Geräuschdesign im Auto – ein alter Hut. Jetzt, wo die Hersteller zunehmend die besonders leisen Elektroautos auf den Markt bringen wollen, haben die Geräuschdesigner eine neue Herausforderung zu bewältigen. Denn Elektromotoren klingen von Haus aus nach … nichts. Wozu muss ein Fahrzeug, das an und für sich besonders leise, praktisch unhörbar, fahren kann, ein Geräuschdesign erfahren? Zunächst einmal: Der Sound ist ein wichtiges Erkennungsmerkmal. Er ist ein Kaufgrund. Daneben aber, vermutlich noch entscheidender: Das Motorengeräusch dient anderen Verkehrsteilnehmern als Orientierung. Hören können Fußgänger und Radfahrer 360 °, das Sichtfeld ist im Vergleich dazu stark eingeschränkt. Insbesondere Blindenverbände fordern, nachdem die ersten Hybrid-Fahrzeuge in größerer Zahl unterwegs sind, dass die Autos dringend ein Geräusch brauchen. Toyota forscht mit Lautsprechern Toyota beispielsweise hat u.a. seine englische Tochter Lotus mit der Aufgabe betraut. Die Briten haben einen Toyota Prius Hybrid auf Basis des Gegenschall-Prinzip mit einer Geräuschquelle ausgestattet. Sie platzierten einen wasserdichten Lautsprecher hinter dem Kühlergrill und spielten darüber abhängig von der Geschwindigkeit das Geräusch eines konventionellen Motors ab. Vorteil dieser Methode: Man kann den künstlichen Klang nur von vorne hören. Fußgänger werden gewarnt, Anwohner aber kaum belästigt. Auch der Fahrer hört kaum etwas von dem künstlichen Geräusch. Mercedes-Benz sucht den emotionalen Sound Bei Mercedes-Benz fände man genau das nicht zufriedenstellend. Dort will man im Grunde das typische Geräusch eines Elektromotors beibehalten, der Fahrer müsse wissen, was er fährt. Dies sei schließlich ein Teil des emotionalen Erlebnisses Automobil, so Ulrich Mellinghoff, Leiter der Pkw-Gesamtfahrzeugentwicklung Mercedes-Benz. Auch bei Mercedes-Benz will man aber das Klangbild noch optimieren, wenn auch offenbar stärker mit dem Fahrer im Fokus als dies bei Toyota der Fall ist. Dieser soll nach Vorstellung der Schwaben die Kraft erleben, über die er verfügt - und dazu gehört eben auch hören Im Geschwindigkeitsbereich zwischen Null und 25 km/h sind Elektroautos aus sich heraus nahezu geräuschlos. Das ist der Geschwindigkeitsbereich, in dem das fehlende Geräusch sicherheitsrelevant ist. Darüber erzeugen dann Abrollgeräusche und Fahrtwind einen Geräuschpegel, der sich nicht wesentlich von einem konventionellen Fahrzeug unterscheidet. Audi orientiert sich an Hollywood Bei Audi ist Dr. Ralf Kunkel, Leiter Akustik der Audi AG, mit demselben Problem befasst. Nicht nur bei Audi sieht man natürlich die Vorteile der „quiet cars“, auch Lärmbelastung ist umweltrelevant, und die ist hier vor allem im Stadtverkehr praktisch nicht mehr vorhanden. Man sieht aber auch die Nachteile, insbesondere die sicherheitstechnischen: Menschen, die schlecht sehen oder abgelenkt sind, können ein Auto leicht übersehen. Auch bei Audi forscht man daher intensiv am Klangdesign des Audi e-tron. Dabei geht es Kunkel, ähnlich wie seinem Stuttgarter Kollegen, nicht nur um die Sicherheit. Auch die Frage, wie ein Audi in Zukunft klingen soll, wird intensiv erforscht. Der Balanceakt ist dabei gar nicht so einfach, schließlich wollen die Geräuschdesigner sich nicht einfach am Verbrennungsmotor orientieren und etwa per Lautsprecher wahlweise sonores V8-Gebrumme, das Heulen eines Boxermotors oder LKW-Nageln abspielen – auch wenn das sicher in Maßen ein künftiger Markt wäre. Vielmehr ist es das Ziel der Geräuschdesigner, dem Modell einen eigenen Sound zu geben, der auch nach innovativem Elektrofahrzeug klingt – auch wenn es diesen Ton als Motorgeräusch technisch gesehen gar nicht in ausreichender Lautstärke gibt. Vielmehr treten im Elektrofahrzeug Töne in den Vordergrund, die man im konventionellen PKW kaum wahrnimmt, beispielsweise Fahrtwind in den Radkästen und die Klimakompressoren. Das kann es nicht sein, ist die einhellige Meinung der Sounddesigner. Bei Audi orientiert man sich derzeit an der Unterhaltungsbranche: „Es wird in jedem Fall neu und ungewöhnlich. Der Audi RSQ aus dem Hollywoodfilm ‚I, Robot’ zeigt, wie ein Audi in Zukunft klingen könnte“, sagt Ralf Kunkel. Von Tom Kedor
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 02.11.2010
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