Ein MG TA Tickford sollte es sein. Schon die ganz "gewöhnlichen"T-Modelle von MG erfreuen sich in der Oldtimer-Szene großer Beliebtheit. Bernd Sander aus Salzgitter wollte allerdings nicht irgendeinen T. Er suchte etwas ganz Besonderes und fand es in Form eines MG TA Tickford - allerdings ein Restaurierungsobjekt. Vor dem MG TA Tickford hatte Bernd Sander Mit Sprühdosen hat er mal ein Auto lackiert, aber das war eine Jugendsünde und liegt lange zurück. Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre half Bernd Sander während seiner Schulzeit in der elterlichen Tankstelle aus. Besonders Sportwagen weckten die Begeisterung des jungen Mannes. Feuer und Flamme für die MG-Modelle - im Wortsinn Mit dem wenigen Geld, das er besaß, ließ sich aber gerade mal der eine oder andere marode britische Roadster an Land ziehen. "Ich habe die Dinger aufgemöbelt und bald darauf wieder verkauft", erinnert sich Sander. Noch heute sieht er jenen MG TF vor sich, den ein Freund nach seiner Zeit als Austauschschüler in den USA von dort mitgebracht hatte. Wegen des bevorstehenden Wehrdienstes musste der Bekannte sich von dem Wagen trennen, und der Käufer hieß Sander. Es wurde eine heiße Begegnung, denn während einer Ausfahrt lief einer der beiden SU-Vergaser über - plötzlich brach Feuer im Maschinenraum aus. Glücklicherweise passierte das im Winter, und Sander löschte die Flammen mit Schnee. Trotzdem hatte sich der beige Lack stellenweise in eine schwarze Kruste verwandelt. Kurzerhand fuhr Sander zur heimischen Tankstelle, schliff den Wagen ab und griff sich einige Sprühdosen mit roter Farbe, denn Familie Sander betrieb auch ein Geschäft mit Farben und Tapeten. Immerhin, die Lackierung fiel so gelungen aus, dass sein Freund den Wagen im Anschluss an seinen Wehrdienst wieder zurückkaufte. Es musste ein besonderes Auto sein - ein verfaulter TA Tickford Mit der Zeit baute Sander seine Schrauberfähigkeiten aus. Er kaufte weitere Autos und restaurierte sie, bald befriedigten die Arbeiten des Hobby-Schraubers auch höhere Ansprüche. Doch zunächst zog er einen Schlussstrich und legte den Schwerpunkt auf Familie und Beruf. In den 80er Jahren wurde er wieder rückfällig, wobei er sich nun auf die Marke MG konzentrierte. Mehrere Autos dieses Herstellers baute er auf, darunter einen TF, einen TC und ein MG A Coupé. Die dabei investierte Arbeit stand in keinem Verhältnis zum Marktwert des jeweiligen Autos. Das bereitete Sander zwar keine Kopfschmerzen, denn er wusste, dass es vielen so ging. Dennoch wollte er einmal seine Künste an einem selteneren und wertvolleren Objekt versuchen. Die Wahl fiel auf einen MG TA oder TB Tickford. Er beauftragte einen Händler mit der Suche, und der fand tatsächlich nach etwa einem Jahr das Wunschobjekt: Einen MG TA Tickford, Baujahr 1939, der nach rund 30 Jahren im Besitz eines Briten nun wieder zum Verkauf stand. Und dieser MG TA Tickford war die perfekte Restaurierungsbasis. Erster Lack, kompletter Zustand, aber arg mitgenommen, lautete die erste Diagnose. Bei der Zerlegung des urigen Gefährts stellte Sander fest, dass der Vorbesitzer den MG TA Tickford offenbar mit dem geringst möglichen Aufwand am Leben gehalten hatte. Das wurde ihm spätestens beim Anblick der Reifenschläuche klar: "Da hatte keiner weniger als 20 Flickenstücke." Die unteren Bereiche der MG TA Tickford-Karosserie waren verfault, die Bodenbretter nur partiell repariert, und zwischen den beiden Lagen des teilweise gerissenen Verdecks fanden sich Nüsse und Kastanien, offenbar