Am letzten Wochenende war auf dem Sachsenring ganz großes Kino angesagt. Neben den diversen ADAC Rennserien und der MINI Challenge war das absolute Highlight die FIA GT1 World Championship Serie. Auf Einladung von Nissan durfte MOTOR-TALK einen Zaungast hinschicken. Neben einem spannenden Rennen gab es interessante Einblicke in die Nissan GT1 Welt – Gänsehaut war garantiert! Kalter Wind und Regen sind ja eigentlich keine perfekten Voraussetzungen für einen tollen Rennsonntag. Dazu kam noch ein schöner Anreisestau auf der Zufahrt zum Sachsenring. Aber da die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt stirbt, kam die Entschädigung prompt: Kaum stand das (private) Auto auf dem sicheren Parkplatz, wurden die (Renn-) Motoren angelassen. Sicher hatte man nur darauf gewartet das ich endlich komme, oder? Ausgestattet mit modisch grüner Fotoweste stand mir die gesamte Strecke offen, also startete ich die Erkundungstour mit einer wichtigen Erkenntnis: Ganz schön bergig, dieser Sachsenring. Aufgrund der Länge von 3,67 km hatte ich genug Zeit, mir ein Paar Fakten zu der Rennserie aus dem Gedächtnis zu kramen, die auf dem Programm stand: Die FIA GT1 Weltmeisterschaft. GT1 – was ist das überhaupt? Gran Turismo (GT) bedeutet frei übersetzt "große Fahrt" und steht seit jeher für komfortable und gut motorisierte Sportwagen, die vor allem für Langstreckenrennen konzipiert sind. In der FIA GT1 Weltmeisterschaft, die 2010 die Nachfolge der 1997 eingeführten GT-Weltmeisterschaft antrat, fahren pro Hersteller jeweils zwei Teams mit jeweils zwei Fahrzeugen. Zugelassen sind ausschließlich Privatteams mit jeweils zwei Fahrern pro Rennwagen. Dabei darf nur ein Fahrer vom Automobilhersteller gestellt werden. Auf dem Sachsenring starteten 10 Teams mit jeweils 2 Autos und je Auto 2 Fahrern. Es treten also insgesamt 20 Fahrerteams an. Die Leistung der ausschließlich heckgetriebenen Fahrzeuge ist auf 600 PS begrenzt. An der Rennserie nehmen derzeit fünf Hersteller teil: Neben dem Aston Martin DB9, dem Ford GT und dem Lamborghini Murcielago sind Chevrolet mit der Corvette und Nissan mit dem GT-R in der Rennserie vertreten. Da eben dieser Rennstall geladen hatte, fand ich mich nach dem Warm Up zur kurzen Aufwärmung in der Nissan Box des Teams JR Motorsport wieder, um weitere Infos zur Rennserie und natürlich speziell zum Engagement von Nissan zu erhalten. Der Blick hinter die Kulissen Was mir in der Box zuerst auffiel war der doch recht knappe Platz. Verdammt, im Fernsehen sieht das alles immer so groß aus. Aber die mit 2 Boliden, vielen Mechanikern, Werkzeug, Computern und jeder Menge Michelin Einheitsreifen ausstaffierte Box erfordert schon ein gut funktionierendes Teamwork, damit sich die Leute nicht ständig über die Füße laufen. Auch viel mir hier deutlich auf, das wir uns in einer internationalen Rennserie und einem internationalen Team befanden – gesprochen wurde ausschließlich Englisch, und der Mix der Nationalitäten war im gesamten Fahrerlager sichtbar. Interview mit dem Nissan Fahrerteam Luhr/Krumm Nach dem kurzen Blick in die Box stand ein Interview mit den deutschen Fahrern Lucas Luhr und Michael Krumm vom JR Motorsport Team auf dem Programm. Das Team hatte das vorherige Rennen in Portimao an der Algarve mit dem Nissan GT-R gewonnen. Wieso eigentlich Team? Ganz einfach und spannend zugleich, jedes 60 minütige Rennen hat einen vorgeschriebenen Boxenstopp, der zwischen der 25. und 35. Minute stattfinden muss. Neben dem obligatorischen Reifenwechsel findet dort auch ein Fahrerwechsel statt. Mich interessierte natürlich vor allem die persönliche Meinung der beiden Fahrer zu diesem Reglement. Hier wurde der Teamgedanke als positiv angesehen, schließlich erhöht der Fahrerwechsel nochmals die Spannung und sorgt für ständig veränderte Zweikampfsituationen. Differenzierter sehen die beiden Nissan-Piloten die Zusatzgewichtregelung: Je nachdem, wie gut oder schlecht das vorherige Rennen abgeschlossen wurde, starten die Autos mit bis zu 150 KG Mehrgewicht an Bord. Das Mehrgewicht ist natürlich im Fahrbetrieb der perfekt ausbalancierten Sportwagen deutlich zu spüren. Dieses Handicap erhöht mit Sicherheit die Spannung für die Zuschauer, bei den Fahrern ist es aber