Der Saab 900i von Armin Zebrowski befindet sich in einem beneidenswerten Neuzustand. Es ist zwar kein Turbo, dafür hatte er aber nur einen Vorbesitzer und nicht einmal 25.000 Kilometer auf der Uhr. Wenn dieser Saab wenigstens einen Turbo unter seiner Haube hätte. Aber so? Vermutlich würden nicht einmal ausgewiesene Schweden-Fans ernsthaft mit diesem Modell liebäugeln. Eine viertürige Stufenhecklimousine in Hellblau, noch dazu mit Dreigangautomatik - schräger kann ein Saab 900 wohl kaum in Farbe, Version und Ausstattung daherkommen. Dieser Saab 900 war vermutlich ein Ladenhüter Ob ich mir dieses Auto nicht doch einmal anschauen wollte? Aus der Stimme von Armin Zebrowski klingt eindeutig Besitzerstolz. "Hm, eine dreitürige Turboversion mit Schrägheck wäre uns für die nächste Youngtimer-Ausgabe eigentlich lieber." Kurze Pause, nur das Knistern in der Leitung ist zu hören. "Erste Hand, scheckheftgepflegt und nicht einmal 25.000 Kilometer auf dem Zähler." Armin Zebrowski wählt seine Worte mit Bedacht, wohl wissend, dass sie am Ende doch auf Interesse stoßen. Der Saab 900i sei ihm von einer älteren Dame überlassen worden, eine gute Freundin der Familie, die es Ende 1986 als Neufahrzeug gekauft habe. "Der Wagen ist praktisch so gut wie neu." Ein paar Tage später im schwäbischen Eberdingen. Ein historischer Ortskern, drum herum beneidenswerte Wohnlagen im Hang, Häuser mit Gärten so groß wie Fußballfelder. Armin Zebrowski empfängt seine Gäste wie alte, lange nicht gesehene Freunde. Der Saab 900 parkt bereits vor dem Haus, scheint bereit für eine Ausfahrt. Der Mann hat nicht zu viel versprochen, das Auto sieht tatsächlich so aus, als hätte es erst vor fünf und nicht vor 25 Jahren die Werkshallen im schwedischen Trollhättan verlassen. Nach zwölf Jahren Dornröschenschlaf wurde der Schwede wachgeküsst Zebrowski erzählt, er sei bereits seit 1998 im Besitz des Saab 900, hätte jedoch bis heute nie Zeit für das seitdem in einer Garage abgestellte Fahrzeug gefunden. Erst im Oktober 2010 habe er sich endlich wieder an diesen Schatz erinnert, schließlich sämtliche Flüssigkeiten und die Batterie wechseln lassen und den Saab dann dem TÜV vorgeführt. Die Diagnose: keinerlei technische Mängel. Der mit einem ungeregelten Katalysator versehene Saab 900 meistert selbst die strenge ASU-Hürde auf Anhieb. "Ich wusste zwar, dass sich der Wagen in einem guten Zustand befindet, aber dieses Ergebnis hat mich dann doch ein wenig überrascht." Die Saab 900-Szene hätte allerdings auch kein anderes Resultat akzeptiert. Als die Schweden Ende 1980 die fünftürige Stufenheck-Version präsentieren, gelten ihre Autos als Musterknaben in Sachen Zuverlässigkeit. Der 900er des amerikanischen Vertreters Peter Gilbert soll sogar sagenhafte 1,6 Millionen Kilometer auf der Uhr haben, ohne dass nennenswerte Technikteile gewechselt wurden. Dagegen wirkt der zirkonblaue Saab 900i Sedan von Zebrowski mit seinen vergleichsweise bescheiden anmutenden 24.440 Kilometern wie gerade erst eingefahren. Alle 2.000 Kilometer eine Inspektion "Laut Serviceheft hat dieses Auto zwischen der Auslieferung 1986 und der Übergabe an mich im Jahr 1998 im Schnitt alle 2.000 Kilometer eine Inspektion erhalten." Neben dem Serviceheft ist Zebrowski selbstverständlich auch im Besitz des originalen Kaufvertrages. Der Barpreis betrug 31.268,71 Mark inklusive eines Stahlschiebedachs für 926,31 Mark sowie Gummimatten für 99,75 Mark. Wir öffnen die Türen, nehmen auf den bequem geformten Fondsitzen Platz, die - eine traditionelle Saab-Annehmlichkeit -, über eine Sitzheizung verfügen, welche Lehnen und Sitzflächen bei kühler Witterung automatisch auf 28 Grad erwärmt. Im nächsten Moment verschwindet der Zündschlüssel im Schloss, nach dem Saab- Neulinge stets erst eine Weile suchen müssen, weil es sich zwischen den Sitzen befindet. Ansonsten gibt die Anordnung der Instrumente und der Schalter im Saab 900 keinerlei Rätsel auf. Heile Saab-Welt - die erahnen lässt, dass der Konzern einst auch Flugzeuge baute: Die geschwungene Konsole sowie die konkav geformte Windschutzscheibe vermitteln im Saab 900 ein wenig das Gefühl, in einem Cockpit zu sitzen. Wie selbstverständlich springt der 110 PS starke Zweiliter-Vierzylinder sofort an. Wegen des ungeregelten Dreiwege-Katalysators muss dieses Triebwerk jedoch mit fünf Pferdestärken weniger auskommen als sein Gegenstück ohne Abgasreinigung. Bei den damals in Deutschland angebotenen Kat-Versionen handelte es sich um ursprünglich für den kanadischen Markt produzierte Saab 900-Modelle, die sich in einem weiteren Detail von den europäischen Versionen unterscheiden. "Serienmäßig verfügten diese Autos bereits über getönte Scheiben", erklärt Zebrowski, der in den vergangenen Wochen endlich Zeit gefunden hat, sich über sein Auto schlau zu machen. Altertümliche Borg-Warner-Automatik im Saab 900 Der zerbrechlich anmutende Automatik-Wahlhebel rutscht in Position D, im nächsten Moment gleitet der Saab 900 vom Hof, nimmt behäbig Fahrt auf. Ruckartig springt der Wandler kurz darauf in die zweite Fahrstufe, eine gefühlte Ewigkeit später in Stufe drei. Armin Zebrowski schmunzelt. Das Auto sei eben alles andere als ein Rennwagen. Spürbar weniger Leistung und im Schnitt ein um zwei Liter höherer Benzinverbrauch - auch die Tester von auto, motor und sport urteilten nicht nur positiv über den abgasgereinigten Saab 900i (5/1985). Zudem galt die Dreigang-Wandlerautomatik von Borg-Warner damals schon als nicht mehr zeitgemäß. Zebrowski lässt das jedoch alles kalt. Er schätzt diese einzigartige Gelassenheit, die von seinem Saab ausgeht. Behutsam steuert er den 900er über die verwinkelten Straßen und Sträßchen der schwäbischen Provinz, die auch von Porsche-Testfahrern aus dem nahen Weissach gern unter die Räder genommen werden. "Ein Elfer wäre schon eine feine Sache." Wer hier lebt, sei quasi automatisch vom Porsche-Virus infiziert. Sagt einer, der im nächsten Moment wieder voll und ganz Saab-Pilot ist. "Das Beste an diesem Auto ist doch, dass es die Nerven schont, es einen zurück auf den Boden der Tatsachen bringt, wenn der Tag mal wieder allzu hektisch war." Er hätte den Saab 900 nur eben viel früher aus der Scheune holen sollen. Diesen Turbo-losen Sedan in Hellblau, der nur auf den ersten Blick wie ein Ladenhüter wirkt.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 17.04.2012
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