Von Haiko Prengel
Berlin - Endlich sind die Ganoven gefasst. Ihr gestohlener BMW M1 ist schnell, aber nicht schnell genug. Mit gleich zwei Strichachter-Mercedes, zwei Porsche 911 Targa und einem betagten VW Passat Variant haben die Beamten den Sportwagen eingekesselt: „Hände hoch, Sie sind umstellt!”, rufen sie.
Die Autos haben bei der wilden Verfolgungsjagd ganz schön gelitten. Doch keine Sorge, alles nur ein Spiel! Die Szene stammt aus „Kinderzimmerhelden”. So hat der Stuttgarter Autor Christian Blanck sein Buch genannt, eine liebevolle Hommage an eine ganz besondere Fahrzeuggattung : an Spielzeugautos.
Wohl jeder, der sich heute für Autos begeistert, hat einst mit ihnen angefangen und so seine Liebe zum Automobil entdeckt. Zu Hause auf dem Teppich, bei Oma in der Stube, mit Freunden im Sandkasten. Man fuhr als Knirps zig Rennen, hat wüste Frontalzusammenstöße verursacht und wilde Verfolgungsjagden inszeniert.
Kriterium: Ordentlich bespielt
Der Unimog hat ein Problem mit der Spur Quelle: Christian Blanck & Edition Panorama
Christian Blanck, Baujahr 1975, hat diese Szenen nachgestellt und die Protagonisten mit seiner Kamera abgelichtet. Auf mehr als 300 Seiten zeigt sein Bildband Hunderte verschiedene Miniatur-Modelle aus Blech: von Matchbox über Schuko und Siku bis zu den abgefahrenen „Hot Wheels“.
Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl: Die Autos müssen von den Kids ordentlich „bespielt” worden sein. „Die makellosen Modelle interessieren mich nicht so”, sagt Blanck. So fehlen dem edlen Mercedes 250 SE ein Scheinwerfer, dem abgerockten VW Käfer der Straßenwacht die Fahrertür. Ein De Tomaso muss sogar gänzlich ohne Räder auskommen: Ein Siku-Laster gibt ihm das letzte Geleit und transportiert die demolierte Karosse ab.
Die Idee zu dem pfiffigen Buch kam Familienvater Blanck – natürlich – beim Spielen mit seinen Kindern. „Es war einer dieser viel zu frühen Sonntagmorgen, an denen man sich wehmütig an die Zeit ohne Kinder erinnert und neidvoll in die dunklen Fenster der noch schlafenden Nachbarn blickt”, berichtet er.
Zwei waren schon wach: Er, Christian Blanck, Papa, müde. Und Niklas, sein kleiner Sohn, wuschelige Mähne, fest entschlossen zum Start in den Tag. „Bitte Autos spielen”, sagte Niklas mit leuchtenden Augen zu seinem Dad.
Autosammlung fürs Buch ausgebaut
Da Niklas ein Stuttgarter Stadtkind ist, wurden Stau- und Polizeiszenen nachgespielt. Es fuhren vor und reihten sich ein: ein alter Matchbox-BMW, ein Racing Mini und ein Porsche 911 Turbo von 1998. Mit Begeisterung und Hingabe begann Niklas, die Autos aufeinanderzustapeln.
Vater Blanck, immer noch müde, wurde aufmerksam. Diese ansteckende kindliche Kreativität. Er zückte sein Handy und schoss das erste Foto von dem Autoturm. „Damit war sie geboren – die Idee zu den Kinderzimmerhelden”, erinnert sich der 41-Jährige, der beruflich als Strategieberater für verschiedene Unternehmen arbeitet.
Kaputtgeliebte, aber unsterbliche Autos zu einem Turm gestapelt Quelle: Christian Blanck & Edition Panorama
Für ein ganzes Buch über Spielzeugautos reichte der Fundus seines Sohnes nicht aus. „Wir hatten viel zu wenig Autos”, sagt Blanck. Also schaute er sich nach Fahrzeugen aus anderen Sammlungen um, auf Flohmärkten und bei Ebay. Und er reaktivierte sein eigenes Spielzeug, mit dem er als Kind gespielt hatte. „Meine Mutter hatte an die 200 Autos auf dem Dachboden verwahrt, die waren alle noch erhalten.” Beim Auspacken kamen sie sofort wieder, die Erinnerungen an die eigene Kindheit mit den Kinderzimmerhelden.
Zum Beispiel der rote Mercedes 500 SEC von Matchbox oder der schicke BMW 633 CSI von Siku. „Das waren meine Helden, die habe ich geliebt”, sagt Blanck. Manchmal gab es aber auch Liebeskummer. Den 633er BMW bekam Blanck von seinem Vater geschenkt, aber die Karosse hielt nur einen Tag.
Geschichten von früher
Verstaut in einem roten Jutebeutel, geriet das Edel-Coupé beim Fahrradfahren in die Speichen und wurde völlig zusammengedrückt: Totalschaden. „Da war ich todtraurig”, erinnert sich Blanck. Zum Glück bekam er von Daddy prompt einen zweiten 633er BMW geschenkt, und den besitzt er bis heute. Jetzt spielen seine Söhne damit.
Spielzeugautos erzählen eben immer Geschichten. Und wenn man in „Kinderzimmerhelden” blättert und selbst Modelle entdeckt, mit denen man vor unzähligen Jahren gespielt hat, kommen besondere Erinnerungen auf. „Vrooooom! Quietsch! Wrummm! Bäng!” – das Vorwort in „Kinderzimmerhelden“ bringt es gut auf den Punkt. Manch einer wird sich bei der Lektüre schnell ärgern, dass seine Auto-Sammlung aus der Kindheit nicht mehr auf dem Dachboden steht.