Von Haiko Prengel
Die Schönheit der Mark Brandenburg beschrieb schon Theodor Fontane, aber von diesem brachialen Sound ahnte der Dichter nichts. Zwei Waldspaziergänger schauen irritiert bis entsetzt. Aber langsam und bedächtig fahren geht nicht, dieses Auto will einfach getreten werden.
Dabei ist er ein Oldtimer, und zwar ein ganz besonderer: Wir sind an Bord eines Audi Quattro aus den frühen Achtzigern. Also aus der Zeit, als der Mythos Quattro seinen Anfang nahm. Allradgetriebene Autos bauen die Ingolstädter bis heute. Aber vielleicht nie wieder so schön wie das rassige Sportcoupé mit Reihenfünfzylinder und Abgasturbolader, auch Urquattro genannt.
Unser Testwagen ist ein ziemlich gelungener Rallye-Nachbau. Das passt, denn vor allem im Rennsport wurde der Audi Quattro zur Legende. Der Wagen fuhr der heckgetriebenen Konkurrenz sprichwörtlich davon, weil er technisch weit überlegen war. Audi hatte damals aber auch verdammt gute Fahrer. Allen voran Walter Röhrl.
„Der Lange“ aus Bayern gilt als einer der besten Rennfahrer aller Zeiten, am Dienstag wurde er 70 Jahre alt. Wie Röhrl die wilden Rallye-Jahre der 70er- und 80er-Jahre erlebte, hat er oft beschrieben. Doch wie fühlen sich die Autos von damals für uns Normalsterbliche an? Der etwas in die Jahre gekommene Benziner faucht ganz schön böse und scheint auch nach mehr als 30 Jahren nach Umdrehungen zu lechzen. „Das ist ein Drehzahlschwein“, wird uns bei der Übergabe gesagt.
Hannu Mikkola aus Finnland gewann 1983 zum ersten Mal mit einem allradgetriebenen Fahrzeug, dem Audi Quattro, die Rallye-Weltmeisterschaft. An seiner Seite saß Beifahrer Arne Herz Quelle: ausblenden / Marlene Gawrisch
Gute Quattros sind selten
Also Gaspedal durchgetreten und ab dafür, auch auf Sand und Schotter. So wie damals Walter Röhrl. Ich denke: Wahnsinn, diese Leistungsentfaltung. Im Drehzahlkeller geht gar nichts, aber ab etwa 2.000 Touren gibt es plötzlich Schub. Und so rasen wir – soweit es die Verkehrsregeln gestatten – mit einem Audi Quattro durch die Brandenburger Pampa.
Die Kurvenfahrten auf der Landstraße sind ein Vergnügen. Der 2,1 Liter große Fünfzylinder leistet 200 PS. So viel Leistung hat heutzutage praktisch jeder Vertreter-Passat, aber die 200 PS im Audi fühlen sich anders an. Ehrlicher. Satter. Mehr.
Es ist nicht einfach, einen Audi Quattro aus den frühen Achtzigern in gutem Zustand zu finden. Glücklicherweise hat René Scholz gleich zwei davon. Eigentlich ist der Händler aus Eggersdorf, eine halbe Autostunde östlich von Berlin, mit seinem Betrieb PS Autotechnik auf US-Klassiker spezialisiert.
Bei einer Reise in die Staaten stieß Scholz durch Zufall auf gleich zwei Quattro – und nahm beide mit. Denn von den nur knapp 11.500 Mal gebauten Audi Quattro sind heute nicht mehr viele übrig. „Und das meiste, was man in Deutschland findet oder über Belgien kommt, ist Schrott“, sagt Scholz.
"Der Urquattro zählt derzeit zu den Oldtimern mit dem größten Wertzuwachs und macht dazu noch einen Höllenspaß beim Fahren", sagt René Scholz von PS Autotechnik Quelle: ausblenden / Marlene Gawrisch
Quattro ließ den Hecktrieblern keine Chance
Sein brauner Urquattro, den er in seiner Halle stehen hat und für 40.900 Euro bei mobile.de anbietet, ist dagegen in ungeschweißtem Originalzustand. Der zweite „Uri“, unser Testfahrzeug, ist ein vollrestauriertes Rallye-Unikat und ein sogenanntes Rebuild des originalen Rennfahrzeugs aus den Achtzigern: Dazu gehören nicht nur Tieferlegung, Breitreifen und die sechs Zusatzscheinwerfer an der Front. Sondern auch auch die Namensaufkleber auf dem linken Kotflügel.
„H. Mikkola“ und „A. Herz“ steht da geschrieben. Hannu Mikkola war 1981 der erste Fahrer, der mit einem Audi Quattro bei einer Weltmeisterschaftsrallye startete. Walter Röhrl fuhr damals noch Porsche 911, ein Jahr später wurde er auf Opel Ascona 400 zum zweiten Mal Weltmeister. Doch nicht nur für Opel, für alle Hecktriebler der alten Schule gingen die erfolgreichen Zeiten damals zu Ende. Audis Allradler waren zu stark.
