Große Vans schwächeln, weil SUV so erfolgreich sind. Dieser hier verkauft sich trotzdem gut: Wir haben den VW Sharan 2 am Ende seines Modellzyklus getestet.
Berlin – Sein Segment ist nur noch eine Nische. Der VW Sharan ist einer von wenigen großen Vans, die trotz magerer Nachfrage noch im Konfigurator stehen. Manche Hersteller geben auf: Peugeot und Citroën zogen sich aus der Klasse zurück. Renault und Ford verkaufen in Deutschland nur wenige Espace und Galaxy. Im internen Vergleich fährt der große VW ebenfalls hinterher. Der (kleinere) Touran ist beliebter, ein VW Transporter mit Multivan-Ausstattung günstiger. Aber der Sharan schafft, was die beiden Brüder nicht können: Er ist der Kompromiss aus Nutzfahrzeug-Größe und Pkw-Komfort. Wir haben den Van im Alltag getestet. Abmessungen und Platzangebot: Außen Mittelklasse, innen kleiner BusQuelle: MOTOR-TALK Im Sharan geht es um Platz. Davon gibt es eine Menge. Mit Minimalbestuhlung und umgeklappter Rückbank lädt er bis zu 2.430 Liter ein. Unser Allradmodell mit drei Sitzreihen verstaut maximal 2.297 Liter. Hinter der zweiten Sitzreihe sind es noch 711 Liter bis zur Fensterkante bzw. 1.167 Liter bis zum Dach. Als Siebensitzer packt er immerhin noch 300 bis 375 Liter ein. Was diese Zahlen tatsächlich bedeuten, haben MOTOR-TALKer oft ausprobiert: Im Sharan-Forum erzählen sie Geschichten von 32 Mineralwasser-Kisten, vier Eishockey-Spielern samt Ausrüstung (sowie Bier) oder 20 Umzugskartons. Kurz: Der Sharan ist riesig. Sein Kofferraum packt Ladung mit etwa 1,10 Meter Breite, locker einem Meter Länge sowie gut 80 Zentimetern Höhe ein. Mit umgelegter Rückbank verdoppelt sich der Platz beinahe. 744 Kilogramm (inklusive Fahrer) darf er schleppen. Das langt für so ziemlich alles vom Möbeleinkauf bis zum Familienurlaub. Zum VW Bus fehlen trotzdem einige Zentimeter – innen wie außen. Länge und Breite des Sharan liegen ungefähr auf dem Niveau einer Mittelklasse-Limousine. Sein gesamter Antrieb sitzt quer im Chassis und nimmt wenig Platz weg. Wenn die zweite Sitzreihe ein paar Zentimeter nach vorn rutscht, passen bequem sechs, mit Kompromissen sieben Erwachsene in den Sharan. Zwei von ihnen müssen beim Einsteigen allerdings klettern. Das ist trotz großer Schiebetüren umständlich. Innenraum und Verarbeitung: Sachlich, aber nicht hübschQuelle: MOTOR-TALK Seine Größe ist die Stärke des Sharan, an der es nicht viel zu verbessern gibt. An der Wohnlichkeit schon: Sieben Jahre nach seiner Premiere bieten kleinere Modelle mehr Ablagen und Stauräume, vor allem in der Mittelkonsole. Der Sharan klappt dafür ein riesiges Fach auf dem Armaturenbrett auf. Dennoch: Bequeme Getränkehalter und Platz für ein Smartphone würden dem Sharan gut stehen. An der Verarbeitung gibt es nichts auszusetzen, aber an den Materialien. Dort, wo man ständig berührt, passt alles: Lenkrad, Schaltknauf und Armlehnen fühlen sich angenehm und griffig an. Drum herum gibt es aber viel Kunststoff, zum Teil recht hart. Hier wünschen wir uns mehr Liebe. Radio, Infotainment und Assistenz: So modern es eben gehtÄhnlich sieht es mit elektronischen Helfern und Infotainment aus. Der Sharan basiert auf dem VW Passat der Vorgänger-Generation. Das klammert einige Funktionen aus. Immerhin: Ein adaptiver Tempomat (bis 210 km/h), Front-Assist, Fahrspur-Assistent und automatische Fernlicht-Schaltung sind verfügbar und funktionieren tadellos. Quelle: MOTOR-TALK Das Navigationssystem stammt ebenfalls aus der Vorgängergeneration. Umso tragischer, dass VW hier ordentlich zulangt: Im