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VW beschließt Sparprogramm - Jeder zweite Golf wird "verscherbelt"

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Mit der Präsentation der Zahlen fürs erste Halbjahr 2014 hat VW ein Sparprogramm angekündigt. Bis 2017 soll VW-Pkw fünf Milliarden Euro sparen. Geht das?

Noch läuft es gut für seinen Konzern. Aber bei der Marke VW muss Martin Winterkorn umsteuern Noch läuft es gut für seinen Konzern. Aber bei der Marke VW muss Martin Winterkorn umsteuern Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg - Wie erwartet, hat sich bei VW im ersten Halbjahr 2014 die Tendenz des Vorjahres verstärkt: Mit Porsche und Audi verdienen die Wolfsburger viel Geld, die Kernmarke um Polo, Golf und Passat wirft nur schwache Rendite ab. Ergebnis: Im ersten Halbjahr sank der Ertrag der Marke um ein Drittel auf etwa eine Milliarde Euro. VW will nun mit einem milliardenschweren Sparprogramm gegensteuern.

Ziel sei eine Rendite aus dem laufenden Geschäft von "mindestens sechs Prozent spätestens bis zum Jahr 2018", wie VW am Donnerstag mitteilte. Keine Kleinigkeit: Aktuell beträgt die Rendite bei VW etwa zwei Prozent, im ersten Quartal lag sie sogar nur bei 1,8 Prozent. Für den Ertragsrückgang um 500 Millionen Euro machte VW vor allem Verkaufsrückgänge in Südamerika verantwortlich. Dort brach der Umsatz des gesamten Konzerns um mehr als ein Viertel ein.

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn ließ erklären: "Unser Konzern ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Das bietet uns über alle Marken hinweg viele Möglichkeiten, effizienter zu werden und Synergien zu heben - dieses Potenzial werden wir nun vordringlich ausschöpfen." Einzelheiten nannte Winterkorn nicht.

Baukästen und Komplexität

Beobachter sehen als Hauptgrund für die Ineffizienz bei VW die hohe Komplexität. So halte VW bei 310 Automodellen 370 verschiedene Außenspiegel-Typen und 700 verschiedene Stoßfänger vor. Ein Insider sagt, der interne Wettbewerb zwischen den Marken, Audi gegen Porsche oder Skoda gegen VW, sei zwar gut fürs Produkt. Aber nicht zwingend fürs Geschäft.

Gegen die Komplexität soll vor allem die Baukastenstrategie helfen. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer sieht Winterkorns Lieblingskind kritisch: Durch die technische Ähnlichkeit kannibalisierten sich VW, Skoda und Seat gegenseitig, schreibt der Duisburger Professor. So solle selbst der günstige Skoda Fabia künftig "Merkmale aus der Premiumklasse" mitbringen - dies dränge die Kernmarke VW "immer stärker nach oben".

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer: In Deutschland wird jeder zweite Golf verscherbelt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer: In Deutschland wird jeder zweite Golf verscherbelt Quelle: dpa/Picture Alliance "Dass diese Strategie nicht aufgeht, zeigen die hohen Incentives, die VW mittlerweile einsetzen muss", schreibt Dudenhöffer. So werde in Deutschland mittlerweile jeder zweite Golf mit hohen Nachlässen "verscherbelt": Im ersten Halbjahr 2014 wurden 51 Prozent aller neu zugelassenen Golf auf Hersteller, Händler und Autovermieter zugelassen. Mit diesen Fahrzeugen verdient VW nur noch wenig Geld.

Sorgenkind Flexibilität

VW besitzt im Vergleich zur Konkurrenz eine hohe Fertigungstiefe, stellt also viele Komponenten selbst her. Das hat Folgen: Im Jahr 2013 setzte jeder Toyota-Mitarbeiter rechnerisch 565.787 Euro um, bei BMW waren es 689.237 Euro. Bei VW betrug der Umsatz je Mitarbeiter 343.937 Euro.

Weltweit beschäftigt Toyota nur 59 Prozent des Personals, das VW einsetzt. Für Wolfsburg bedeutet dies mehr Kontrolle über die Komponentenfertigung, aber auch weniger Flexibilität durch hohe Fixkosten.

"Das Modell VW ist durch große Flexibilitätsrisken gekennzeichnet. Nicht nur Größe, sondern die Flexibilität macht den Erfolg im Automobilgeschäft aus", schreibt Ferdinand Dudenhöffer. Er glaubt deshalb: "Die Position, in welche die Kernmarke VW manövriert wurde, ist mit einem klassischen Kostensenkungsprogramm nicht lösbar."

Update: VW holt den Entwicklungschef von BMW Herbert Diess in den Vorstand. Dieser soll die Kernmarke VW-Pkw rentabler machen.

Quelle: dpa/bmt

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