der Vorrat eines Nagetiers. In die beiden Sitzkissen hatte Tickford einst Luftkissen eingearbeitet, die man über einen langen Schlauch aufblasen konnte, wenn etwas mehr Bequemlichkeit gefragt war. Doch die Kissen waren verklebt und unbrauchbar. Stattdessen hatte der Vorbesitzer des MG TA Tickford auf die Federeigenschaften mehrerer Ausgaben der Times vertraut, die als Sitzpolsterung dienten. Ratsam: Viel Platz und mehrere Ersatzteilkataloge Nach Demontage der Karosserie begann Sander mit der Aufarbeitung des MG TA Tickford-Chassis. Den Rahmen und andere größere Teile gab er zum Sandstrahler, für kleinere Komponenten konnte er seine eigene kleine, selbst gebaute Kabine benutzen. Die gestrahlten Teile des MG TA Tickford wurden danach mit Rostschutzfarbe behandelt und dann lackiert. Den noch originalen Vierzylindermotor, den viele MG TA Tickford-Besitzer durch das spätere, kurzhubigere XPAG-Aggregat ersetzen, wollte Sander erhalten. Ein Motorenspezialist in Braunschweig setzte neue Zylinderlaufbuchsen ein, alle anderen Arbeiten übernahm Sander selbst. Auch das Getriebe nahm er sich vor und baute eine neue Vorgelegewelle ein. Bei den Arbeiten halfen ihm Explosionszeichnungen diverser Ersatzteilkataloge, "und man braucht viel Platz, um alle Teile in der Reihenfolge hinlegen zu können, wie man sie ausbaut", erklärt Sander, "denn das erleichtert später die Montage." Wegen der besseren Zugänglichkeit erledigte er alle Arbeiten an Motor und Chassis, bevor die Karosserie des MG TA Tickford aufgesetzt wurde. Das Montieren, das Installieren von Kabeln oder die Funktionsprüfung diverser Komponenten bis hin zum Motor ist so viel bequemer. Auch das Verlegen von Leitungen gestaltet sich einfacher. So musste Sander an seinem MG TA Tickford beispielsweise die Viermillimeter-Kupferrohre erneuern, die von den im Motorraum angeordneten Schmiernippeln zu verschiedenen Schmierstellen am Chassis führen. Tickford ersparte damit dem Autobesitzer das Herumkriechen auf dem Boden, wenn der Abschmierdienst anstand. Morsches Holz und löchriges Blech Der Holzrahmen des MG TA Tickford war im unteren Bereich heftig verfault. "Mehr als die Hälfte der Hölzer habe ich erneuert", erzählt Sander. Die Teile bekam er von einem auf Tickford spezialisierten Händler aus England - jedoch waren noch etliche Anpassungsarbeiten fällig. Die benötigten Blechteile fertigte er fast alle selbst. Sehr zeitaufwendig geriet auch die Aufarbeitung des vergammelten Interieurs und des Verdecks des MG TA Tickford. Bei den Sitzen griff er auf die Hilfe eines Sattlers zurück, die Seitenverkleidungen und das Verdeck erneuerte er mit Unterstützung seiner Gattin. Die vorhandenen Verdeckreste reichten noch als Muster für den Zuschnitt, dann gewann das Dach Stück für Stück an Form. Montieren, mit Kreide die Lage der Nähte einzeichnen, Demontieren, Nähen und wieder Montieren. Dieses Prozedere wiederholte sich fünf Mal, bis das Verdeck für den MG TA Tickford endlich fertig war. Entsprechend des Farbtons von Verdeck und Interieur wählte er die Lackierung der Kotflügel, die anderen Karosseriepartien des MG TA Tickford wurden in Grau gehalten. "Die zweifarbige Lösung gefiel mir besser als das reine Grau, außerdem waren viele MG TA Tickford in zwei Farben lackiert", weiß Sander, der mit Stolz seinen restaurierten MG betrachtet. Die eingangs erwähnte Jugendsünde mag man ihm kaum noch glauben.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 24.02.2011
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