Schon mal von der informa Insurance Risk and Fraud Prevention GmbH gehört? Nein? Das muss nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Dieses Unternehmen betreibt im Auftrag der Versicherungen das seit 1993 bestehende Hinweis- und Informationssystem der deutschen Versicherungswirtschaft (HIS) und hat derzeit nach eigenen Angaben rund 5 Millionen Datensätze gespeichert. Nun können Verbraucher eine Auskunft verlangen. Hinter den etwa 5 Millionen Datensätzen stehen Menschen, denen in der Vergangenheit von einer Versicherung Leistungen ausbezahlt wurden. Sei es weil ein verunfalltes Auto als wirtschaftlicher Totalschaden galt, sei es dass jemand einen entstandenen Schaden nicht mehr reparieren lassen sondern sich per fiktive Abrechnung in bar auszahlen ließ. Die Daten werden von den Versicherern an den Auskunftei-Betreiber gemeldet und dort gespeichert. Mit einem Knopfdruck kann dann jeder Versicherer auf die Daten zugreifen. Als schwarze Liste möchte die Versicherungsbranche das HIS auf keinen Fall verstanden wissen, auch der Betreiber, eine eigenständige Tochter von "arvato infoscore", lehnt diese Bezeichnung ab: Es handle sich nicht um eine „Betrügerdatei“. Ein Eintrag löse keinen Automatismus aus, sondern sei lediglich „Signal, bestimmte Vorgänge in der Bearbeitung näher zu betrachten“, führt das Unternehmen auf seiner Homepage aus. Für Entscheidungen über Vertragsabschlüsse und Regulierungen will man genau deshalb auch keine Verantwortung übernehmen: Die Datenbank stütze lediglich den Entscheidungsprozess des Versicherers. Datenschutz: Datenbank ist schwarze Liste Nun ist aber das nach Ansicht der meisten, die sich ernsthaft mit Datenschutz beschäftigen, genau die Definition einer schwarzen Liste – egal, wie der Betreiber es am Ende nennt. Denn wie eine Versicherung solche Daten nutzt und interpretiert, ist überhaupt nicht nachprüfbar. Am HIS-System der Versicherungen sind aus Sicht von Datenschützern zwei Punkte besonders kritikwürdig. Erstens: Die Gefahr komplexer "Sünderprofile" durch die Verknüpfung mit anderen Datenbanken wie der der Schufa. Zwar behauptet der Betreiber des HIS, eine solche Verknüpfung sei durch die getrennten Datenbestände nicht möglich. Da aber z.B. die Kfz-Versicherungsbranche sowohl eine Schufa-Auskunft einholt als auch natürlich das HIS abfragt, ist diese Aussage praktisch wertlos. Jetzt neu: Recht auf Auskunft seit April 2011 Das zweite große Problem, das Datenschützer mit dem Informationssystem der Versicherungen hatten, war bisher die fehlende Transparenz. Auskünfte an Versicherungsnehmer, welche Daten über sie gespeichert sind, waren bislang nicht vorgesehen. Das hat sich nun endlich geändert: Eine Selbstauskunft ist für jeden möglich und einmal im Jahr kostenlos. Warum? Ganz einfach: Das alte System der für den Verbraucher streng geheimen Datenbank war nicht mehr konform mit den Datenschutzbestimmungen. Eine Neuerung ist auch, dass bei jeder Meldung, die eine Versicherung ins HIS einstellt, auch der betroffene Verbraucher informiert werden muss. Eine Beschwerde ist dann möglich, wenn man der Meinung ist, die Meldung sei unberechtigt oder die Daten falsch. Ein Recht auf Löschung entsteht daraus aber nur, wenn der Eintrag nachweislich falsch ist. Auch kann die Aufnahme einer Meldung in die Datenbank derzeit nicht verweigert werden. Vorteile für Versicherte Trotz nach wie vor bestehender Mißstände bringt das transparentere Verfahren für Versicherte klare Vorteile. Sie können nun z.B. vor einer Schadensregulierung eine Selbstauskunft verlangen und so verhindern, dass eine Schadensregulierung wegen „Verschweigens“ eines lange vergessenen Vorschadens abgelehnt wird – denn dieser wird ja durch die Versicherung ebenfalls im HIS abgerufen. Auch lässt sich nach Angaben der Experten von Unfall-Zeitung.de mit diesem Instrument künftig prüfen, ob ein Gebrauchtwagen eine Unfallvorgeschichte hat. Es wird insbesondere Anwälten für Verkehrsrecht und Kfz-Sachverständigen empfohlen, den Zugang zu diesen Informationen für ihre Mandanten aktiv zu nutzen. (bmt) Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 10.04.2011
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