Ducati zieht der Diavel die Beine lang: Als XDiavel bewegt sich die Italienerin zwischen Powerbike und Cruiser. So soll das Flacheisen Freunde von US-Bikes beeindrucken.
Von MOTOR-TALK Reporter Ralf Schütze San Diego - Statt von 90-60-90 träumen Ducatis Ingenieure von einer anderen Zauberformel: 5.000-60-40. Dahinter steckt, dass die neue XDiavel bei 5.000 Umdrehungen pro Minute ihr maximales Drehmoment von 128,9 Newtonmetern abgibt; dass sie mit 60 Kombinationen aus Lenker-, Fußrasten- und Sitzbankstellungen jedem Piloten auf den Leib geschneidert werden kann. Und dass sie trotz Cruiser-typischer Gelassenheit erstaunliche 40 Grad Schräglage erlaubt – nur 1 Grad weniger als die agile Ducati Diavel, von der die XDiavel direkt abgeleitet ist. Quelle: Ducati Aber der Reihe nach: Ducati hat die Herausforderung Cruiser sehr ernst genommen. Monatelang lebten italienische Designer in Kalifornien, um hier die Eigenheiten der Cruiser-Welt kennenzulernen und zu verstehen. Dabei sollten vor allem Besuche bei namhaften Customizern das Feeling für endlose Fahrten entlang kerzengerader Highways schüren. Heraus kam ein Bike für die entspannte Tour durchs Death Valley und gleichzeitig fürs Kurvengewirr am Mulholland Highway. Riemenantrieb ist PflichtNeben schierer Länge (1.612 Millimeter Radstand sind elend lang und nochmals 3 Zentimeter mehr als bei der Diavel) und flacher Silhouette (755 Millimeter Sitztiefe) hebt Produktmanager Stefano Tarabusi zwei „musts“ für Cruiser hervor: Vorverlegte Fußrasten und Riemenantrieb. Ersteres löste Ducati elegant mit der Möglichkeit, ab Werk die Rasten um jeweils 22,5 mm weiter nach vorn zu verstellen. Am Riemen reißt sich die XDiavel als erste Ducati überhaupt. Das tut der sanften Kraftübertragung gut und ist extrem pflegeleicht. Vor allem scheint es zum Pflichtprogramm zu gehören, will man den wichtigen US-Markt erobern. Aber nicht nur den hat Ducati im Blick. In allen wichtigen Weltmärkten liege laut Ducati der Marktanteil der Cruiser bei mehr als 10 Prozent. Testfahrt - natürlich in KalifornienSan Diego, Südkalifornien: Erstkontakt mit der XDiavel. Die Testroute führt ins Hinterland bis auf 1.250 Meter Höhe. Beim Mittagsstopp an der Descanso Junction liegt noch Schnee vom Vortag am Straßenrand. Aber auch unter diesen Bedingungen macht Ducatis erster Cruiser mächtig Spaß. Der neu entwickelte „Testastretta DVT 1262“ ist ein 90-Grad-V-Motor mit Ducati-typischer Zwangs-Ventilsteuerung. Im Vergleich zur Diavel hat die XDiavel nicht nur mehr Hubraum (62 Kubikzentimeter plus), sondern spürbar mehr Schub von unten. Bei 5.000 Umdrehungen hat der Motor seine maximale Kraft zwar nicht gerade im Drehzahlkeller, aber für ein 90-Grad-V aus Borgo Panigale bei Bologna spürt man sie angenehm früh. Zum Vergleich: Die Diavel bringt kaum mehr Drehmoment erst bei 8.000 Touren. Die Drehmomentkurve der XDiavel gleicht einer alpinen Hochebene: Neben dem absoluten Gipfel gibt es einen zweiten Höhepunkt bei etwa 6.250 Touren. XDiavel: Überraschend wendigWem die Beschleunigungsorgien mit der XDiavel nicht atemberaubend genug sind, der kann mit Hilfe einer dreistufigen Launch Control mehr daraus machen. Dass außerdem die Kurven-Performance stimmt, liegt auch an den „Pirelli Diablo Rosso II“, die den 247-Kilo-Brocken bis 40 Grad Schräglage am Asphalt haften lassen. Die 240er-Schlappen hinten haben reichlich Aufstandsfläche, tun aber der überraschenden Wendigkeit kaum Abbruch. Im endlosen Kurvengewirr entlang der mexikanischen Grenze verlieren selbst überraschend auftauchende Bodenwellen ihre Schrecken. Spaß kostet – Vielseitigkeit kostet mehrWas die neue Ducati XDiavel ab Ende Februar sonst auszeichnet: Drei verschiedene Motormappings namens Sport, Touring oder Urban; Kurven-ABS von Bosch; die achtstufige Traktionskontrolle DTC; elektronische Cruise Control; Voll-LED-Beleuchtung und TFT-Monitor; ein extrem präzises Sechsgang-Getriebe und schließlich die Auswahl zwischen der Basis-XDiavel und einer besonders edel und umfangreich ausgestatteten Variante namens XDiavel S. Auffälliges Extra: Die zum niederknien schönen Zwölf-Speichen-Felgen. Die Preise für die XDiavel betragen 19.890 oder für die S-Version 22.890 Euro. Zuletzt in eigener Sache: Liebe MOTOR-TALKer, lasst Euch vom elend langen Körperbau des Autors dieser Geschichte nicht täuschen. Ich kann Euch versichern: Auch mit zwei Metern Länge kann man entspannt auf der XDiavel reiten - es sieht nur seltsam aus. Das sollte aber niemanden davon abhalten, mal einen genaueren Blick auf den neuartigen Cruiser zu werfen. Es könnte sich lohnen. Und vielleicht fehlt in so mancher Biker-Garage schon bald ein Schild, auf dem bisher stand: „Harley Parking Only“. Ducati XDiavel - Technische Daten
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