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Classic Driving News

Fiat Panda 4x4. Der kleine Wald-Erdbär

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Es rappelt in der Allradkiste. Das klappt schon deswegen gut, weil sie natürlich zuerst mal ein Fiat Panda ist. Und wie in allen Panda bietet auch im 4 x 4 das dünne Blech, rechtwinklig zu einer Box gefalzt, dem kleinen Fire-Motor einen gewaltigen Resonanzraum. Den wird auch gleich noch der Allrad-Antriebsstrang mit großer Begeisterung mitbeschallen.

Dazu die Kupplung treten und den Krückstockhebel zwischen den Vordersitzen energisch nach oben reißen. Dann ruckt die Allradkiste empört einen Satz nach vorn, als habe ihr jemand in den Hintern gekniffen.

4WD als elitäres Oberklasse-Extra

Die Allradkiste demokratisiert das Prinzip des Vierradantriebs. Beim Debüt im Frühjahr 1983 liegt der Kistenpreis des Fiat Panda 4 x 4 bei 13 990 Mark. Damit ist er das erste 4WD-Auto, das sich fast jeder Neuwagenkäufer leisten könnte. Für ähnliche Summen gibt es bis dahin als Vierradler nur Lada Niva und Suzuki SJ 410, die man sich aber beide nicht unbedingt als Erstwagen antun möchte. So löst der Panda das Versprechen vom Allrad für alle ein. Es stammt von einem ernsten Mann, der es später einmal für wichtig erachten wird, vor Gericht zu klären, ob er grelle Krawatten mit Jagdmotiven trage.

Beim Debüt des Audi Quattro prophezeit Ferdinand Piëch, die Allradtechnik werde bald nicht viel mehr als ein Satz guter Winterreifen kosten. Mit großem Bumsfallera präsentiert, steht der Quattro 1980 sehr wichtig auf dem Genfer Salon und löst einen Allrad-Boom aus.

Mit nur zwei angetriebenen Rädern unterwegs zu sein, scheint nun unerträglich. So stürzen sich fast alle Hersteller in die Entwicklung von Allradsystemen. Weil sich die Ingenieure gegenseitig übertrumpfen wollen, werden die 4 x 4-Konzepte extrem aufwändig. Und damit so teuer, dass man für den Aufpreis ein Autoleben lang gute Winterreifen kaufen könnte. Somit bleibt 4WD erst mal ein elitäres Oberklasse-Extra.

Aber in der Oberklasse hat Fiat nichts zu bieten. Statt weiter in den veralteten Argenta oder den 131 Mirafiori zu investieren, könnten die Turiner ihr Geld auch gleich verbrennen. Also entscheiden sie sich, ihr damals jüngstes Modell zu allradisieren - den 1980 in Genf präsentierten Panda. Dazu holen sie sich die Hilfe der 4 x 4-Spezialisten von Steyr Daimler Puch.

Zusammenarbeit von Fiat und Steyr Puch

Die Österreicher sollen sich ein einfaches, preiswertes und leichtes Allrad-Layout für den Panda ausdenken. Das ist mal eine schöne Aufgabe für die Puch-Burschen, die ja sonst komplizierte, teure und schwergewichtige Vierradantriebe für Fahrzeuge wie Haflinger oder G-Modell entwerfen. Geländewagen, die im Wald oder auf Bergen aufwachsen und nur ein paar Mal im Leben herunter in die Stadt kommen. Der kleine Allrad-Bär soll nur ab und zu durch leichtes Gelände steppen oder mal auf Schnee tapfer vorankommen.

Seine natürliche Umgebung bleibt aber die Straße, auf der er den Alltag mit Vorderradantrieb bewältigen kann. Für diese Ansprüche genügt ein zuschaltbarer Allradantrieb mit starrem Durchtrieb zur Hinterachse ohne Zentraldifferenzial. Ein sehr kurz übersetzter erster Gang spart die Geländeuntersetzung. Weil es auf trockener Straße zu starken Verspannungen im Antriebsstrang kommt, darf der 4WD-Modus nur auf rutschigem Untergrund aktiviert werden.

Dieses pragmatisch-minimalistische Antriebslayout passt zum Panda, dem Kleinwagen, der jedem Luxus entsagt. Bei den frühen Panda gipfelt die Ausstattung in einem verschiebbaren Aschenbecher. Welch leichtfertige Extravaganz in solch einem kleinen Auto! Oh, wie Sie uns verwöhnen, Herr Agnelli! Die 4 x 4-Modelle zieren zudem ein Heckwischer, eine Mittelkonsole und ein stolzer Schriftzug, der auf die Zusammenarbeit zwischen Fiat und Steyr Puch hinweist.

Auch unser Foto-4 x 4, ein später Trekking, mit dem wir uns jetzt zum Wald aufmachen, zeigt geradezu anrührende Bescheidenheit. Notdürftig verdeckt er mit ein bisschen Stoff die nackten Türbleche. Eine Uhr, zwei Außenspiegel und drei Ablagefächer, da war's an Chichi.

