Goslar - Sollen Jugendliche schon mit 16 Jahren Auto fahren dürfen, wenn Mama oder Papa noch bis zum 18. Geburtstag daneben sitzen müssen? Darüber beraten derzeit Verkehrsexperten. Die Idee ist nicht neu. 2004 gab es in Niedersachsen den ersten Modellversuch für den Führerschein mit 17.
Die Idee dahinter hat sich bewahrheitet: Wer mit 17 die Fahrerlaubnis erwirbt und zunächst nur in Begleitung eines Erwachsenen fahren darf, der baut weniger Unfälle, wenn er ab 18 allein unterwegs ist. Wegen dieses positiven Effekts des begleiteten Fahrens fordern Experten jetzt, den Führerschein sogar schon mit 16 zu erlauben. Darüber soll auf dem 55. Verkehrsgerichtstag in Goslar gesprochen werden.
"Je länger man am begleiteten Fahren teilnimmt und je mehr man dabei fährt, desto größer ist der Erfolg", sagt der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, Gerhard von Bressensdorf. "Die Teilnehmer am begleiteten Fahren haben später 20 Prozent weniger Unfälle." Auch deshalb unterstützt der Verband einen Vorstoß des niedersächsischen Fahrlehrerverbandes, der den Führerschein mit 16 ins Gespräch gebracht hat.
Mehr Spielraum für Führerschein-Neulinge
"Begleitetes Fahren ist die günstigste und effektivste Verkehrssicherheitsmaßnahme", sagte der Chef der niedersächsischen Fahrlehrer, Dieter Quentin, erst kürzlich der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Das bisherige begleitete Fahren habe aber einen Haken: Viele junge Leute schöpften das Jahr zwischen ihrem 17. und 18. Geburtstag gar nicht voll aus, sondern machten den Führerschein erst ein halbes oder ein Vierteljahr vor ihrer Volljährigkeit. Der Führerschein mit 16 könne da mehr Spielraum geben.
Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat steht dem Vorstoß positiv gegenüber, weil dadurch die Phase des begleitetes Fahrens verlängert werden könnte, sagt Sprecher Sven Rademacher. "Allerdings sollte eine solche Regelung nicht dazu führen, dass die jungen Menschen anschließend bereits ab 17 alleine fahren dürfen."
Zustimmung erhalten die Fahrlehrer von den Automobilclubs. "Alle Daten zeigen, dass jeder Kilometer begleitetes Fahren die Unfallwahrscheinlichkeit beim späteren Alleinfahren senkt", sagt Constantin Hack vom ACE Auto Club Europa. "Ein früherer Einstieg in das begleitete Fahren ermöglicht es, wichtige Erfahrungen zu sammeln."
Bisher dürfen Minderjährige ab 17 und nur in Begleitung Auto fahren. Verkehrsexperten schlagen vor, das Alter auf 16 zu senken Quelle: dpa/Picture Alliance
Ähnlich sieht es der ADAC. "Wir sind im Prinzip für den Führerschein mit 16", sagt Sprecher Andreas Hölzel. Die Erlaubnis sollte es aber nur im Rahmen eines Mehrphasenmodells geben. "Nach dem 18. Lebensjahr müsste eine Phase mit Fahrsicherheitstrainings, Seminaren und psychologischen Schulungen hinzukommen, in denen es auch um die Risiken im Straßenverkehr geht", sagt der ADAC-Sprecher.
EU-Recht als Hindernis
Der Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft sieht im Führerschein mit 16 eine gute Chance, die Zahl der Unfälle junger Autofahrer weiter zu verringern. "Heute beginnen viele Jugendliche mit der Fahrausbildung zu spät und haben dann nach bestandener Prüfung oft nur wenige Monate begleitetes Fahren vor sich", sagt Brockmann. "Indem der Beginn der Fahrausbildung nach vorn verlegt wird, verlängert sich die Zeit des begleiteten Fahrens."
Eher reserviert äußerte sich dagegen der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm. "Unzureichende Ausbildungszeiten könnten auf andere Weise kompensiert werden", meint der frühere Generalbundesanwalt. "Zum Beispiel könnte der Gesetzgeber eine Mindestanzahl von Kilometern oder Stunden im begleiteten Fahren verlangen." Fahranfänger und Ausbilder sollten dies vor der endgültigen Fahrerlaubnis per Fahrtenbuch nachweisen.
Derzeit lässt das europäische Recht einen Führerschein mit 16 ohnehin noch nicht zu, sagt der Vorsitzende der Fahrlehrerverbände, von Bressensdorf. "Es wäre aber sicher sinnvoll, den Führerschein mit 16 auszuprobieren." Das Land Niedersachsen hat auf den Vorstoß bereits reagiert. Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) kündigte an, er werde das Thema mit Experten erörtern. Das Ergebnis könnte eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel sein, das entsprechende EU-Gesetz zu ändern.
Quelle: dpa
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