Abgas-Skandal, Rückrufthematik und Neuausrichtung: Die VW-Vorstände erklären beim Jahresabschluss das vergangene Jahr und die Zukunft von VW.
Wolfsburg - Der stockende Diesel-Rückruf und die Milliardenkosten der Abgaskrise zwingen Volkswagen zur Neuausrichtung, insgesamt und punktuell. Zunächst ändert sich die Reihenfolge bei der Ausbesserung. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat die Freigabe für den Passat noch nicht erteilt. Deshalb soll nun zunächst der Golf in die Werkstätten. „Die Entscheidung ist heute Morgen gefallen", sagte VW-Chef Matthias Müller. Müller entschuldigte sich für die Verzögerung. Der Passat sollte bereits Ende Februar zurückgerufen werden. Doch einige Werte wären nach dem Update schlechter ausgefallen als zuvor. Welche Golf-Varianten nun den Vorzug bekommen, ist bisher ebenso unbekannt wie der Starttermin. VW-Markenchef Herbert Diess ergänzte später, der Passat werde „in den nächsten Wochen“ Updates erhalten. Ein Rückkaufmodell wie in den USA sei in Deutschland nicht geplant. Weniger Investitionen, aber moderner werdenIm Unternehmen wächst der Druck, trotz eines verschärften Sparkurses mehr Mittel in Zukunftsthemen wie Elektromobilität, Umweltschutz und neue Dienstleistungen zu stecken. Müller erklärte, VW müsse trotz der angespannten Finanzlage mit der Industrie Schritt halten: „Das Auto der Zukunft ist effizienter, intelligenter, komfortabler und sicherer als jemals zuvor. Es fährt elektrisch und in einigen Jahren auch autonom." Finanzchef Frank Witter macht das Kernproblem dabei deutlich: Geld. „Wir sehen steigenden Bedarf in Investitionen in neue Antriebs- und Mobilitätskonzepte, Urbanisierung und Digitalisierung. Gleichzeitig sehen wir aber auch die Notwendigkeit, die Investitionen nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zum Umsatz zu senken." Im Ringen um eine Einigung mit den US-Behörden rechnet VW mit Milliardenkosten für „grüne“ Projekte in den Vereinigten Staaten. Dafür veranschlagt der Konzern rund 1,8 Milliarden Euro. Bei dem Budget gehe es um „mögliche Investitionen in Umweltprojekte und die Elektromobilität“, heißt es im Geschäftsbericht. „Inhalt sowie zeitliche Verteilung der Investitionen sind derzeit noch unbestimmt.“ Der VW-Konzern 2015: Verluste und GewinneInsgesamt verlor der Volkswagen-Konzern im Geschäftsjahr 2015 1,3 Milliarden Euro vor Steuern. Zum Vergleich: 2014 wies VW einen Gewinn von 14,8 Milliarden vor Steuern aus. Hauptgrund für den Verlust: VW stellte für die Bewältigung des Abgas-Skandals eine Summe von rund 16 Milliarden Euro zurück. Operativ weist VW 4 Milliarden Euro Verlust aus. Die meisten Konzernmarken schlossen das vergangene Jahr schlechter ab als noch 2014. VW Pkw verlor im Vergleich 274 Millionen Euro. Audi meldet 16 Millionen Euro weniger Gewinn, Bentley 60 Millionen, VW Nutzfahrzeuge 122 Millionen und MAN 107 Millionen. Großer Gewinner ist erneut Porsche (3,4 Milliarden Gewinn gegenüber 2,7 Milliarden im Vorjahr). Seat steht mit einem Verlust von zehn Millionen Euro besser da als 2014 (- 130 Millionen Euro). Alle Zahlen findet Ihr im VW-Geschäftsbericht 2015. Mobilitätsdienstleistungen und Partnerschaften, aber nicht Apple oder GoogleMüller will neue Dienstleistungen in der Mobilität mit einer neuen Tochterfirma umsetzen. Hierzu solle „in Kürze ein rechtlich