Sharan gehören das Paket „Business Premium“ (u. a. Tempomat, Sitzheizung, elektrische Außenspiegel) und das Lederlenkrad mit Multifunktionstasten zwingend dazu. Macht insgesamt 2.000 Euro Aufpreis – zu viel, wenn es nur um das Navi geht. Antrieb: Kräftiger Diesel und ein HandschaltgetriebeDie Antriebe des VW Sharan stammen weitestgehend aus der aktuellen Motorengeneration. Nur der neue Benziner (1.5 TSI, EA 211 Evo) und das überarbeitete Doppelkupplungsgetriebe (DQ 381) sind nicht verfügbar. In unserem Testwagen arbeitete ein 2,0-Liter-Turbodiesel (2.0 TDI) mit 150 PS, manueller Schaltung und Allradantrieb („4Motion“). Der kräftige Selbstzünder kommt mit dem hohen Fahrzeuggewicht (mehr als 1,9 Tonnen) gut zurecht. Er schleppt den Sharan problemlos Steigungen hinauf, auch voll beladen. Gewicht und Stirnfläche machen den Sharan allerdings durstig. Weniger als 7,0 Liter waren bei normaler Fahrweise kaum machbar. Auf flotten Autobahnetappen stieg der Verbrauch deutlich. Im Schnitt spritzte der Allradvan pro 100 Kilometer etwa 8 Liter ein. 70 Liter Tankvolumen gibt es serienmäßig – das genügt für lange Etappen. Quelle: MOTOR-TALK Abgase sind kein Problem für den Sharan. Beide verfügbaren Dieselmotoren sind serienmäßig mit SCR-Katalysatoren ausgestattet. Der AdBluetank fasst 17 Liter, genug für ungefähr 10.000 Kilometer. Der Einfüllstutzen liegt allerdings ungünstig versteckt im Kofferraum. Ein Einfüllstutzen hinter der Tankklappe ist erst beim Nachfolgerbaukasten vorgesehen. Fahrwerk und Lenkung: Keine BeanstandungenEin Familienvan ist in der Regel kein Dynamiker. Das gilt auch für den Sharan. Er fährt komfortabel, gut ausbalanciert und gemütlich. Hier liegt sein größter Pluspunkt im Vergleich zu einem Nutzfahrzeug mit Innenausstattung: Der Sharan ist ein Pkw. Fahrerisch ist er nah an einem Passat und weit weg von einem Bus, trotz seines hohen Aufbaus. Gegen Aufpreis baut VW ein Verstellfahrwerk („DCC“, 1.150 Euro) mit drei Fahrmodi ein. Darauf hätten wir verzichten können. Die Spreizung der Fahrstufen ist spürbar, aber kaum nötig. Elektrische Schiebetüren (780 Euro) wären die klügere Investition. Fazit, Ausstattung und Preise: Praktisch, aber teuerQuelle: MOTOR-TALK Viel Platz kostet viel Geld: Den Sharan verkauft VW ab 32.800 Euro. Damit ist er teurer als ein VW Multivan (29.999 Euro). Den aktuell kleinsten Diesel halten wir im Sharan für angemessen. Besonders gut gefallen hat uns das knackige Sechgang-Schaltgetriebe. Wer auf den Allradantrieb verzichten kann spart 120 Kilogramm, 2.025 Euro Basispreis und etwas Kraftstoff. In einen Sharan gehören auf jeden Fall Seitenairbags und Gurtstraffer hinten (395 Euro), Ablagen- und Ladungssicherungspakete, der Abstandstempomat (450 Euro) und zumindest das große Radio (375 Euro). Das Siebensitzer-Paket kostet 1.670 bis 2.245 Euro und lohnt sich spätestens beim Wiederverkauf. Zuletzt war bei VW oft die Rede davon, schwache Modellreihen auslaufen zu lassen. Der Sharan verdient allerdings einen Nachfolger, denn große Familien brauchen solche Autos. Zwischen unzähligen SUV ist er der praktische Außenseiter. Er verschwendet keine Größe an Bodenfreiheit oder Fahrzeugbreite, die letztendlich niemand braucht. Immerhin: Gemeinsam mit dem beinahe baugleichen Seat Alhambra werden in Deutschland jährlich etwa 30.000 Exemplare zugelassen. Das sollte für einen Sharan 3 genügen. Gebrauchte Facelift-Modelle des VW Sharan gibt es auf mobile.de ab etwa 24.000 Euro. VW Sharan: Technische Daten
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