Erding - Die Route 66 fängt gleich hinter Erding an. Zumindest für Christian Fragner. Denn der Fahrlehrer aus dem Großraum München ist nicht wie die meisten seiner Kollegen in einem VW Golf oder einem BMW 1er unterwegs. Fragner sitzt hoch über dem Asphalt am Steuer eines Freightliner FLC 120, als wolle er auf der Mutter aller US-Highways von Küste zu Küste kutschieren.
Hunderte Fahrschüler wurden zu echten Truckern
Christian Fragner hat seinen Freightliner vor rund 30 Jahren nach Deutschland geholt Quelle: SpotPress
Den Laster mit der langen eckigen Haube, dem riesigen Chromgrill und den haushohen Auspuffrohren hat der Bayer vor fast 30 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder aus Amerika geholt und zum Werbeträger für die Fahrschule der Familie gemacht. Warum auf einem Mercedes oder MAN lernen, wenn es auch ein US-Truck sein kann? Mittlerweile haben die Brüder hunderte Fahrschüler zu Truckern gemacht.
Genau wie Fragner selbst haben viele von ihnen als Kind den Film „Convoy“ gesehen und träumen davon, einmal auf dem Bock eines US-Trucks zu sitzen. Aus diesem Grund ist der Freightliner von Fragner mehr als nur ein Schulungsfahrzeug. Er ist ein ganz besonderer Mietwagen mit eingebautem Beifahrer, ein Traumwagen mit Trainer.
Auch ohne Führerschein auf den Bock
„Für Preise ab 169 Euro kann sich bei uns jeder seine Trucker-Träume erfüllen und selbst eine Unter der langen Haube arbeiten 16 Zylinder Quelle: SpotPress
Stunde am Steuer sitzen.“ Als ausgebildeter Fahrlehrer darf Fragner auch Pkw-Fahrer unter seinen wachsamen Augen durch den Straßenverkehr kreuzen lassen.
Selbst ohne Führerschein kann man sich mit Fragner an der Seite vorübergehend zum King of the Road krönen lassen. Dafür fährt er mit seinem Schüler auf ein ehemaliges Militärgelände, das als private Brachfläche genügend Straßen für einen ausgewachsenen Männerspielplatz bietet.
Mit dem Starten des Motors fangen die Probleme an
Die abgelegene Strecke ist gar nicht schlecht für die ersten Kilometer. Denn der schwarze Riese macht es Laien am Lenkrad nicht leicht. Das wie ein altdeutsches Wohnzimmer aussehende Cockpit ist zwar relativ übersichtlich. Doch die wichtigsten Schalter sind mit kleinen Aufklebern auf dem abgegriffenen Furnier beschriftet.
Und wer den Startknopf für den riesigen Diesel drückt, ist plötzlich Herr über ein Kraftwerk mit sechs Zylindern, 16 Litern Hubraum, 440 PS und 2.800 Newtonmetern. Und damit fangen die Probleme erst an. Schalten, Einkuppeln, Gasgeben und Losfahren – was manche Fahrschüler schon in einem Ford Fiesta schier zur Der Diesel des US-Trucks leistet 440 PS Quelle: SpotPress
Verzweiflung bringt, ist im Freightliner eine echte Herausforderung. Kein Wunder, dass der Koloss bei den ersten Versuchen fast zum Känguru wird und peinlich über die alte Panzerstraße hoppelt.
Franger lässt sich nicht aus der Ruhe bringen
Wenn man sich daran gewöhnt hat, dass man das Lenkrad von Anschlag zu Anschlag volle sechs Mal drehen muss, sollte man sich schon bald wieder Gedanken übers Anhalten machen. Denn man braucht schon den Weitblick eines Tanker-Kapitäns, um den Freightliner unter dem lauten Zischen der Druckluft-Bremsen punktgenau in den Stand zu zwingen.
Fragner ist bei diesem Treiben die Ruhe selbst. In seinem Berufsleben hat er schon so viele nervenzehrende Momente erlebt, dass ein Laie am Lenker seinen Puls nicht in die Höhe treiben kann. Unfälle habe es bei den Truck-Träumereien bislang keine gegeben. Und Pannen Das Cockpit mit Echtholz-Armatur ist übersichtlich Quelle: SpotPress
auch nicht, sagt der bayerische Behelfs-Cowboy: Sein Laster hat jetzt mehr oder minder klaglos schon drei Millionen Meilen gehalten.
Von Erding in die USA
Sollte der Freightliner irgendwann doch einmal den Dienst quittieren, dann ist das auch keine Katastrophe. Denn mittlerweile ist der US-Truck so gut gebucht, für Fahrstunden, Junggesellenabschiede und Betriebsfeste, dass die Fragners längst einen zweiten Ami nach Erding importiert haben. Außerdem werden sie den Job wohl ohnehin nicht mehr lange machen. Denn irgendwann muss jeder echter Trucker auf die Route 66.