgestellt werden. Auch oder gerade in diesem Jahr. Denn auch wenn man in Tokio als Europäer oberflächlich nichts von der gerade erst acht Monate zurückliegenden Erdbeben-Katastrophe wahrnimmt, hat es Japan doch hart getroffen und die heimische Automobilindustrie versucht, neuen Selbstwert zu finden und gemeinsam nach dem Straucheln wieder aufzustehen.

„Der Japaner ist verschlossen und zeigt seine Emotionen nicht!“, so oder ähnlich liest man es in den Reiseführern. Genau so stereotyp werden japanische Autos oft in Europa wahrgenommen. Hässlich, etwas schrullig, meist billig und nur selten auf einem Niveau mit den so genannten Premium-Marken. Und trotzdem ist Japan, wie Deutschland, eine echte Automobilnation. Die will sich mit diesem „same same but different“ Bild (alles gleich, aber irgendwie anders) einfach nicht zufrieden geben.

Und das tut sie auch nicht! Hier wird das aktuelle Grundproblem aller Automobilbauer deutlich. Sie sollen nachhaltige Zukunftsvisionen zeigen, verantwortlich und umweltfreundlich sein, aber auch begeistern und Emotionen wecken. Was sich die japanischen Autobauer trauen, wie die deutschen Automarken sich die Zukunft vorstellen und ob jemandem der Spagat zwischen Öko und Fun gelingt, habe ich mir auf der Tokyo Motor Show angeschaut.

Emotion oder Vernunft? Japan will beides

Honda Micro Commuter Concept Honda Micro Commuter Concept Eins zeigt die Tokyo Motor Show 2011 deutlich: Die ortsansässigen Hersteller trauen sich wieder was. Die japanischen Autobauer wollen nicht auf Konzepte wie Nissans PIVO3 oder den Micro Commuter von Honda verzichten, die versuchen, den Individualverkehr der Zukunft mit Kleinstkonzepten abzubilden.

Aber es wird auch in traditionellen Segmenten geklotzt. Toyota versucht, mit dem GT 86 an die Celica anzuknüpfen und will endlich wieder ein Auto mit ordentlich Emotion auf die Straße stellen. Mazda verfeinert mit dem Takeri sein neues Designgesicht, und Nissan zeigt mit dem Esflow, wie rabiate Elektro-PS aussehen könnten.

Nissan: Pivo der Dritte

Pivo ist polnisch und heißt „Bier“. An zu viel Genuss ebendessen kann man durchaus denken, wenn man der neuen Kleinwagenstudie Nissan PIVO3 beim Wenden zuschaut: Mit seiner schmalen Spur und gegenlenkenden Hinterrädern kann das Fahrzeug fast auf der Stelle drehen.

MT-Tom, Nissan Pivo3 MT-Tom, Nissan Pivo3 Der PIVO3 stellt die 3. Generation des Pivo Konzeptes dar. PIVO ist natürlich nicht von Gerstensaft, sondern von „pivot“ abgeleitet, was „drehen“ bedeutet und in den ersten beiden Generationen durch die 360 Grad drehbare Fahrerkabine untermalt wurde.

Der PIVO3 will ernster sein und rückt, sowohl beim Design als auch beim Bewegungskonzept, näher in Richtung Serie. Trotzdem wird der PIVO so nie gebaut werden, sagt Shiro Nakamura, Vizepräsident bei Nissan und verantwortlich für die Studie.

Der PIVO3 stellt Nissans Interpretation für eine Mobilität der Zukunft dar. Auf den ultrakompakten 2,8 m Fahrzeuglänge werden drei Personen bewegt. Durch den Minimalen Wendekreis von 4 Metern soll das Rückwärtsfahren nahezu überflüssig werden, und der Elektroantrieb ermöglicht emissionsfreie Mobilität in Ballungsräumen.

Dazu sind neue Konzepte auch dringend erforderlich, unter anderem zählt dazu die „InWheelMotor“ Technologie. Jedes Rad wird von einem eigenen Motor angetrieben, der sich Einheit mit dem Rad darstellt. Separat lenkbare Räder sind an sich nichts Neues, aber die extremen Lenkwinkel, die den PIVO3 seine Pirouetten drehen lassen, sind eben erst mit der Verschmelzung von Rad und Motor möglich.