eher unbeliebt. Immerhin werden gute Leistungen und Fahrleistungen dadurch de facto bestraft. Das Besondere an der FIA GT1 Serie ist aber, fanden die Fahrer, dass es eine echte WM ist. Die populäre DTM ist dagegen z.B. ein rein deutscher Wettbewerb. Weiterhin erfuhr ich von den Fahrern, dass die Rennversion des Nissan GT-R viele Parallelen zur Serienversion aufweist, da unter anderem die Gewichtsverteilung sehr ähnlich ist. In einem Test auf dem Fuji International Speedway konnte die Rennversion des GT-R trotzdem ca. 10 Sekunden schnellere Rundenzeiten als der durchaus nicht langsame und dazu noch allradgetriebene Nissan GT-R mit Straßenzulassung absolvieren. Nach dem interessanten Gespräch blieb kurz Zeit, ein paar Eindrücke des gesamten Rennzirkus zu gewinnen. Teilweise wurden an der Strecke, wie z.B. bei Aston Martin, interessante Kombinationen aus Trucks und Zelten aufgefahren um so die beengten Platzverhältnisse zu erweitern. Im Infield waren die anderen Rennserien, z.B. ADAC Masters und Mini Challenge, zugange. Es gab weniger Absperrungen, und die Teams waren deutlich kleiner. Es herrschte eine familiäre Atmosphäre, bei der aber dennoch die Anspannung überall zu spüren war, während die nächsten Rennen vorbereitet wurden. Dann war es endlich Zeit für das Highlight des Tages: das Weltmeisterschafts-Rennen der FIA GT1 Serie. Beim Grid Walk in der Startaufstellung stieg auch bei der letzten Schnarchnase die Spannung, neben heißen Grid Girls, oder auch etwas aufgeblasenen Grid Mans, waren die Mechaniker aller Teams mit ihren Autos beschäftigt. Faszinierend waren hier für mich vor allem die pneumatischen Hebevorrichtungen, ein Luftschlauch wird ans Auto gehängt, und schon heben sich die GT Sportwagen wie von Geisterhand über Stützen selbst in Luft. Warum gibt es sowas in meinem VW Passat nicht auch? Natürlich durften wir zum Start nicht einfach auf der Rennstrecke stehen bleiben, es war jedenfalls nach Ansicht der Verantwortlichen definitiv sicherer, das Rennen von außerhalb des Rennasphalts zu bestaunen. Dank Nissan hatte ich die Möglichkeit, das Rennen aus der Box zu bestaunen. Das war für mich eine Premiere und das absolute Highlight der Veranstaltung, so was kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen. Daher saugte ich alles um mich herum höchst interessiert auf: Da waren die Mechaniker, die gebannt auf den Bildschirm starrten, der geniale Klang der Boliden, der über die Boxenmauer hallte und die Emotionen der Teams aus den Nachbarboxen, die wenn ihre Fahrer von der Strecke abkamen lautstark die Schuldigen dafür dingfest machten. Auch die Boxenstopps konnte ich aus der Gasse gut beobachten. Bisher dachte ich immer, Rennwagen fahren langsam durch die Boxengasse, in echt sah das aber ganz anders aus. In einem absolutem Affenzahn bremst der Wagen punktgenau ab, die Reifen werden gewechselt, dazu sei erwähnt das in der GT1 nur ein Team zulässig ist das nacheinander die Reifen wechselt, und nur ca. 30 Sekunden später geht es mit neuem Fahrer am Steuer und durchdrehenden Rädern wieder auf die Strecke. Eine logistische Meisterleisung, der man die intensive Übung deutlich anmerkt. 60 Minuten vergehen wie im Flug Gewonnen hat nach einem spannenden Rennen das Aston Martin Team, das Nissan Team Luhr/ Krumm erreichte einen achtbaren 9. Platz, wohlgemerkt mit 45 KG Zusatzgewicht und einen verpatzten Startplatz, da im Qualifying, dank eines unachtsamen Mechanikers eines Fremdteams in der Boxengasse, wertvolle Zeit verloren ging. Vor 45.000 Zuschauern auf dem Sachsenring konnten sich alle 4 Nissan GT-R unter den Top Ten behaupten – und das, obwohl der Kurs dem Nissan nicht gerade auf den Leib geschneidert ist: Auf weniger engkurvigen Strecken kommt der GT-R deutlich besser zurecht. Abschließend sei gesagt: Vielen Dank an Nissan für diese tollen Einblicke in eine FIA Weltmeisterschaftsserie und das persönliche Gespräch mit den Fahrern. Die GT1 Serie wird auf jeden Fall ein fester Bestandteil in meinem (TV) Kalender werden – allein schon um die grandiose Klangkulisse und die heißen Zweikämpfe zu genießen. (Von Martin Menzel)
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 18.05.2011
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