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Klage in USA: Kohlenmonoxid-Vergiftung wegen Pkw-Zündung - Keyless-Systeme: Die unterschätzte Gefahr?

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Vor einem US-Bundesgericht wurden zehn Autohersteller angeklagt, weil sich Motoren in der Garage nicht von allein abstellen. Die Kläger befürchten tödliches Kohlenmonoxid.

Gefährliche Startknöpfe? Per Sammelklage wollen Kunden durchsetzen, dass sich Motoren künftig von allein abschalten Gefährliche Startknöpfe? Per Sammelklage wollen Kunden durchsetzen, dass sich Motoren künftig von allein abschalten Quelle: BMW

Los Angeles – Eine Kohlenmonoxidvergiftung sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Im schlimmsten Fall endet sie tödlich. Bei mancher Nachricht aus dem Land der unbegrenzten Konsumentenklagen wundert man sich dennoch: Sind US-Autofahrer vom Tode bedroht, weil sie nicht in der Lage sind, ihr Auto auszuschalten?

Beim Bundesgericht in Los Angeles wird folgende Sammelklage erhoben: Zehn große Autohersteller sollen sich verantworten, weil bei fünf Millionen Autos mit schlüsselloser Zündung das Risiko einer Kohlenmonoxidvergiftung bestehe. Das berichtet die US-Nachrichtenagentur Reuters. Autofahrer würden ihr Fahrzeug beispielsweise in der Garage abstellen und davon ausgehen, dass der Motor sich selbständig abschalte.

Dies könne, der Klage zufolge, tödliche Folgen haben. Zum Beispiel, wenn zwischen der Garage und dem Eigenheim des Autofahrers ein Luftaustausch besteht. Unter diesem Fehler leide auch der Wiederverkaufswert der Fahrzeuge.

Schlüsselloser Zündknopf: Mit dieser Ausstattung besteht einer aktuellen Klage zufolge das Risiko einer Kohlenmonoxid-Vergiftung Schlüsselloser Zündknopf: Mit dieser Ausstattung besteht einer aktuellen Klage zufolge das Risiko einer Kohlenmonoxid-Vergiftung Quelle: Ford Die Klage richtet sich gegen BMW/Mini, Mercedes-Benz, Fiat-Chrysler, Ford, General Motors, Honda, Hyundai/Kia, Nissan, Toyota und Volkswagen. Das lebensgefährliche Risiko schlüsselloser Startsysteme sei diesen Herstellern lange bekannt, führt die Klage aus.

Ford hält System für sicher und zuverlässig

Die klagenden Anwälte führen 13 Todesfälle auf das Problem zurück. Seit 2009 seien 27 Beschwerden bei der Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA eingegangen. Insgesamt führen US-Behörden 430 Todesfälle jährlich auf ungewollte Kohlenmonoxidvergiftungen zurück.

Die Anwälte fordern den Einbau einer automatischen Motorabschaltung, sobald ein Startknopf für den Motor im Auto vorhanden ist. Außerdem wünschen sie sich Kompensationen für Wertverluste sowie Straf- und Schmerzensgeldzahlungen.

Als bisher einziger Hersteller äußerte sich Ford zu dem Thema: Man nehme das Thema Sicherheit sehr ernst. Schlüssellose Zündungen hätten sich jedoch als sicher und zuverlässig erwiesen. Daimler wollte sich bisher nicht äußern: Die Klage sei noch nicht zugestellt, sagte eine Daimler-Sprecherin am Donnerstag in Stuttgart.

Typisch Amerika?

An europäischen Gerichten wäre der Fall vermutlich keiner. Das Abschalten des Motors erfolgt bei einer schlüssellosen Zündung schließlich mit demselben Knopf, der auch den Motor startet. Wer ihn nicht drückt, hat sein Auto eben nicht abgeschaltet und sollte erwarten, dass der Motor weiterläuft.

Audi entwickelte wegen Bedienfehlern von Kunden ein System, das das Einlegen der Fahrstufe nur bei getretener Bremse erlaubt Audi entwickelte wegen Bedienfehlern von Kunden ein System, das das Einlegen der Fahrstufe nur bei getretener Bremse erlaubt In den USA nehmen Hersteller solche Klagen nicht auf die leichte Schulter. Am selben kalifornischen Bundesgericht musste sich Toyota seinerzeit wegen ungewollt beschleunigender Fahrzeuge verantworten und stimmte 2013 einem Vergleich über 1,6 Milliarden US-Dollar zu. Dabei handelte es sich vermutlich um Bedienungsfehler.

Ein Bedienungsfehler lag auch einem älteren Fall „ungewollter Beschleunigung“ zugrunde: 1986 rief Audi deswegen mehr als 130.000 Fahrzeuge zurück. Mit einer Automatik ausgestattete Autos von Audi sollen plötzlich und ohne Grund beschleunigt haben. Gestoppt wurden sie erst von einem Hindernis, Menschen wurden überrollt und zu Tode gefahren.

Hohes Risiko für Autohersteller

Die verzweifelten Audi-Ingenieure entdeckten keinen technischen Fehler. Die Automatik war technisch veraltet, funktionierte aber wie vorgesehen. Dennoch galt Audi in den USA plötzlich als unsicher, die Umsätze brachen ein.

Der damalige Chefentwickler Ferdinand Piëch fand schließlich die Lösung: Offenbar hatten Autofahrer nach Einlegen der Fahrstufe „D“ das Gaspedal mit der Bremse verwechselt. Seine Lösung: Eine Sperre, die das Einlegen der Fahrstufe für Vorwärts- oder Rückwärtsgang nur erlaubt, wenn der Fuß auf der Bremse steht.

Unter dem Imageschaden litt Audi in den USA noch lange, und verkauft bis heute deutlich weniger Autos als Mercedes oder BMW. Wir Europäer mögen den Amerikanern also zurufen: Ihr fliegt zum Mond und bald zum Mars. Aber Ihr könnt Euer Auto nicht ausschalten? Für die Autobauer bedeutet dieses Unvermögen trotzdem ein hohes Risiko.

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