Unter Design-Gesichtspunkten hat der PIVO sich sichtlich entwickelt und kommt deutlich weniger „knuddelig“ daher. Ob die Progression von Kawaii („niedlich“) zu Kabuki („cool“) gelungen ist, muss aber jeder selbst entscheiden. Auf jeden Fall zeigt das Fahrzeug, dass Mobilität in großen Ballungsräumen in der Zukunft viele Gesichter haben kann und Nissan eine sehr konkrete Vorstellung davon hat.

Nismo: Motorsportgene für die Serie

Nissan Juke Nismo Nissan Juke Nismo Aber auch Nissan unterliegt dem oben beschriebenen Konflikt, und deshalb hat man auch eine gute Nachricht für die Freunde leistungsstarker Verbrenner. Nissan will künftig seine Motorsportabteilung Nissan Motorsports International (NISMO) auch auf die Serienproduktion ansetzen. Die Tochterfirma besteht seit 1984, hat sich bisher aber nur mit Einzelstücken wie dem elektrischen Leaf Nismo RC, Kleinstserien und eben dem Motorsport beschäftigt. Das Kürzel Nismo soll künftig nun auch die sportlichen Serienmodelle der Marke schmücken. Als ersten Ausblick zeigt Nissan in Tokio den Juke Nismo Concept. Ein aerodynamisch optimiertes Bodykit, Tieferlegung, eine Schippe mehr Leistung aus dem 1,6 Liter-Turbobenziner und ein paar optische Schmankerl im Innenraum zeichnen den Sport-Juke aus.

 

Toyota GT 86 Toyota GT 86 Toyota: Zwischen Sportsauger und Elektrozwerg

Der Toyota GT 86 wird auf MOTOR-TALK schon heiß diskutiert. Kein Wunder, das Konzept des schick geschnittenen, kompakten Sportwagens mit hochdrehendem Sauger-Boxer und Heckantrieb wirkt in Zeiten hochaufgeladener Downsizing-Motoren wie aus einer anderen Welt.

Daneben zeigt Toyota als Pionier der Hybrid-Technik auch die Studie eines offenen Zweisitzers mit Hybridantrieb: Der GR MN Hybrid Concept soll entfernt an den guten, alten MR2 erinnern. Toyota zufolge soll das schnittige Gerät, angetrieben von einem 250 PS starken 3,5-Liter-V6 und einem 50 PS-Elektromotor, erst mal nur Meinungen provozieren. An eine Serienproduktion sei derzeit nicht gedacht.

Toyota GR MN Toyota GR MN Aber Toyota wäre nicht Toyota, wenn es nur mehr oder weniger unvernünftige Sportwagen zu sehen gäbe. Die Hybrid-Version des Yaris hört auf den Namen Aqua und soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Im japanischen Testzyklus verbraucht das Fahrzeug gerade mal 2,86 Liter auf 100 Kilometer.

Auch zwei ganz benzinlose Studien zeigt Toyota in Tokio, und gibt damit einen Ausblick auf eine künftige Abkehr vom Hybridkonzept. Für die Stadt gedacht ist der FT-EV III. Dabei handelt es sich um eine viersitzige Elektro-Version des Toyota IQ. Extremer Leichtbau und nur gut 3 m Länge, sowie eine Reichweite von rund 100 km: Das Auto soll schon ab kommendem Jahr käuflich zu haben sein.

Noch etwas länger warten muss man auf die Serienversion des FCV-R. Die Limousine mit Brennstoffzelle zeigt, dass man bei Toyota in Zukunft nicht mehr einseitig auf Hybrid setzen wird. 2015 soll der geräumige Viersitzer marktreif sein. Bei Brennstoffzellenautos meist kein Problem ist die Reichweite: Toyota wirbt hier mit 700 km.

