Eine späte Begegnung, die Frieden schließt: Redakteur Constantin durfte keinen Ford GT kaufen, nun aber seine Probefahrt nachholen. Unterwegs im heißesten Ford.
Schlepzig – Nun hat es doch noch geklappt mit uns beiden. Dabei hatte ich den Ford GT eigentlich schon aufgegeben. Fords schärfster Sportler und ich haben Geschichte, hatten aber nie echten Kontakt. Etwas Distanz lag immer zwischen uns. So nah wie auf seiner Premiere in Detroit im Jahr 2016 kamen wir uns lange nicht wieder. Und jetzt doch. Endlich! Eine halbe Stunde lang gehört ein Ford GT mir. Ein gelber Prototyp mit schwarzen Rallye-Streifen und dunklem Interieur. Unter den wachsamen Augen meines Anstands-Wauwaus Craig darf ich ihn unweit von Berlin ausprobieren. Der Ford-Techniker begleitet meine kurze Fahrt auf dem Beifahrersitz und passt auf, dass wir uns nicht zu gut verstehen. Probefahrt im Ford GT: Unterwegs im SupersportwagenQuelle: MOTOR-TALK Das könnte durchaus passieren. Immerhin habe ich sogar versucht, einen GT zu kaufen. Vergeblich. Nicht nur wegen des Geldes: Zum Kaufpreis von mehr als 500.000 Euro kommt ein strenges Auswahlverfahren seitens Ford. Der Hersteller sucht sich seine Kunden aus. Insgesamt 1.350 Käufer werden es, zunächst nur 15 in Deutschland. Ich bin keiner davon. Traurig, aber nicht tragisch. Denn eine wichtige Hürde wird den GT und mich ewig trennen: Ich passe kaum hinein. Der Einstieg ist mühsam, der Innenraum zierlich. Mein Oberkörper ist zu lang, die Arme sind zu kurz. Womöglich ein Problem dieser Klasse – der Lamborghini Aventador SV ist mir auch zu klein. Wachsen Millionäre und Rennfahrer eigentlich nicht aus? Ich hätte es ja ahnen können. Als Ford im Vergangenen Jahr zur Fahrt auf einer Rennstrecke einlud, bat der Hersteller um einen kleinen Redakteur. Sonst wird es am Helm zu eng. Mein Kollege Heiko übernahm, fuhr und schwärmte. Heute weiß ich: Ich hätte damals absolut keine Chance gehabt. Mit ein bisschen Quetschen passt es gerade so ohne Helm. Ein Rennwagen für die StraßeQuelle: MOTOR-TALK Auf der Straße brauche ich ihn nicht. Obwohl viel Motorsport im GT steckt. Ein Überrollkäfig ist fest in die Carbonstruktur integriert, das Push-Rod-Fahrwerk hat Ford um die Vorgaben der Aerodynamiker herum gebaut. Im Race-Modus entkoppelt der GT seine normalen Schraubenfedern und federt deutlich härter über den Drehstab. Wie konsequent Ford das Thema Motorsport umsetzt, spürt man in jedem Detail. Am GT hängt kaum ein überflüssiges Gramm, die Form folgt der Funktion. Im Innenraum höre ich nacktes Carbon arbeiten. Statt einer schweren Sitzflächenverstellung gibt es verschiebbare Pedale, entriegelt über eine leichte Schlaufe. Liftfunktion für die Vorderachse, Klimaanlage und ein kleines Navi sind Zugeständnisse an den Alltag. Den zickigen Supersportler spielt der GT nicht. Er lässt sich ganz behutsam bewegen, wenn man sich denn beherrschen kann. Er rollt sogar mit erträglichem Restkomfort über Kopfsteinpflaster. Vermutlich würden sogar längere Strecken in ihm funktionieren. Aber er ist kein Gran Turismo, sondern ein messerscharfes Sportgerät. Aufwendige Aerodynamik im Ford GTQuelle: MOTOR-TALK Es ist ihm egal, ob mein Kopf genug Platz hat. Ihm geht es darum, sich möglichst schnell bewegen zu können. Dafür bekommt er eine tolle Balance, keinen Speck und eine clevere Aerodynamik. Bei einer Vollbremsung baut sich der Spoiler hinter dem Motor auf, um das Auto zu stabilisieren und beim Stoppen zu helfen. Im schnellsten Modus ist der Unterboden des GT komplett glatt und schwebt sieben Zentimeter über der Straße. Das gibt ihm Stabilität. Überhaupt fährt der GT sehr sicher und beherrschbar. Er vermittelt über die (hydraulische!) Lenkung und das Fahrwerk feines Gefühl