Wo man von Geld nicht spricht, läuft beim Autokauf manches anders - erst recht bei einem 80 Jahre alten Bentley. Geschichten von den Classic Days auf Schloss Dyck.
Von MOTOR-TALK Reporterin Lena Reinhard Jüchen - „Man kann allem widerstehen, nur der Versuchung nicht“, sagt Franz Peters mit Blick auf seinen schwarz-gelben 3,5-Liter-Bentley von 1934. Jahrelang hat er von diesem Auto geträumt. Dann kam eines Tages der Anruf eines Oldtimer-begeisterten Bekannten aus England: „Du, ich hab’ da ein Auto für dich, das kannst du haben!“ Eine gekieste Auffahrt, gesäumt von Rhododendren, führt Franz Peters zum „The White House“, dem Anwesen der Eheleute Amberson, beide Ende 70 und seit 45 Jahren Besitzer des Bentleys. Die englischen Herrschaften reichen selbstgebackene Plätzchen und Tee, erzählen Geschichten von früher, zeigen Fotoalben und breiten die gesamte Dokumentation des Autos aus. Franz Peters wird irgendwann ungeduldig und bittet, endlich das Auto sehen zu dürfen. Dafür ist er schließlich vom Rheinland nach London gereist. Heute nun ist Peters, wie über 5.000 Autobesitzer mit ihren Old- und Youngtimern, nach Schloss Dyck gekommen. Sie zeigen zwischen Wassergraben, Schlosshof und Parkanlagen Autos verschiedenster Epochen. Ein Ambiente für einen alten Bentley, der hier kaum auffällt. Familienfest mit FreundenDenn automobile Versuchungen gibt es hier zuhauf, einige davon sind käuflich, andere wollen nur schön aussehen. Die Begeisterung für diese Autos steckt schnell an, wenn sie bei strahlendem Sonnenschein in allen Farben um die Wette strahlen, mit dem Grün der Bäume und dem blauen Himmel. Paare und Familien sitzen zwischen den Autos auf Strohballen, im Outfit des Jahrzehnts, aus dem ihr Auto stammt. Im Hof spielt eine Band Elvis-Klassiker, dazu wird Rock’n’Roll getanzt. Bilder, an denen ich mich kaum sattsehen kann, ausgelassene Motorkultur. Aber gefahren wird auch. Ein propellerbetriebenes Fahrzeug ohne Bremse und hoch motorisierte Rennsportwagen gehen kurz nacheinander auf den Rennkurs. Typisch deutsch: an mehreren Messstationen wird kontrolliert, ob auch keiner der Fahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h überschreitet. Wer schneller fährt, wird aus dem Rennen gezogen. Manche Fahrer sind froh, wenn sie es mit ihrem betagten Wagen überhaupt bis ins Ziel schaffen, andere ärgern sich, weil ihr Wagen bei diesem Tempo überhaupt erst warm wird. Besser als bei einer anderen Frau Aus den Niederlanden ist eine Kolonne von 55 Bentleys angereist. Elisabeth Endelman sitzt neben ihrem treuen Briten im Schatten und lacht, als ich sie nach der „Versuchung Oldtimer“ frage. Der Bentley gehört ihrem Mann, und so ein Auto sei ja als Hobby nicht nur sehr teuer, sondern auch ganz schön zeitintensiv. Dann lächelt sie, ein bisschen gütig und ein bisschen traurig: „Das Gute ist, wenn ich meinen Mann suche, weiß ich immer, er ist beim Auto. Besser als bei einer anderen Frau!“ Einige Meter weiter sitzt Bernd Ralf Hochwald mit Freunden vor seinem alten Volvo-Kastenwagen. Er hat ein ganz einfaches Rezept für die wichtigsten Dinge in seinem Leben: „Ich behandle meine Autos wie meine Freundinnen: so, dass sie möglichst lange halten.“ Forget payingDas Ehepaar Amberson, die Vorbesitzer von Franz Peters‘ schwarz-gelbem Bentley mit den Rhododendren an der Auffahrt, haben es genauso gemacht. Das Auto wurde immer nur für das genutzt, wofür ein Auto da ist: Es wurde gefahren und, wenn nötig, in die Werkstatt gebracht. Nach den Plätzchen und dem Tee darf Franz Peters endlich in die Garage und bestaunt den 120 PS starken Oldtimer. Er setzt sich in das unrestaurierte, aber gepflegte Prachtstück und ist nach der Probefahrt restlos überzeugt: er muss dieses Auto haben. Als Peters einige Tage später den vereinbarten Betrag anweist, ist das Auto bereits unterwegs. So wurde er der erst dritte Besitzer in der bald 80-jährigen Geschichte des Bentley. Er weiß nicht, wie viele Exemplare es außer seinem noch gibt. 1.200 wurden gebaut, zu viele wurden ausgeschlachtet, um an Motor, Getriebe, Fahrwerk und Fahrgestellnummer zu kommen und Replikas darauf aufzubauen. Etwas unhandlichFranz Peters öffnet stolz den Kofferraum, der von zwei dicken Lederriemen gehalten wird, und holt das Kästchen mit den Ersatzlampen, das Werkzeugset und die Fahrzeug-Dokumente heraus. Der Original-Verkaufsprospekt zeigt handcolorierte Fotos, das zugehörige Werkstatthandbuch ist mit Schreibmaschine geschrieben. Eine Zeitreise zum Durchblättern. Die handgeflochtenen Halteschlaufen für Mitfahrer, Handwerkskunst aus einer anderen Zeit, sind bis ins Detail erhalten und die braunen Ledersessel laden zu einer Spazierfahrt ein. Peters erzählt von den Rallyes, die er mit dem Bentley regelmäßig fährt, „zu zweit mit meiner Frau, manchmal auch zu dritt, dann darf der Hund mit“. Seine Frau hat extra die Beifahrer-Lizenz absolviert, nur einen Urlaub im Jahr machen sie ohne Autos, „der ist dann für mich“, lacht sie. Mir geht es genauso. Abends im Bett fange ich in Gedanken schon einmal an, für einen Oldtimer zu sparen. Es muss ja nicht gleich ein Bentley Baujahr 1934 sein. |
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