Heute vor 60 Jahren starb James Dean in einem Porsche 550 Spyder. Sein Tod wurde zum Mythos. Wir fuhren das Auto, das zur Legende wurde.
Berlin – Der Motor sprotzelt, die Hände zittern. Mein Herzschlag beschleunigt im Takt der Legende unter meinem Hintern. Die Legende, das ist ein Porsche 550 Spyder, ein Auto, das mit dem Tod von James Dean zum Mythos wurde. Gemeinsam mit ihm jage ich die alte Solitude-Rennstrecke mit 80 km/h hoch. Dass meine Hände zittern, liegt am vibrierenden Volant und an meinem Stresslevel. Das Sprotzeln ist typisch für den 1,5-Liter-Vierzylinder-Boxer im Porsche. Er verschluckt sich unter 4.000 Touren, nimmt schlecht Gas an. „Du musst höher drehen, untenrum passiert sonst nichts“, sagt Benjamin Marjacan vom Porsche-Museum. Ein Rat wie ein Befehl. Also lässt mein Fuß den Vierzylinder drehen, über 5.000 Touren. Jetzt rattert das Aggregat runder, sahniger, kraftvoller. Bamm, knallt es aus der Vier-in-eins-Anlage. Nicht nur beim Schalten. Dauernd. Der Lärm strapaziert das Trommelfell, Wahnsinn und Wonne liegen hier dicht beieinander. Ab 60 km/h wird es richtig lautDie Temperatur steigt im Motor- und Innenraum. Die schmale Frontscheibe hilft wenig gegen den Fahrtwind. Ohne Schutzbrille ziehen sich die Augen zu Schlitzen zusammen. Ab 60 km/h wird Reden zur Last. Mein Beifahrer nickt oder gibt Handzeichen. Ich soll schneller fahren. Wie hübsch. Es geht über eine Landstraße. Die Bahn ist frei. Der erste Gang liegt oben links, sofort daneben der zweite, der dritte befindet sich unten links. Ich schalte vorsichtig. Ich will ein Kratzen und ein Verschalten vermeiden - und vor allem will ich nicht in den Rückwärtsgang schalten. Denn eine Sperre fehlt. Beim Gangwechsel gebe ich viel Zwischengas. Nach ein paar Kilometern klappt das gut. Das ist auch besser so. Denn der Porsche 550 A Spyder in dem wir sitzen, das Nachfolgemodell von James Deans Porsche, kostet heute rund drei Millionen Euro. Der Spyder war als Rennwagen konzipiert, nicht als Angeber-Kutsche. Möglichst nackt und möglichst leicht. Der Tacho klettert über die 120-km/h-Marke, der Lärm wird unerträglich. Ich spüre jede Bodenwelle, jeden Kieselstein. Ungefiltert. Das Fahrwerk mit der Pendelachse und Drehstab hinten sowie die zwei durchgehenden Blattfederstäbe vorn halten kaum Stöße ab. Auch der Serviettenbezug der Sitze bietet keinen Komfort. Und trotzdem fühle ich mich wie auf Wolken, frei, erhaben, stark. Wer sollte mich jetzt aufhalten? "Er sieht mich doch. Er muss stoppen"So muss sich James Byron Dean gefühlt haben, als er am 30. September 1955 mit seinem Mechaniker Rolf Wütherich in Kalifornien unterwegs war. Die Sonne stand tief. Das Auto schnurrte, die beiden Männer darin waren gut gelaunt. Sie wollen am nächsten Tag bei einem Rennen starten. Sie rasen mit rund 140 km/h die Route 41 runter. „Er sieht mich doch. Er muss stoppen.“ Das sollen Deans letzte Worte gewesen sein. Der Fahrer des schwarzen Ford Coupé sah sie, aber zu spät. Viel zu spät. Dean krachte mit voller Wucht in das Fahrzeug, das ihm von links von der Route 466 die Vorfahrt nahm. Der Spyder wurde zusammengedrückt und die Aluminiumkarosserie auf der Fahrseite weggerissen. Wütherich schleuderte 30 Meter aus dem Porsche, überlebte schwer verletzt. Dean klemmte im Auto fest, sein Genick brach. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Niemand war coolerDie ganze Welt trauerte: Kein anderer Schauspieler dieser Zeit konnte Wut und Gefühle einer ganzen Generation so gut verkörpern wie James Dean. Angst, Trauer, Liebe, Unverständnis. Kein anderer Schauspieler war cooler und zugleich sensibler als Dean. Mit Sonnenbrille, Zigarette im Mundwinkel und verwaschener Jeans wurde er zum ersten Pop-Star und Posterheld der Neuzeit. Dean war damals 24 Jahre alt und durch den Film „Jenseits von Eden“ bereits berühmt. Der Film „..denn sie wissen nicht, was sie tun“, kam wenig später in die Kinos. Er hatte gerade den Film „Giganten“ abgedreht und wollte Autorennen fahren. Natürlich nicht mit irgendeinem Auto, sondern mit einem, das zu seinem Image passte: Besitzer von deutschen Autos galten als aufmüpfig, unangepasst, als Rebellen. Zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren deutsche Fahrzeuge in den Staaten unbeliebt. US-Fahrzeuge fielen durch ihre ausladende Karosserieform und die dicken V8-Motoren auf. Porsche besetzte auf den Rennstrecken die Rolle des Herausforderers. Der scheue Schauspieler liebte seit seiner Jugend schnelle Motorräder und schnelle Autos. Vor seiner Karriere beim Film träumte er davon, Grand-Prix-Pilot zu werden. Doch erst nach dem lukrativen Vertrag mit den Filmstudios Warner Brothers konnte er sich seinen Jugendtraum erfüllen. Dean sollte den Spyder schonend einfahrenZuerst fuhr er einen Porsche 356 1500 Super Speedster, nahm 30 Tage nach dem Kauf an einem Rennen teil. Doch der 1500er Speedster wurde ihm zu langsam. Er gab sein altes Auto in Zahlung und legte 3.000 Dollar drauf. Sein Porsche-Rennmechaniker Rolf Wütherich empfahl, vor dem ersten Rennen den 550 Spyder schonend einzufahren – deshalb fuhr er auf eigener Achse zum Rennen. So makaber es klingt: Der Tod von James Dean macht ihn unsterblich, zu einem Mythos. Ebenso den Porsche 550 Spyder.
Der 550er hatte mit dem ersten richtigen Porsche, dem 356er wenig gemein. Er war ein offener Rennwagen mit Straßenzulassung statt eines, nun ja, frisierten Käfers. Unter der leichten Alu-Karosserie verbarg sich ein aus Rohren geschweißter Flachrahmen (Gitterrohr gab es erst ab dem 550 A Spyder ab 1956). Der 1,5-Liter-Vierzylinder-Boxer mit Königswelle und zwei oben liegenden Nockenwellen leistet anfangs 110 PS bei 7.800 Touren. Am Ende seiner Laufzeit kitzelte Porsche aus zwei Litern Hubraum bis zu 190 PS. Damit dominierte der nach seinem Konstrukteur Ernst Fuhrmann genannte „Fuhrmann-Motor“ mit der Typnummer 547 bis in die 1960er-Jahre Rennsport-Veranstaltungen. Der Motor war allerdings kompliziert einzustellen, sodass James Dean den Porsche-Rennmechaniker Wütherich zu Rennen mitnahm. 90 Zentimeter hoch, 3,70 Meter langZum Rennmotor kam die windschnittige Karosserie und das niedrige Gewicht von 550 Kilogramm hinzu, daher auch die Typenbezeichnung. Der flache Spyder sieht bei näherer Betrachtung eher wie großes Tretauto aus und nicht wie ein kleiner Bastard. Das Auto geht mir bis zur Hüfte, ist nur 90 Zentimeter hoch, und nur 3,70 Meter lang. Bis zu 220 km/h fuhr der flache Roadster schnell. Mit gefülltem 90-Liter-Tank lag die Gewichtsverteilung 48:52 Vorder- zu Hinterachse – ideal für einen Rennwagen. Dafür kostete der Spyder mit 24.000 Mark doppelt so viel wie ein Standard-Porsche – und sechsmal so viel wie ein VW Käfer. Kein Wunder also, dass vom 550 Spyder insgesamt nur 82 Stück entstanden, vom dezent weiterentwickelten Nachfolger 550 A Spyder (1956-1957), der sich nur in Details unterscheidet, nur 40 Fahrzeuge. Im Vergleich zum Dean-Spyder setzt der 550 A auf einen Gitterrohrrahmen statt auf einen Leiterrahmen. In der Front klafft ein großer Schlitz für die Kühlluft des Boxers. Die Gitter auf der Motorhaube hinten sind breiter. Auch der Motor legte mit 135 PS zu. Porsche fahren galt schon vor dem Unfall als herausfordernd und gefährlich. Danach verstärkte sich die Legendenbildung. Eine ähnliche mythische Rolle nahm zwei Jahrzehnte später ebenfalls ein amerikanischen Schauspieler ein: Steve McQueen, the king of cool, drehte 1971 den Rennfilm „Le Mans“. Hauptdarsteller: ein Gulf-Porsche 917 KH. |