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Classic Driving News

Fahrender Strandkorb oder Stadtflitzer

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Austin Mini und Citroën 2 CV galten nie als Konkurrenten. Dazu hatten sie zu unterschiedliche Charaktere. Dabei lag ihnen dieselbe Idee zugrunde - ein Auto, auf das Wesentlichste reduziert.

Vielleicht kann man sie beide mögen. Auch wenn das ähnlich schwierig sein dürfte, wie sich für Britpop und französische Chansons gleichermaßen zu begeistern. Beide, Austin Mini wie Citroën 2 CV, sollten kleine und einfache Massenautos werden. Doch unterschiedlicher hätten Mini und Ente dieses Ziel kaum erreichen können.

Der Citroen 2 CV beherrscht Luft und Wasser

Der Citroën 2 CV geht auf den T. P. V. - Toute petite Voiture - von 1939 zurück. Der Ur-Döschewo von 1948 leistet zwar nur neun PS, doch schmückt ihn schon sein wichtigstes Detail: das große Rolldach. Mit ihm beherrscht der 2 CV wie eine echte Ente Luft und Wasser, kann das eine Element zur Erfrischung der Insassen nutzen und sie vor der Nässe des anderen schützen. Dem Rolldach verdankt die Cabrio-Limousine ihren größten Ruhm. Vier Passagiere heißt die Ente freundlich willkommen. Jeder hat sein eigenes kleines Türchen. Alle vier Luken patschen von selbst mit der Wucht eines zu Boden trudelnden Blattes ins Schloss.

Zärtliches Rütteln

Sehr zärtlich rüttelt der Anlasser den Zweizylinder-Boxermotor wach. Endlich gautscht die Ente sanft wiegend auf ihren schmalen 15-Zoll-Rädern über die Straßen. Oft nennt man den Citroën 2 CV einen rollenden Regenschirm, dabei ist er viel eher ein fahrender Strandkorb. Oder eben zwei, hintereinander auf einem besonders weich gefederten Rahmen verschraubt. Solch eine Konstruktion lässt kaum auf übermäßige Kurvenbegabung hoffen. In Biegungen zeigt sich die Ente denn auch als widerspenstiges Federvieh. Sie wehrt sich gegen jede Richtungsänderung nach Kräften untersteuernd.

Austin Mini: Rauchig, sonor, extrovertiert

Der Austin Mini 850 HL reicht dem Citroën gerademal ein Stückchen über die Taille. Der Austin-Vierzylinder hockt quer im Motorraum und direkt auf dem Getriebe. Zwar nur sechs PS stärker als der 2 CV-Zweizylinder, klingt der 850er rauchig, sonor, extrovertiert. Und sorgt damit für ein völlig anderes Fahrerlebnis. Der Mini braucht einen engagierten Piloten. Für die Erfordernisse Großbritanniens ist sein Fahrwerk perfekt abgestimmt. Dort besteht das Straßennetz - zumal in den Städten - ja fast ausschließlich aus Kreisverkehren.

Um Roundabouts pfeift der Kleine, garstig einlenkend, so schnell und sicher, als sei er auf einem Karussell festgeschraubt. Bei solcher Begabung: Was soll man dem Austin Mini 850 HL da die schwergängige Lenkung, die hakelige Schaltung und den konsequenten Verzicht auf jeden Federungskomfort vorhalten. Das wäre undankbar. In den 90ern rüscht Rover das Spar-Auto mit Holz und Leder zum Spaß-Accessoire auf. 2001 kommt der New Mini, ein aufwendiges, unpraktisches Premiumauto mit gleichem Namen, aber ganz anderem Charakter als der Mini.

Einige Jahre vor dem Retro-Hype endet die Karriere der Ente ohne Aussicht auf einen Nouvelle Deuxchevaux. Vielleicht ist das ein Grund, die Citroen 2 CV etwas mehr zu mögen als den Austin Mini. Weil sie ging, als sie noch sie selbst war.

 

Quelle: Motor Klassik

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