Dass Opel 1982 trotzdem noch die Nase vorn hatte, lag allein daran, dass die neuen Audi Quattro anfangs technisch sehr anfällig waren und oft ausfielen. 1983 gewann dann mit Hannu Mikkola aus Finnland zum ersten Mal ein Fahrer mit einem allradgetriebenen Fahrzeug, dem Audi Quattro, die Rallye-Weltmeisterschaft. An seiner Seite saß Beifahrer Arne Herz. In den Folgejahren rüsteten auch die anderen Rennteams ihre Fahrzeuge auf Allradantrieb um. 1984 stieg dann auch der zweifache Weltmeister Walter Röhrl bei Audi ein.
Aus dem Doppelauspuff kommt ordentlich Lärm, auch ohne Soundchip Quelle: ausblenden / Marlene Gawrisch
Der Wahnsinn der Gruppe B
Zu diesem Zeitpunkt war in der damaligen Rennserie Gruppe B bereits ein irres Wettrüsten im Gange. Mit jeder Evolutionsstufe bekamen die Rallyeautos noch einmal 50 oder 100 PS mehr, sodass die Gruppe-B-Boliden auf dem Höhepunkt der Saison 1986 über bis zu 500 PS verfügten. Gefahren wurde aber nicht wie bei der Formel 1 auf Asphalt, sondern auf Schotter, im Wald, auf Schnee und Eis und in der afrikanischen Savanne.
Das Bizarre war: Wegen der ständig verbesserten Aerodynamik schienen die Autos umso besser beherrschbar, je schneller man fuhr. Denn durch die Spoiler und Leitbleche stieg der Anpressdruck, wie Walter Röhrl im sehenswerten Film „Gruppe B: Der Ritt auf dem Feuerball“ erklärt: Je schneller du fährst, desto besser der Grip – und das auf Schotter!
Fantastischen Grip hat unser Test-Quattro auch, wenngleich wir natürlich nicht ansatzweise so viel Leistung unter der Haube haben wie Monster-Geschosse in der Gruppe B. Und es stehen nur zwei Waldspaziergänger Spalier, nicht Tausende Zuschauer. Auch wegen des irre gewordenen Publikums wurde die Gruppe B Ende 1986 verboten. Da es bei den Rennen kaum Absperrungen gab, liefen die Fans gerne auf die Strecke, um die Rennautos zu berühren. Beim WM-Lauf in Portugal raste der portugiesische Fahrer Joaquím Santos in einer Kurve ungebremst in die Zuschauermenge. Mehrere Menschen starben, Dutzende wurden verletzt.
Dieser braune Urquattro war 1982 Testfahrzeug der US-Zeitschrift "Car And Driver" Quelle: ausblenden / Marlene Gawrisch
Mit unserem Audi Quattro gehen wir natürlich nicht ansatzweise an die fahrerischen Grenzen. Im normalen Fahrbetrieb auf der Landstraße macht der Wagen auch schon höllisch Spaß. Und das Sportcoupé ist sogar alltagstauglich. Auf der Rückbank des Rallye-Nachbaus hat Händler Scholz schon seine Kinder platziert für eine Spritztour. Und in den Kofferraum passt eine Menge hinein. Vielleicht eignet sich der Audi Quattro als zivile Version, also ohne Rennaufbau, aber doch besser als Klassiker für den sportlichen Wochenendausflug.
Man sollte allerdings das nötige Kleingeld haben. Der Audi Urquattro zählt zu den Klassikern mit der höchsten Wertsteigerung in den vergangenen Jahren. Classic Data notiert den Marktpreis für Exemplare in Zustand 2 inzwischen mit 52.600 Euro – Tendenz weiter stark steigend. Für das Nachfolgemodell Audi Sport Quattro muss man sogar 300.000 Euro und mehr berappen. Dafür gibt es allerdings keine schönere Weise, die Landstraßen unsicher zu machen – in Brandenburg und überall.
Technische Daten: Audi Quattro (1980 - 1987)
- Motor: Fünfzylinder-Benziner mit Abgasturbolader
- Hubraum: 2,144 cm³
- Leistung: 200 PS (147 kW)
- Drehmoment: 285 Nm bei 3500/min
- Getriebe: Fünfgang-Handschaltung
- 0-100 km/h: 7,3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 224 km/h
- Verbrauch: ca. 12,0 l/100 km
- Leergewicht: 1.300 Kilogramm
- Länge: 4,404 m
- Breite: 1,723 m
- Höhe: 1,344 m
- Radstand: 2,524 m