Dresden – Originalität ist relativ. Kleine Kinder mit großen Augen, grinsende Eltern und strahlende Rentner sind sich sicher: Hier fährt Herbie, der Super-Käfer aus dem Fernsehen. Der konnte ab 1968 fünf Filme lang reden, rasen und ganz alleine fahren. Allerdings nicht so, wie es Ingenieure heute teuren Autos beibringen. Sondern mit eigenem Willen, viel Charme und einem Scheinwerfer-Zwinkern.
Start in Zwickau: Drei Tage lang fährt Herbie durch Sachsen und Tschechien Quelle: Foto Sonntag
Wir fahren einen Herbie-Nachbau auf der Oldtimer-Rallye „Sachsen Classic“. Baujahr 1960, Modell 1200 Export. Das Original war jünger und unterschied sich im Detail. Unser Klon sieht trotzdem echt aus. Perlweißer Lack, Faltdach, rot-weiß-blaue Streifen und die Startnummer 53 auf Hauben und Flanken. Sprechen kann unser Herbie nicht, aber er hat coole Tricks drauf: Ein Druckluft-Mechanismus öffnet und schließt die Fronthaube, Wischwasser spritzt neugierigen Passanten die Schienbeine nass. Bedienen lässt sich beides über Knöpfe und Hebel im Handschuhfach.
Film-Käfer Herbie: 1960er Nachbau aus dem Museum
In einem Film hat unser Exemplar nie mitgespielt. Aber die Zuschauer lieben seinen Auftritt. Wenn Herbie mit dem Deckel klappert, werden sogar perfekt restaurierte Delahye und Alvis unsichtbar. Das kleine Auto mit den hübschen Kulleraugen kennt fast jeder. Alle anderen lesen auf den Seitenteilen nach: „Herbie groß in Fahrt“, der Titel des zweiten Herbie-Films.
Manchmal benimmt sich unser Käfer wie ein Filmstar. Starten in Schräglage mag er nicht. Wir bestechen ihn mit sanften Gasstößen, bis Spritzufuhr und Zündfunke zueinander passen. Wundervolle, einfache Mechanik. Der Boxer hustet kurz fettes Gemisch aus den Brennräumen, schüttelt sich beim Hochtouren und dreht dann mit sauberem Leerlauf.
Am zweiten Tag fuhren alle Teilnehmer auf dem Sachsenring Quelle: Foto Sonntag
Beim Anlassen lässt uns Herbie letztendlich nie im Stich. Am zweiten Rallye-Tag versagen aber wichtigere Teile. Die Strecke führt durch das Erzgebirge. Wir besuchen viele Orte, die auf "da", "au" und "itz" enden, klettern Bergstraßen hinauf und rollen zurück ins Tal. Manchmal genügt die Motorbremse, oft pumpen wir viel Flüssigkeit in Richtung Bremszylinder und -kolben. Irgendwo in einem tschechischen Naturschutzgebiet schlägt das Pedal gegen die Spritzwand. Herbie fährt weiter.
Herbie auf großer Fahrt durch Sachsen
Wir rollen auf einer Schotterfläche aus. Verlorene Zeit, die später 500 Strafpunkte in der Rallye-Rangliste bedeutet. Ein Service-Team hilft uns, entlüftet die Bremse und lässt alle Teile abkühlen. Die Klassik-Abteilung von VW ließ Jahre zuvor Scheibenbremsen vorn und größere Bremszylinder nachrüsten. Unser Herbie verzögert kräftig, trotz fehlender Unterdruckverstärkung – wenn alles funktioniert.
Den Rest der Etappe fahren wir trotzdem vorsichtig. Um den Sieg kämpfen wir ohnehin nicht. Die besten Teams holen am ganzen Tag weniger Strafpunkte als wir in einer einzigen Wertungsprüfung. Mein Partner schielt auf die anderen Autos und fährt ohne Ehrgeiz. Nach zwei Tagen fliegt er wieder nach Hause. Wir sammeln an zwei Tagen fast 5.500 Strafpunkte, landen auf den Plätzen 165 und 151 (von 180 Teilnehmern).
Zieleinfahrt an Tag 1: Team Herbie fährt am Ende des Feldes Quelle: Foto Sonntag
Ursprünglich sollte „Striezel“ Stuck neben mir im Käfer sitzen. Doch der meldete sich wenige Tage vor dem Start krank. Zu spät, um die Programmhefte zu aktualisieren. Viele Zuschauer sind enttäuscht, verstauen Bücher und Fotos ohne Autogramm wieder im Rucksack. Andere lassen uns unterschreiben. Ein Bürgermeister kennt Striezel nicht, begrüßt uns überschwänglich und lädt uns ins Rathaus ein.
Sachsen Classic: Rang 41 an Tag 3
Am dritten Tag bekomme ich einen neuen Co-Piloten. Wir kommunizieren besser, konzentrieren uns auf Roadbook und Prüfungen. Unsere beste Zeit liegt nur eine Hundertstel-Sekunde neben dem Soll, unser bester Platz in einer Prüfung wird der dritte. Insgesamt sammeln wir 512 Strafpunkte und landen auf Rang 41 der Tageswertung - ohne digitale Helfer wie den MOTOR-TALK Klassik Rallye Assistent. Den dürfen wir in der "Sanduhr-Klasse" nicht benutzen. Wir timen unsere Fahrten mit zwei Stoppuhren.
Auf dem Weg nach Dresden: Kurz vor dem Starterfeld rollt ein Gewitter durch die Stadt. Das Wasser verdampft auf der heißen Straße Quelle: MOTOR-TALK
Richtig gleichmäßig fahren wir nicht. Oft hilft uns der getunte Boxer im Heck: Der originale 1200er ist einem neueren Motor mit Kennung „AB“ und ursprünglich 44 PS aus 1,3 Litern Hubraum gewichen. Ein größerer Solex-Vergaser mit K&N-Filter schickt mehr Sprit in die Brennräume, eine Ray-Auspuffanlage reduziert den Gegendruck um rund ein Viertel. Der Prüfingenieur hat 1,6 Liter Hubraum und 50 PS in die Papiere eingetragen. Im Datenblatt stehen 60 PS. Genug, um den leichten Käfer laut knatternd durch Lichtschranken zu schieben oder 18 Prozent Steigung problemlos zu bewältigen.
Mehr Zuschauer als bei jeder anderen deutschen Rallye
Den Zuschauern sind unsere Ergebnisse egal. Sie freuen sich über das Spektakel, winken, feuern an und helfen bei der Navigation. Drei Tage lang sind sie Indiz dafür, dass wir uns nicht verfahren haben. Sie stehen fast überall an der Strecke. In Gesprächen geht es meistens um Originalität, den Wert und den Motor. Viele rufen den Namen unseres Käfers – typisch sächsisch mit mehr Umlauten als nötig: „Hörbieä“ begeistert alle.