Hannover – Phaeton weg, Touareg alt – die Krönung von VW heißt jetzt Arteon. Eine Fließheck-Limousine mit fünf Türen und rahmenlosen Fenstern, innen so groß wie ein Audi A7. VW ordnet den Arteon über dem Passat in der oberen Mittelklasse ein. Er soll das Prestige liefern, das sich VW bislang vom Phaeton erhoffte - und er soll gleichzeitig den CC ersetzen.
Auf solche Autos schauten die alten Chefs stets ganz genau. Doch ausgerechnet der Arteon ist das erste neue Auto bei VW, das ohne Abnahme von Martin Winterkorn startet. Das Design nickte er noch ab: Seit 2015 steht fest, wie das Auto aussieht. Damals stand die Studie VW Coupé GTE auf dem Automobilsalon in Genf. Aber wieviel WiKo steckt noch im Arteon?
VW Arteon: Patzer in der Mittelkonsole
Induktive Ladeschale in der Mittelkonsole: Viele Handys passen nicht hinein Quelle: Volkswagen
Ein unschönes Detail hätte er wohl kaum übersehen: Die induktive Ladeschale für Smartphones ist zu klein. Sie sitzt in der Mittelkonsole hinter einer Klappe. Dort blockiert die USB-Buchse den Raum, den ein großer Teil der kompatiblen Handys benötigen. Ein Samsung Galaxy S6 passt nicht hinein. Die meisten aktuellen Geräte bauen kaum kleiner.
Passen würden Smartphones mit weniger als 14 Zentimeter Höhe. Davon gibt es wenige. Ein größeres Fach ist nicht bestellbar. Das wäre aber besonders für den chinesischen Markt wichtig. Dort sind große Telefone („Phablets“) beliebt. Die passen erst recht nicht in das kleine Fach.
VW begründet den Patzer mit fehlendem Bauraum. Die Abteilungen würden um jeden Millimeter kämpfen. Kurios: Im kompakten VW Golf gibt es hier keine Probleme.
Passat-Cockpit im VW Arteon
Drum herum erlaubt sich VW keine Fehler, aber auch keine Experimente. Im Innenraum gleicht der Arteon dem VW Passat, im positivem und negativem Sinne. Armaturenbrett und Mittelkonsole stammen augenscheinlich unverändert vom Kombi. Das bedeutet angenehme Materialien, gute Haptik und tolle Verarbeitung. Und genau die gleiche Optik wie im 5.000 Euro günstigeren Auto, das nominell eine Klasse tiefer fährt.
Besonders schade: Das optionale Head-up-Display projiziert auf eine ausfahrbare Plexiglas-Scheibe. Eine Anzeige auf der Windschutzscheibe ist in der Umsetzung teurer, in dieser Klasse aber üblich. Hier hätte sich der Arteon weiter vom Passat entfernen können. Zumal der Passat bald die modernen Infotainment-Systeme des Arteon bekommt.
Abstand durch Größe und Assistenten
Die großen Motoren bekommen serienmäßig Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe Quelle: Volkswagen
Der Unterschied zum Passat kommt durch die Größe. Fast zehn Zentimeter überragt der Arteon den Passat Kombi in der Länge, bei knapp fünf Zentimeter im Radstand. Trotz der abfallenden Dachlinie sitzen große Erwachsene hinten bequem. Zwischen Knien und Vordersitzen bleibt genug Platz zum Lümmeln und Flezen. Verglichen mit einer Passat Limousine lädt der Arteon außerdem 161 bzw. 405 Liter mehr Gepäck ins Heck.
Abstand zum Passat kommt außerdem aus der Software: Die Assistenten im Arteon können mehr. Als zweites Modell der Marke (nach dem E-Golf) übernimmt er den prädiktiven Effizienzassistenten von Audi. Der zeigt frühzeitig an, wenn der Fahrer vor Kurven oder Tempolimits vom Gas gehen kann. Das spart im Leben abseits des Prüfstandes viel Sprit. Ist der Tempomat aktiviert, funktioniert das automatisch.
Ebenfalls hilfreich: Die Start-Stopp-Automatik startet den Arteon, wenn im Stau vor ihm ein Auto anrollt. Außerdem erweitert VW den Notfall-Assistenten. Reagiert der Fahrer nicht, zum Beispiel bei einer Bewusstlosigkeit, bremst die Software ab und steuert das Auto an den rechten Fahrbahnrand, wenn es der Verkehr zulässt. Ein Tick mehr Autonomie als bisher bei VW üblich.
Vorerst nur Vierzylinder im VW Arteon
Die Motoren im Arteon stammen dagegen aus Kompakt- und Mittelklasse. Seine stärksten Antriebe leisten 240 (Diesel) bzw. 280 PS (Benzin) aus je vier Zylindern. Allrad und Doppelkupplungsgetriebe gibt es dazu serienmäßig. Zum Start bietet VW außerdem einen Diesel mit 150 PS und Frontantrieb an. Langfristig folgen ein Benziner mit 150 PS sowie zwei Aggregate mit je 190 PS.
Langfristig könnte es einen Sechszylinder im Arteon geben Quelle: Volkswagen
Ein Sechszylinder (2,5 oder 3,0 Liter, ca. 350 PS) könnte kommen. Eigentlich ein Muss für die Klasse, VW hadert noch mit den Kosten. Bis dahin gibt es akustische Souveränität nur über künstlich verstärkte Ansauggeräusche. Im Innenraum brummt der große Benziner dann ein bisschen wie ein Golf GTI.
Mit den großen Antrieben beschleunigt der Arteon auch ungefähr auf diesem Niveau. Dämmung und Auslegung machen ihn leise und Komfortabel. Gut: VW bringt dem Doppelkupplungsgetriebe Manieren bei und verbessert vor allem den Komfort beim Anfahren. Nur das optionale Verstell-Fahrwerk („DCC“) könnte einen Tick sanfter federn. Am besten gefiel er uns der Testwagen mit dem Fahrwerk im Komfort-Modus und der Lenkung auf Sport.
Fazit
Die Plattform-Strategie bei VW setzt Grenzen. Fahrzeuggröße und –form lassen sich zwar gut und einfach skalieren. Am oberen Ende der Skala nerven jedoch Details, die bei kleineren Autos nicht stören - da sie auch weniger kosten. Ein Baukasten für fünf Fahrzeugklassen erfordert eben Kompromisse. VW verwendet den Modularen Querbaukasten (MQB) von Polo (Kleinwagen) bis Atlas (Fullsize-SUV).
Vermutlich hätte Winterkorn vieles davon akzeptiert. Er wollte über Baukästen Kosten senken und Vielfalt erhöhen. Das funktioniert in vielen Fällen. Beim Arteon fehlt an einigen Stellen aber der Abstand zu den Brot-und-Butter-VWs.
VW Arteon 2.0 TSI: Technische Daten
- Motor: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner
- Leistung: 280 PS (206 kW) bei 5.100 bis 6.500 U/min
- Drehmoment: 350 Nm bei 1.700 bis 5.600 U/min
- Getriebe: Siebengang-Doppelkupplung, Allradantrieb
- 0-100 km/h: 5,6 s
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Verbrauch: 7,3 l/100 km
- CO2: 164 g/km
- Testverbrauch: 8,6 l/100 km
- Länge: 4,86 m
- Breite: 1,87 m
- Höhe: 1,45 m
- Radstand: 2,84 m
- Leergewicht: 1.716 kg
- Kofferraum: 563 bis 1.557 l
- Preis: Ab 49.325 Euro (Ausstattung „Elegance“)