Mit dem Toyota MR 2 hatten die Japaner ab Mitte der Achtziger ein überraschend heißes Eisen im Feuer. Der inzwischen rare Mittelmotor-Sportwagen sorgt noch heute für mächtig Spaß auf Deutschlands Landstraßen. Eine Landstraße in der bayerischen Provinz. Das schmale Asphaltband folgt leidenschaftlich der gewellten Topographie, windet sich in lang gezogenen Kurven um Äcker und über Hügel. Später schlägt es unzählige Haken, eine Schneise durch einen Wald und gleich darauf noch eine durch ein Dorf. Dessen Namen kennt ganz bestimmt niemand, der nicht von hier stammt. Toyotas Konstrukteure müssen dagegen bis ins letzte Detail von den Eckdaten dieses Landstrichs gewusst haben. Nur so lässt sich das Talent eines Toyota MR 2 auf diesem Terrain erklären, der hingebungsvoll selbst die schärfsten Rechts-Links-Kombinationen vernascht (mehr zu eventuellen Nebenwirkungen später). Messerscharf geschnittener MR2 wird Car of the Year Von den Passanten, an denen der kantige Japaner vorbeihetzt, würden vermutlich die wenigsten auf einen Toyota tippen. Die messerscharf geschnittene Keilform mit der flachen Schnauze erinnert kaum an das, was Mitte der Achtziger bei diesem Hersteller sonst noch so vom Band gefallen ist und Starlet, Corolla oder Carina heißt. Dem roten Toyota MR 2, der mit dem Flügelwerk von der Größe einer Kneipentheke auf dem knackigen Hintern und einem weiteren Dachspoiler aus Acryl ein wenig angeberisch daherkommt, bleibt ein Mädchenname zum Glück erspart. Der heißt fortan technisch-sachlich "Mid-ship engine, reardrive, two-seater" - was für Mittelmotor, Hinterradantrieb und zwei Sitze steht und zumindest im Englischen mächtig eindrucksvoll klingt. Für die Kurzform MR 2 spricht, dass man sie sich auch hierzulande ohne größere Fremdsprachenkenntnisse merken kann. Was man gefälligst auch tun sollte. Denn der 1984 in Tokio präsentierte Sportler entpuppt sich als Karrierist, der vom Stand weg in Japan den Titel "Car of the Year" kassiert. Und gleich darauf in den USA für Aufregung sorgt, wohin der weitaus größte Teil der Produktion geht. Auf den Highways ist schnelles Fahren ja nicht mehr erlaubt. Aber zum Glück beschwert sich niemand, wenn man schnell aussieht. Und auf einmal hat - Ironie der Geschichte - ein Sportwagen die Ölkrise auf seiner Seite: Ein 1,6-Liter-Vierzylinder ist plötzlich selbst dort attraktiv, wo zuvor die Existenz von Motoren mit weniger als acht Kolben von vielen hartnäckig für ein Gerücht gehalten wurde. Nun stehen sie in Nordamerika Schlange - allen voran die Kinderlosen, für die ein Kombi oder eine Limousine ebenso wenig in Frage kommt wie Urlaub auf dem Ponyhof. Zuverlässiger Corolla-Vierzylinder Denn mehr als 3.000 Exemplare pro Monat rückt der Konzern drüben nicht heraus. Zurück von der nordamerikanischen Prärie ins bayerische Land, das wie ein halluzinogener Wischeffekt vorbeifliegt. Bummeln fällt einem Toyota MR 2 in etwa so schwer wie Kaffee kochen. Die Gegner waren bei der Einführung 1985 dann auch rasch ausgemacht: VW Scirocco GTX, Porsche 924 oder Honda CRX. Mit dem vom Corolla entliehenden, drehfreudigen wie zuverlässigen 16-Ventiler hatte Toyota für den rund 1.000 Kilogramm schweren MR 2 einen ziemlich schlauen Griff ins Regal getan. Dass diese Maschine bis dahin über 300.000 Mal montiert worden war - Schwamm drüber. Denn antriebstechnisch fuhr der Toyota MR 2-Eigner auf einmal in einer wesentlich exklusiveren