 

Mazda Takeri Mazda Takeri Mazda: skyactiv statt Strom

Bei Mazda will man von elektrifizierten Antrieben vorerst nichts wissen. Erst spät stellten die Japaner in diesem Jahr ihren Umwelttechnologie-Ansatz vor, der auf den Namen skyactiv hört und sich ganzheitlich mit der Optimierung traditioneller Antriebskonzepte beschäftigt. Man wolle sich auf Technologien konzentrieren, die kurzfristig helfen, den Verbrauch zu minimieren, begründet man bei Mazda diesen Schritt.

Daneben dürfen Mazda-Designer endlich wirklich schöne Autos zeichnen. Das zeigt sich am neuen Mazda SUV CX-5, vor allem aber an der Studie „Takeri“, die einen unmittelbaren Vorgriff auf den nächsten Mazda6 darstellt.

Mitsubishi Microcab Miev Mitsubishi Microcab Miev Elektrifizierte Kei-Cars

Eine Besonderheit des japanischen Automarkts sind die „Kei Cars“, die in Japan ein Drittel des Marktes ausmachen: Sie dürfen höchstens 3,39 Meter lang und 1,475 Meter breit sein, der Motor darf höchstens 660 Kubik haben. Sie sind steuerlich begünstigt, und der Käufer muss keinen Parkplatz nachweisen. Und sie bieten sich natürlich auch für die Elektrifizierung an: Der Mitsubishi Minicab, ein Kleintransporter, der die speziellen „Kei Car“ Anforderungen erfüllt, ist künftig auch als Elektrofahrzeug zu haben. Mit zwei Batterieversionen angeboten, soll er 100 oder 150 km weit kommen. Ob er es nach Europa schafft, steht derzeit noch nicht fest.

Die Deutschen: Im Osten nichts Neues?

Die deutschen Hersteller sind zwar mit Neuem vertreten, wie Audi mit dem 5 türigen A1 oder BMW mit dem 5er Hybrid, aber wirkliche Weltpremieren finden sich nicht. Mercedes zeigt mit dem F125 bzw. Concept-A bereits Bekanntes.

Der F125 wurde ja erst kürzlich von Dieter Zetsche als rollendes Technologieregal geadelt: Aus diesem Ideenpool sollen sich in den nächsten Jahren die Konstrukteure für die Serienmodelle bedienen. Leichtbaukarosse? Wird es im nächsten SL geben. Wasserstoff-Hybrid: Warum nicht in der neuen S-Klasse?

VW stellt das Cross Coupé vor VW stellt das Cross Coupé vor VW Cross Coupé: Crossover im VW-Stil

Volkswagen sticht aus dem Feuerwerk des schon Vorgestellten angenehm heraus und stellt den Gelände-angepassten Passat Alltrack und die Studie VW Cross Coupé vor. Gerade das Cross Coupé zeigt, wohin es mit dem neuen Grill geht und wie mögliche Mischungen von Segmenten aussehen könnten, die nicht nur ein neues Design, sondern auch neue Antriebskonzepte mit sich bringen können: Eine Mischung aus Coupé und SUV, geländegängig, sportlich und etwas beengt. Dazu gibt es gleich drei Motoren, einen TSI mit 150 PS und zwei Elektromotoren, je einer auf jeder Achse. Damit ist Frontantrieb per Hybrid, Allrad per Hybrid oder auch rein elektrischer Heckantrieb machbar.

Japaner studiert neue B-Klasse Japaner studiert neue B-Klasse Auch wenn die deutschen Autobauer in Japan eher eine untergeordnete Rolle spielen, hat insbesondere Volkswagen diese Bühne der Visionen gut für sich zu nutzen verstanden. Das Cross Coupé weist hier die Richtung, und die sieht gut aus.

Die japanischen Autobauer dagegen suchen mit Vehemenz den Weg aus der Krise, die nicht nur mit Fukushima zu tun hat: Sie trauen sich endlich wieder etwas, sie versuchen die Lethargie der letzten Jahre abzuschütteln und sowohl mit Mobilitätskonzepten als auch Emotionsträgern zu begeistern.

(tk)

 

Quelle: MOTOR-TALK

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