Manche saufen Schnappes und Parfum, andere rauchen lustige Gräser oder spritzen sich Schwip Schwap in die Venen. Muss ja nicht sein. Wiebke Brauer drehte einen Autoschlüssel – und war voll auf dem Trip Wer je gesehen hat, wie sich Kühe benehmen, die nach dem langen Stallwinter auf die Wiese dürfen, weiß, wie ich mich heute gefühlt habe. Sie machen Bocksprünge, hüpfen blöd durch das Gras, schütteln die Schädel im BSE-Style und benehmen sich auch sonst recht unziemlich. Auf andere draufhoppeln und so. Und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mich auf die Motorhaube geworfen, mit den Beinen gestrampelt und „ Yippie-Ay-Yeah, Schweinebacke“ gerufen. Oder „Knick knack Hasenbraten“. Aber weil sich das für eine coole Sau wie mich nicht gehört, habe ich nur innerlich gebocksprungt. Und äußerlich huldvoll gelächelt. Doch zurück an den Anfang. Ich holte heute früh meinen SL ab, er ist wieder da. Heil, und sogar poliert. Das wiederum ist ungünstig, weil man jetzt die dreihundertzwanzig Lackschäden sieht, die Kratzer und Dellen, die abgeplackten Stellen und übergepfuschten Lackierungen. Aber egal. Ich setzte mich hinter das Steuer, mein Herz schlug bis zum Hals, als ob ich frisch verknallt sei, ich drehte den Schlüssel – und dann ging es ab. Ich sage nur: Ignition, Baby. Das Dröhnen schwoll an, pulsierte in meinem Kopf, vor meinen Augen sah ich nur noch Zündfunken sprühen und stampfende Zylinder, gehüllt in purpurne Wolken von voll verbleitem Gasolin, ich sah Mercedes-Sterne funkeln, Feuer speiende Sommerreifen drehten sich auf linken Spuren, Mittelstreifen zischten im Sekundentakt an mir vorbei, verchromte Radkappen zogen UFOs gleich ihre Bahnen durch mein von öligen Schlieren benebeltes Hirn. Ich wollte mich nackt auf den Asphalt werfen und Dinge tun. Wow, was für ein Rausch. In jungen Jahren rauchte ich Bananenschalen und verschiedene Vanilleteesorten, die anderen Experimente lassen wir jetzt mal außen vor – aber nichts war mit diesem unglaublichen Rausch vergleichbar. Ich war bedröhnt und brauchte erst einmal zehn Minuten, um wieder in einen normalen Drehzahlbereich zu kommen. Dann legte ich mein sorgfältig vorbereitetes Lächeln auf – und die Musik ein, gab sachte Gas und rollte auf die Straße. Die ersten Takte von „Crossroad Traffic“ erklangen, ich fädelte mich in den Verkehr ein und glitt im Strom. Alles war gut, alles im Fluss. Zehn Stunden später sitze ich hier und schließe die Augen. Mein Magen knurrt. Ich wusste, ich habe etwas vergessen. Ich habe heute von Luft und Autoliebe gelebt. von Wiebke Brauer
Quelle: Carsablanca |
verfasst am 28.03.2009
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Carsablanca