Liga: Einen Motor vor der Hinterradachse gab's bisher nur bei den Supersportwagen. Oder eben beim Fiat X 1/9 sowie beim VW-Porsche 914. MR 2 läuft wie von einer Schnur gezogen Toyotas Werbestrategen durften in den Prospekten ausnahmsweise richtig dick auftragen: ?Die Souveränität eines Mittelmotorprinzips können Sie regelmäßig bei den Übertragungen von Formel 1-Rennen sehen."So etwas kommt an Stammtischen immer gut an. Stichwort Gewichtsverteilung. Rein theoretisch müsste ein Toyota MR 2 als Handlingswunder durchgehen, weil 45 Prozent des Gewichts auf der vorderen Achse und 55 Prozent auf der hinteren lasten. Ein tiefer Schwerpunkt und die Konzentration der Massen in der Wagenmitte - so sehen Sieger aus. Wie gesagt - in der Theorie. Die Praxis ist geiler. Entweder sind unterm Asphalt Schienen verlegt. Oder ein Toyota MR 2 läuft tatsächlich wie von einer Schnur gezogen. Bestenfalls ein leichtes Untersteuern. Das Gefühl, dass da noch mehr geht, schafft Vertrauen. Mit dem größten Vergnügen hält man mit der Joystick- artigen Schaltung das wenige Zentimeter hinter den Sitzen quer eingebaute Triebwerk in Laune. Bei 4.800 Umdrehungen beginnt der Spaßmodus - und die Suche nach dem Grenzbereich. Die ist mit einem mal wieder so spannend wie die Annäherung damals beim allerersten Date - es braucht viel Feingefühl, um trotz aller Leidenschaft die Grenze des Erlaubten nicht zu überschreitem. Kommt es dennoch dazu, wird dies in beiden Situationen bittere Konsequenzen zur Folge haben. Die Angebetete wird ganz bestimmt das Weite suchen. Ein Fahrzeug mit Mittelmotor, das einmal ins Trudeln gekommen ist, ebenso. Viele Toyota MR 2 der ersten Baureihe (AW 11) litten gleich nach der Einführung unter massiver Kaltverformung. Von denen, die bis heute überlebt haben, fristen die meisten ein tragisches Dasein. Im Innenraum wird's heiß Verdonnert als Bienenfänger, rollen sie verspoilert und kotflügelverbreitert von einem Landdiscoparkplatz zum nächsten. Das rote Fotomodell im seltenen Originalzustand stammt aus dem privat geführten Toyota-Museum bei Bad Füssing. Dort soll es auch möglichst unverschrammt wieder hin. Also Tempo runter, was Überwindung kostet. Der Motor, das weiß die Besatzung inzwischen, führt seine Hitze größtenteils in die Kabine und hoffentlich auch durch die Entlüftungsgitter hinter der Beifahrertür und auf der Haube ab. Die zweite Öffnung im Heck verbirgt einen Schacht, der großzügig geschätzt das Volumen von sechs Handschuhfächern aufweist. Mehr Gepäck, als da hineingeht, sollte nicht eingeplant werden, weil sich auch unter der vorderen Haube keine ernst zu nehmende Ladefläche befindet. Denn dort wohnen bereits das Ersatzrad und zwei Wasserkühler, die über ein Leitungssystem, das vermutlich einem Einfamilienhaus gerecht werden würde, die Kraftquelle mit Kühlwasser versorgen. Die letzten Kilometer. Die einsame Straße wirft sich noch einmal richtig ins Zeug. Egal. Der rechte Arm urlaubt auf dem Mitteltunnel, der wie eine Mauer aufragt, weil sich darunter das 41 Liter fassende Benzinfass befindet. Die Tankuhr links neben Drehzahlmesser und Tacho signalisiert bereits das nahende Aus dieser Dienstfahrt. Die Frage nach einer Tanke erübrigt sich. Wer nicht von hier stammt, wird sich den Namen des nächsten Dorfs ohnehin nicht merken können. Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 22.08.2011
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