Schicke Hülle, lahmer Motor: Der Espace macht einen tollen Eindruck, doch Renault schraubt den falschen Antrieb in den Van. Der 1,6-Liter-Diesel macht zu viel Radau.
Berlin – Früher war der Renault Espace ein Van. DER Van. Der Begründer einer damals neuen Gattung in Europa. Das war 1984. Mit der fünften Generation sind sich die Franzosen nicht mehr so sicher, was der Espace sein soll. Renault nennt ihn mittlerweile „Crossover“. 1. Gang: Die BasisWie Renault den Espace einordnet, kann uns egal sein. Er bleibt ein großer, variabler und luxuriöser Van. Einer, der was einstecken kann, der nun flott aussieht und innen endlich modern wirkt. Bis zu sieben Personen passen rein. Eher Ford S-Max als VW Bus. Wären da nicht ein paar französische Schrullen. 2. Gang: Das BesteBreite Türen, einfacher Einstieg, viel Raum und ein aufgeräumtes Interieur. Der Espace bietet Platz satt und bequeme, nicht zu weiche Sitze. Fünf Stühle sind Serie, zwei Einzelsitze in der dritten Reihe Option (800 Euro). Mit dem Leder Plus-Paket (2.500 Euro) kommen noch 3-Zonen-Klima und elektrische Einstellung der Sitze vorn hinzu. Toll: Die Sitze lassen sich einfach umlegen, ergeben dann einen riesigen Kofferraum mit bis zu 2.035 Liter Fassungsvermögen frei. Das Lenkrad liegt griffig in der Hand und der Rundumblick steht einem SUV in nichts nach. Die Verarbeitung des Cockpits und der Klarlack auf der Mittelkonsole unterstreichen den hohen Anspruch, den Renault beim Espace hat. Als zentrales Display fungiert ein Tablet-ähnlicher Touchscreen in 8,7-Zoll, ähnlich wie beim Volvo XC90 oder bei Tesla. Die Menüführung erfolgt intuitiv. Obwohl andere Redaktionen mit der Bedienung unzufrieden waren – in unserem Espace funktionierte alles tadellos auf Fingertipp. 3. Gang: Das SchwächsteWie kommt man auf die Idee, einen 1,6-Liter-Motor in ein 1,7-Tonnen schweres Auto zu pflanzen? Laut den technischen Daten sollte das funktionieren, 160 PS und 380 Nm Drehmoment sind eigentlich ausreichend. Doch in der Praxis hat man das Gefühl: Der kleine Diesel steckt im falschen Körper. In der Stadt oder auf Landstraßen fällt das nur wenig auf. Ab 130 km/h werden die Motor- und Dröhngeräusche einem Espace aber einfach unwürdig. Der stärkste Diesel im Programm müht sich permanent ab, quält sich mit dem schweren Franzosen und passt zum Van wie Pommes in ein Baguette. Unter lautem Gebrüll fährt der Espace von 0 auf 100 in 9,9 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 202 km/h. Theoretisch, denn nach einer kurzen Vollgasetappe regelt man automatisch auf 130 km/h runter. Im Testbetrieb pendelte sich der Verbrauch um die 7,7 Liter ein. Damit verfehlt er die NEFZ-Angabe von 4,7 Litern deutlich, für einen Siebensitzer geht das gerade noch in Ordnung. Eigentlich sollte der Espace ja auf der langen Strecke seine Qualitäten zeigen – doch genau da zeigt er Schwächen. Neben den Motorgeräuschen zieht es um die Karosserie wie bei einem Sturm – das kann ein Ford S-Max leiser. Dazu kommen Kleinigkeiten, die bei der ersten Fahrt nicht auffallen, nach ein paar Tagen aber doch nerven. So hängt die Linse der Rückfahrkamera (750 Euro mit elektrischer Heckklappe) voll im Windzug. Sie verdreckt schon nach wenigen Kilometern Regenfahrt. Vorm Rückwärtseinparken sollte sie jedes Mal mit einem kurzen Fingerwisch saubergemacht werden. Andere Hersteller lassen sie automatisch einklappen. An die langsam reagierende Sechsgang-Automatik kann man sich gewöhnen. Einfach bis drei Zählen, nachdem man in den Rückwärtsgang geschaltet hat, dann erst Gas geben. Auch die Bedienung der elektronischen Parkbremse erfordert Geduld. Anders als bei vielen anderen Autos, löst sie sich nicht automatisch beim Anfahren, man muss sie manuell deaktivieren. 4. Gang: Das ÜberflüssigsteVerschiedene Lichtfarben für die Instrumente sind ganz nett, aber sicher kein Kaufargument. Wir könnten jedenfalls drauf verzichten. Ebenso wie auf das Keyless-go oder Keycard-handsfree, wie Renault es nennt. Eigentlich eine tolle Idee, dass der Schlüssel immer in der Tasche bleiben kann und der Renault sich selbst öffnet, wenn man mit dem Schlüssel in der Hosentasche kurz an ihm vorbei geht. Nur: das passiert auch dann, wenn man es gar nicht will. Und gelegentlich auch nicht, wenn man es will. Dann hilft es auch nicht, wenn man am Türgriff zerrt. Und auf die Sicherheitsrisiken von Keyless-Go-Modellen hat Renault noch nicht Reagiert. 5. Gang: Das WissenswerteRenault hat lange überlegt, was sie mit dem Espace machen sollen. SUV kann jeder. Außerdem wiegen die so viel. Der Espace kommt auf rund 1,7 Tonnen – so viel wie ein (engerer) Oberklassekombi. So extravagant wie Avantime (zweitüriger Van) oder Vel Satis (Limousine) sollte der Espace nicht werden. Also blieb er ein Van. Der startet als dCi 160 mit der Intense-Ausstattung bei 40.150 Euro, der gut ausgestattete Testwagen kam auf 47.900 Euro. Dann gibt es noch die sogenannte „Ghetto-Schaltung“. Kein Witz. Dabei verriegelt sich der Renault nach dem Anfahren selbst. Das haben andere Hersteller auch. Neu war für uns: Der Name dafür wird im Display angezeigt. 6. Gang: Das BesondereMit der Hinterachslenkung fährt sich der 4,85 Meter lange Van sportlich, ja fast schon agil wie ein Kleinwagen. Dazu kommt eine straffe und sportliche, aber noch komfortable Federung. Schlechte Straßen mit tiefen Rillen und Schlaglöchern bügelt das Fahrwerk mit dem adaptiven Fahrwerk (EFA, im Paket 2.000 Euro) leicht aus, ohne dass die Insassen mit dem Kopf wackeln. Ausrollen: FazitHoch sitzen, viel Platz haben und noch dazu einen variablen Innenraum. Das geht in SUVs, doch die wiegen deutlich mehr. Der Espace bleibt beim Gewicht in der Kombi-Liga, fährt einigermaßen sparsam, bietet einen hochwertigen Innenraum und eine moderne Menüführung. Schade nur, dass der unflätig laute Motor das Niveau so nach unten zieht. Technische Daten: Renault Espace Energy dCi 160 EDC
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