Zum wiederholten Mal hat sich Fiat-Chef Sergio Marchionne darüber beklagt, dass der Konzern ausgerechnet in seinem Mutterland keinen Profit mache. Es ginge Fiat besser, wenn sich der Konzern aus Italien zurückziehen würde, so Marchionne. Die Verlagerung von Produktionen ins Ausland, zwecks Steigerung der Produktivität, ist nicht nur in Deutschland ein hoch emotionales Thema. Fiat, so berichtet die ARD, erwartet im Jahr 2010 einen operativen Konzerngewinn von zwei Milliarden Euro. Davon kommt laut Marchionne aber kein einziger Euro aus Italien. In puncto Arbeitseffektivität und internationaler Konkurrenzfähigkeit sei Italien nicht mehr wettbewerbsfähig, seit 10 Jahren habe das Land seine Innovationskraft weitgehend eingebüßt. Der Krankenstand hänge davon ab, was für ein Fußballspiel gerade anstehe und würde dann oft an die 50 Prozent erreichen. Fiat fordert flexibleres Arbeitsrecht Hier fordert Sergio Marchionne Zugeständnisse der Gewerkschaften, die Regelungen zustimmen sollen, die massenhaften Krankmeldungen wegen Juve und Milan beispielsweise einen Riegel vorschieben. Fiat überlege, nur noch dann in italienische Standorte investieren, wenn die Gewerkschaften sich auf Fiat zubewegten, drohte der Konzernchef an. Anlass der erneuten Klage des Fiat-Konzernvorstands war die Präsentation der Geschäftszahlen zum dritten Quartal 2010. Fiat geht es blendend, die Gewinnerwartung wurde daher auf besagte 2 Milliarden Euro nach oben korrigiert. Da mag es überraschen, dass ausgerechnet jetzt eine Debatte über zu niedrige Produktivität angestoßen wird. Der Chef der größten Gewerkschaft CGIL, Guglielmo Epifani, sieht hinter den erneuten Drohungen der Konzernspitze denn auch Kalkül: „In Wahrheit will Marchionne Italien verlassen.“ Auch Rocco Palombella von der Metallarbeiter-Gewerkschaft Uilm schießt zurück und fordert, Marchionne solle „aufhören, die Arbeiter zu demütigen“. Verlagerung ins Ausland angedroht Bereits im Juli hatte Fiat damit gedroht, 20 Milliarden Investitionen eher ins Ausland umzuleiten als in Italien zu investieren. Fiat hatte u.a. angekündigt, einen Teil seiner italienischen Produktion nach Serbien zu verlagern. Schon heute produziert der Fiat-Konzern u.a. in Frankreich, Tschechien und Polen sowie für den amerikanischen Markt in Mexiko und Brasilien. Die Drohgebärde des mit den Marken Lancia, Alfa Romeo, Fiat, dem Nutzfahrzeug-Hersteller Iveco und Ferrari mit Abstand größten Autoproduzenten des Landes bleibt nicht ohne politische Resonanz. Ministerpräsident Berlusconi appellierte an die soziale Verantwortung des Konzerns. Er zählt darauf, dass die Verlagerung ins Ausland keine Jobs in Italien gefährdet. Ob das allein Fiat daran hindert, personalintensive Arbeitsschritte nach und nach aus Italien abzuziehen, bleibt abzuwarten. Von Nicola Wittenbecher
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 25.10.2010
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