Bremsen verzögern zuverlässig

Alles, was der Panda sonst am Leib trägt, braucht er wirklich, sonst wäre er gleich kein Auto mehr. Das passt nicht so recht in die 80er Jahre, einem Jahrzehnt, in dem ein Auto diese Bezeichnung eigentlich nur verdient, wenn es turbogeladen, vierradgelenkt und vierventilig daherkommt. Weil der Panda damals so verspottet wird, macht Fiat "die tolle Kiste" durch die selbstironische Werbekampagne zum Antihelden. Die Italiener geben sich alle Mühe, ihn nicht zu sehr modellzupflegen, damit sein Purismus ja nicht leidet. 1991 bekommt die Allradkiste einen neuen Motor, das 1,1-Liter-Fire-Triebwerk löst den 965 cm³ großen 48- PS-Vierzylinder aus dem Lancia A 112 E ab.

Die 50 PS der Fully Integrated Robotized Engine genügen dem Fiat vollauf. Als er 1995 weitere fünf PS dazubekommt, weigert er sich einfach, deshalb auch nur einen Kilometer pro Stunde schneller zu fahren als zuvor. Wenn es aber seine 55 PS zusammen hat, motorisiert das Fire-Maschinchen den 800 Kilo leichten 4 x 4 energisch.

Im kurzen ersten Gang raspeln die Vorderräder kurz haltlos über den Asphalt, bis man sich daran erinnert, dass der Zweite der echte Erste ist und man deshalb immer eine Stufe höher fahren muss als normal. Wobei jeder Gangwechsel dem knarzigen Getriebe fingerfertig abgerungen werden muss. Wenn der kleine Motor kräftig drehen darf, geht es ordentlich voran. Auf der Landstraße, auf dem Weg zum Wald, wagt man gar, von Überholmanövern zu träumen. Bis sich ab Tempo 100 der Fahrtwind heftig an der Allradkiste verkantet.

Von da an erhöht sich fast nur noch das beachtliche Geräuschniveau, kaum mehr die Geschwindigkeit. Von größeren Reisen muss das nicht abhalten. Wenn es einem nur wichtig genug ist, erreicht man mit der Allradkiste irgendwann jedes Ziel. Dabei verwöhnt sie nicht mit mildem Federungskomfort, da sind schon die hinteren Blattfedern dagegen, zeigt aber ein friedfertiges Fahrverhalten: Deutlich untersteuernd schlenkert die Kiste um Kurven, reagiert auf Lastwechsel mit subtilem Übersteuern. Das lässt sich alles leicht wieder ordnen, obwohl die Lenkung weder mit Präzision noch mit Leichtgängigkeit dienen kann. Aber es reicht aus, wie alles am Panda ausreicht.

Auch die Bremsen: Sie verzögern nicht bissig, aber zuverlässig, wobei es schwer fallen dürfte, an ein solch langsames und leichtes Auto wie die Allradkiste eine zu schwache Bremsanlage zu schrauben. Einzig die froschige Sitzhaltung stört wirklich, vom flachen Lenkrad und den hoch eingebauten, weichen Uno-Sitzen erzwungen.

Panda mit geringer Bodenfreiheit

Wie jeder Panda raumwundert die Allradkiste dafür auf 5,2 Quadratmeter Grundfläche: Plane Scheiben und Kistenform machen das Auto extrem rundumsichtig und maximieren den Raum. Er genügt für vier Erwachsene und ein bisschen Gepäck. Oder für zwei und eine kleine Kühlschrankfamilie. Die Allradkiste wird schnell das bevorzugte Transportmittel von Schweizer Berg-Postboten und Tiroler Milchbauern, also mag sie gern mal wieder ins Gelände. Jetzt steht sie am Waldrand, bockt kurz, als die Hinterräder zugeschaltet werden und rappelt aufgeregt. Den vermatschten Weg bergauf bedeckt nasses Laub. Die vier M+S-Reifen härteten über die vielen Jahre, die der 4 x 4 in älterer Damenhand verbrachte, sorgsam aus. Niemand würde der Allradkiste also einen Vorwurf machen, wenn ihr das zu viel wäre. Aber dann demonstriert sie die ganze Macht des Antriebs: Im ersten Gang graben sich die Räder kurz in den Boden, schleudern Matsch gegen die Schmutzlappen. Dann hüpft der 4 x 4 voran, klettert den schmierigen Hügel hinauf. Aber sachte!

Wegen der geringen Bodenfreiheit, nur fünf Zentimeter mehr als beim 2WD, schrappt die Allradkiste oft nur knapp an Aufsetzern vorbei. Ab und zu dreht mal ein Rad durch. Doch ungerührt und mit gewaltiger Traktion wühlt sich die Allradkiste bergauf, erklimmt langsam das Plateau auf dem Bergkamm. Oben fiebert der Motor, also fächelt ihm der Ventilator kurz frische Waldluft zu. Wie stolz das aussieht: der Panda oben auf dem Berg. Gleich wird er ebenso talentiert wieder runtersteigen. Und das ist das Geheimnis des Panda 4 x 4: Er enttäuscht niemals. Denn er erfüllt immer mehr, als man sich von ihm verspricht. Also ab in die Kiste.

 

Quelle: Motor Klassik

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