eigenständiges, konzernübergreifendes Unternehmen" entstehen, kündigte Müller an. Üblicherweise geht es dabei um das Geschäft rund ums Auto, zum Beispiel mit speziellen Smartphone-Apps oder Carsharing-Angeboten. Bei VW soll dieser Bereich bis 2025 einen „substanziellen Teil" des Umsatzes ausmachen. VW will sich bei Zukunftsthemen mehr für Partnerschaften und strategische Beteiligungen öffnen. "Die Zeiten, in denen unsere Branche sich abgeschottet hat, gehören endgültig der Vergangenheit an", sagte Müller. "Berührungsängste, Alleingänge oder die Illusion, alles besser zu wissen und zu können, werden nicht ans Ziel führen." Trotzdem plant der Konzern derzeit keine Zusammenarbeit mit den Smartphone-Riesen: „Wir unterhalten uns nicht mit Apple und Google“, sagte Müller. Mit welchen Firmen Partnerschaften geplant sind, wollte er nicht sagen. Winterkorn: 7,3 Millionen Euro für 2015Volkswagens Ex-Chef Martin Winterkorn muss wegen der Abgaskrise derweil finanziell deutlich Federn lassen. Der Ende September 2015 zurückgetretene Manager, dessen Vertrag aber noch bis Ende 2016 weiterläuft, erhält für das vergangene Jahr noch 7,3 Millionen Euro. 2014 hatte Winterkorn noch fast 16 Millionen Euro kassiert - und war damit höchstbezahlter Manager aller Dax-Konzerne. Das Gehaltsminus liegt vor allem an der gesunkenen mehrjährigen variablen Vergütung, die ein Teil des Vorstands-Salärs ist. Neuer Spitzenverdiener im Volkswagen-Vorstand ist nun der Chef der schweren Nutzfahrzeuge, Andreas Renschler, mit fast 15 Millionen Euro. Er war im Winter 2015 von Daimler in den VW-Konzern gewechselt. China bleibt wichtig für VWEine wichtige Stütze für VW bleibt das China-Geschäft. Im Reich der Mitte verdiente VW 2015 gut 5 Milliarden Euro. Trotzdem sank im vergangenen Geschäftsjahr die Zahl der Auslieferungen in Asien um drei Prozent. „Wir tun alles, um unsere Position in China in einem immer härteren Wettbewerb zu behaupten", sagte Müller. Bei der ohnehin renditeschwachen Kernmarke VW-Pkw drücken hohe Werbekosten infolge der Abgas-Affäre die Ertragskraft. Der VW-Geschäftsbericht: Abgas-Skandal in ZahlenInklusive Impressum und Terminvorschau umfasst der VW-Geschäftsbericht für das vergangene Jahr 308 Seiten. Erwartungsgemäß dominiert die weltweite Abgas-Krise auch den Bericht. Das Wort „Skandal“ kommt darin allerdings nicht vor. Dafür werden die im Konzern für die Diesel-Causa gewählten Formulierungen "Abgasthematik" und "Dieselthematik" gleich 84 beziehungsweise 61-mal erwähnt. Auch die Bezeichnung "NOx", das chemische Kürzel für Stickoxid findet sich 22-mal, ausgeschrieben steht es an 9 Stellen. Die Bezeichnung "Defeat Device", also die technische Ursache für den Diesel-Skandal, findet sich immerhin 7-mal, das Wort "illegal" genau wie "Manipulation" noch je 3-mal. Das Wort "Entschuldigung" findet sich nur ein einziges Mal im Text. Abgas-Skandal: Ende noch nicht in SichtMüller deutet an, dass der Konzern trotz der Verzögerungen alle Rückrufe im laufenden Jahr bewältigen könne. Die Zielsetzung bleibt, möglicherweise streckt sich der Zeitraum bis ins 1. Quartal 2017. Bis wann die Untersuchungen intern und in den USA noch andauern, könne Müller nicht abschätzen. Hinweis: Wir ergänzen diesen Artikel, sobald es neue Erkenntnisse oder Informationen gibt Quelle: Mit Material von dpa |