für Asphalt und Traktion. In Kurven neigt er sich praktisch gar nicht zur Seite, nur beim scharfen Bremsen erlaubt er sich ein deutliches Nicken. Wo seine Grenzen liegen, sollte man auf der Straße unter keinen Umständen testen. Das fängt schon beim Beschleunigen an. Mit weichen Semi-Slicks geht es in rund drei Sekunden auf Tempo 100, danach kaum langsamer weiter. Ein Doppelkupplungsgetriebe von Getrag legt blitzschnell die Gänge nach und schickt die volle Kraft an die Hinterräder. Wenn der Boden nicht ganz eben ist, regelt die Elektronik behutsam Power weg, nur um sie gleich wieder freizugeben. Stabiles Schlingern bei Vollgas, sozusagen. Beschleunigung, Kurvenlage und Balance liegen auf dem Niveau der ganz Schnellen, die Fahrbarkeit noch darüber. Das ist nicht neu bei Ford, schließlich ist das nicht der erste GT. Aber so viel Kompromisslosigkeit möchte man der Marke von Fiesta und Mondeo gar nicht zutrauen. Obwohl man dem GT Tempo und Können eigentlich schon im Stand ansieht. Ford GT mit V6-TurbomotorQuelle: MOTOR-TALK Das Datenblatt des GT mag beinharte Fans enttäuschen. Sechs Zylinder und zwei Turbos wirken unwürdig in einer Klasse, in der sonst acht bis zwölf Kolben pumpen. Zumal der GT auf eine fein brabbelnde V8-Historie mit bis zu sieben Litern Hubraum zurückblickt. Der neue bringt es nur noch auf dreieinhalb Liter. Außerdem teilt er sich 60 Prozent seiner Teile mit dem Antrieb des Ford F 150 Raptor. Ein Pick-up-Motor in einem Sportwagen. Skandal! Wer darüber meckert, hat das Auto nicht verstanden. Für viel Power braucht man längst nicht mehr viele Zylinder: Der V6 drückt rund 650 PS ins Getriebe. Ein V8 hätte nicht in die Tropfenform der Karosserie gepasst, die so aufwendig im Windkanal entstand. Außerdem wäre ein größerer Motor schwerer gewesen. So bleibt es bei knapp 1,4 Tonnen Trockengewicht – 175 Kilogramm weniger als ein (allradgetriebener) Aventador SV im gleichen Maßstab. Fehlendes Blubbern macht der V6 durch heiseres Geschrei wieder wett. Er klingt nicht nach wenig Hubraum, sondern nach viel Rennwagen. Seine Kraft kommt früh und ausdauernd. Er zieht rabiat an und brutal durch, dreht freudig bis in den Begrenzer. „Ecoboost“ ist letztendlich eben auch nur ein Name. In diesem Fall: wenig Eco, viel Boost. Damit der Motor nicht ins Turboloch fällt, baut Ford ein Anti-Lag-System ein. Versickert der Abgasstrom vom Motor, regen Bypassventile die Turbinen an. Sie schicken Ladeluft zurück vor die Verdichterräder und halten sie bei Laune. Das Ergebnis: Spontaneität. Untenrum ausreichend, in der zweiten Hälfte des Drehzahlbandes umso mehr. Mein Frieden mit dem Ford GTQuelle: Ford Ich steige wehmütig aus dem GT. Natürlich hätte ich ihn mir niemals leisten können. Er passt mir nicht einmal richtig. Mit 2,24 Metern ist er außerdem viel zu breit für enge Gassen, meinen Stellplatz, den Alltag. Stauraum gibt es kaum, der Tank ist winzig. Aber er ist ein fantastischer Sportwagen, der nur gerade so auf die Straße darf. Schnellere, exklusivere und interessantere Autos gibt es kaum. Oft sind es die schnellsten Autos, die letztendlich nie fahren. Der zweite GT hat seinen Wert bereits vervielfacht, bei der aktuellen Generation wird vermutlich Ähnliches passieren. Spekulanten kaufen für die Rendite, nicht für die Rennstrecke. Der Grund für Fords Auswahlprozess: Den GT soll man auf der Straße sehen. Gut so! Es gibt genug automobile Schätze, die man nur auf Bildern sieht. Fords schnellstes Auto soll nicht dazugehören. Wenn ich ihm gelegentlich begegne, egal, ob am Ku’Damm oder am Ring, dann verkrafte ich die Absage von damals. Obwohl ich jetzt weiß, was ich verpasse. Technische Daten Ford GT (2017)
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