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Classic Driving News

Hierzulande unbekannt: Lancia Flavia Limousine

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Am Design schieden sich die Geister. Lancia baute, vor allem in den sechziger und siebziger Jahren, Fahrzeuge, die polarisierten: Man mochte das manchmal skurrile Aussehen von Autos der italienischen Marke – oder lehnte es grundsätzlich ab!

Wer sich – wie Kay Borck – rund 20 Jahre lang beruflich mit den jeweils aktuellen Modellen von Lancia beschäftigt hat, der hat sich im Grunde bereits entschieden. Da ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch privat dem Drängen nachgibt. Bei Kay hat es immerhin knapp vier Jahre gedauert, bis er seinen ersten Lancia Oldtimer kaufte, ein Fulvia Coupé. „Den habe ich bis zur letzten Schraube zerlegt und restauriert“, berichtet der Berliner. Daraus entwickelten sich dann seine Aktivitäten in der Lancia Oldtimerszene, die in der Organisation der „Lancia Freunde Berlin“ und der „Lancia Fulvia und Flavia IG“ mündeten. In dieser Zeit habe ich so ziemlich jedes Modell besessen, das Lancia in den letzten 40 Jahren auf den Markt gebracht hat, meistens hatte ich mehrere Fahrzeuge gleichzeitig“, bekennt sich Kay Borck zu „seiner“ Marke. Als er dann 2001 bei einem IG-Kollegen erstmals eine Flavia Berlina sah, die der Mann sich kurz zuvor aus Neapel mitgebracht hatte, war es passiert: „Das war sozusagen Liebe auf den ersten Blick“, gibt Kay zu. „Es handelte sich um eine 1500er Ausführung der ersten Serie und damit um ein hierzulande extrem rares Teil, denn das Modell ist nie offiziell importiert worden. Also begann von diesem Moment an die Suche…“ Die wiederum demzufolge in Italien statt finden musste. Es sollte viel Zeit vergehen, bis Kay Borck das passende Exemplar fand, denn „wie das so ist bei Limousinen – keiner schätzt sie richtig und keiner hebt sie auf. Bei nur gut 28.000 gebauten Exemplaren, hergestellt von 1960 bis 1965, ist die Verfügbarkeit heute entsprechend gering.“ Nach vier Jahren fand Kay Borck schließlich – dem Internet sei Dank – eine ihm passend erscheinende Offerte. Im Frühjahr 2005 wurde im italienischen Ligurien eine blaue Flavia angeboten, die sich in gutem, weitgehend originalem Zustand befinden sollte. Kay aktivierte seine Kontakte und ließ den Wagen von einem Münchner Lancia-Freund begutachten, der in Italien zu überwintern pflegte. „Als ich dann am Telefon die detaillierte Beschreibung bekam, verbunden mit einer Kaufempfehlung, habe ich direkt die Reise für meine Frau und mich gebucht – nur hin, versteht sich!“ Ausgerüstet mit dem Kaufpreis und Überführungskennzeichen, suchte Kay den Verkäufer der Flavia auf, einen Sammler, der nach Thailand auswandern wollte. Der Mann fiel aus allen Wolken, als er hörte, dass sein Schätzchen die lange Reise nach Berlin auf eigener Achse absolvieren sollte: „Mamma mia, so viele Kilometer hat sie in den letzten zehn Jahren bei mir nicht gemacht!“ Die Überführung war indes kein Problem, aber sie sollte bis heute die längste Strecke bleiben, die der blaue Viertürer in Kays Besitz am Stück zurück legte. Ansonsten blieb es zunächst bei Wartungsarbeiten: Ersatz von Gummiteilen wie Antriebswellenmanschetten und Bremsschläuchen, mehr war für die H-Abnahme nicht zu tun. Später kamen die Überholung des Kühlers und kleine Blecharbeiten an einem vorderen Radlauf und dem Übergang zum Schweller hinzu. Aber ansonsten fuhr die Flavia, an die holländische Nordseeküste ebenso wie zu Treffen, quer durch die Republik völlig problemlos.

Das Schicksal ereilte mich dann während der Heimfahrt von der Stuttgarter Retro Classic nach Berlin“, berichtet Kay. „Plötzlich meinten die Zylinder Eins und Drei, es ginge auch ohne Kompression. Inzwischen ist der Motor komplett überholt, und meine Flavia erfreut sich wieder bester Gesundheit, trotz ihrer inzwischen 48 Jahre“. Das Fahrgefühl in der Flavia empfindet der gelernte Automechaniker, der sich sein Geld inzwischen als Betriebwirt mit einem Diplom als Management Ökonom verdient, nach wie vor als „genussvolles Erlebnis. Man reist entspannter, ruhiger und stressfreier als in einer modernen Limousine. Eine Reisegeschwindigkeit von 130 km/h reicht mir auch völlig aus, dabei wäre bei dem 1500er Boxermotor mit 78 PS noch einiges mehr drin!“ Nur auf Autobahnsteigungen wird das all gegenwärtige Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer am exotischen Italiener dem 42 jährigen manchmal doch lästig: „Wenn ich gerade mit Schwung einen 40 Tonner überholen will und plötzlich jemand neben mir aufschließt! Der überholt dann nämlich nicht, weil er ja gucken muss. Wenn er dann endlich vorbei ist, habe ich meinen Schwung verloren und hänge hinter dem Laster, sehe sich drehende Hälse und auf den Stirnen die eingemeißelte Frage: Was ist das bloß für ein Fahrzeug?“

So kann individueller Geschmack auch seine Schattenseiten haben…

von Michael Grote

 

Quelle: Carsablanca

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