Sebastian Bauer freute sich, mal wieder einen Lotus im Fernsehen zu sehen. Was er dann beim RTL-Magazin GRIP sah, verschlug ihm die Sprache - allerdings nur kurz.
Quelle: passion:driving/MOTOR-TALK Sebastian Bauer ist Autonarr, Nordschleifen-Kenner, Besitzer einer Lotus Elise und Auto-Blogger. Mehr von Sebastian Bauer findet Ihr auf http://www.passiondriving.de
Das deutsche Autofernsehen. Wenig Unterhaltungswert, qualitativ meist dünn, Relevanz? Fehlanzeige. Sicher, der Vergleich mit dem Ausnahmeformat Top Gear ist nicht fair, deshalb reden wir mal über das RTL-Magazin GRIP. Vergangenes Wochenende habe ich „GRIP, das Automagazin“ geschaut. Warum? In der Vorschau war ein Lotus Exige S zu sehen. Da kann ich nicht wegschalten! Was kam, war die „spannende“ Frage: Welches Geschlecht kann besser Auto fahren? Zu sehen waren Frauen, denen ein Redakteur einredete: Männer sind ein Tripod und denken nur mit dem mittleren Standbein. Und Männer, die - bitte möglichst testosterongeschwängert - von ihren fahrerischen Qualitäten schwärmten. Und chauvimäßig über die Fahrerqualitäten der Frauen herzogen. Beim Geschlechterkampf verliert: der LotusIch wartete, auf den Lotus. Nicht irgendein Lotus. Nein, ein Pressefahrzeug, englische Zulassung. Das gleiche Modell, das schon von der “sport auto” über die Nordschleife gebügelt wurde. Das Auto, auf das „sport auto“ monatelang warten musste. Denn ein Lotus-Pressefahrzeug auf deutschem Boden ist extrem selten. Dann ließen die Fernsehmacher zwei unerfahrene Autofahrer auf dem Flugplatz antreten. Mann gegen Frau, wer fährt die schnellste Runde auf dem Rundkurs? Mit einem Sportwagen vom Schlage eines Lotus, giftig im Grenzbereich, selten und wertvoll. Gegeneinander und gegen die Zeit. Angestachelt vom Geschlechterkampf. Kann das gut gehen? Quelle: Youtube Es ging nicht gut. Nach einer halben Runde landete die Exige heftig untersteuernd im Gras, immer noch mit vollem Lenkeinschlag, wühlte sich durchs Grün, immer noch voll am Gas. Den Schaden beschreibt die Sprecherin aus dem Off mit „ein kaputter Unterboden und eine gerissene Frontschürze sind nicht die einzigen zu beklagenden Schäden”. Klar, mindestens die Radaufhängung wird auch etwas abbekommen haben. Sowas kann passieren - aber wofür hat GRIP im Moderatorenteam zwei Profi-Fahrer? Letzte Woche der Nissan ...Das Video des Unfalls war nur wenige Stunden bei Youtube online, nachdem sich User dort massenweise beschwerten. „Erst letzte Woche der Nissan, jetzt der Lotus!”. Letzte Woche der Nissan? Es geht um einen Nissan 370Z Nismo. Ans Steuer setzte man den Comedian Axel Stein und den Schauspieler Moritz Bleibtreu. Das Auto setzte man auf eine große, asphaltierte Fläche. Die Ansage des Redakteurs muss so etwas wie “jetzt macht mal” gewesen sein. Die beiden ballerten los, mal wild untersteuernd, mal heftig um die eigene Achse drehend. Moritz Bleibtreu gegen Nissan 370Z NismoKeine Frage: Axel Stein kann fahren. Er tut das seit Jahren als Gastfahrer bei Rennserien wie dem Scirocco R-Cup. Moritz Bleibtreu fehlte aber sichtlich die Erfahrung. "Einfach Kupplung schnalzen lassen”, riet Axel ihm. Nachdem sich zuvor schon Axel über den Gestank der Kupplung gefreut hatte, gab Moritz dem Nismo den Rest, ließ es qualmen, bis die Kupplung nicht mehr trennte. Der Rennfahrer und Moderator Matthias Malmedie ist sichtlich genervt. Axel und Moritz lästern: Warum hat der so schlechte Laune? Schließlich müsse man das mit der Kupplung ja so machen. Quelle: Youtube Das Beste: Kaum ist der Nissan nicht mehr fahrbereit, muss das Kameraauto, eine Mercedes B-Klasse, herhalten. Die Nummernschilder wurden allerdings vorher abmontiert. Eine Vorsichtsmaßnahme, damit der Eigentümer nicht die Kurzwahltaste seiner Anwaltskanzlei drückt? When the clutch drops, the bullshit stopsJetzt mal unsachlich: Nehmt den unfähigen Leuten diese Autos weg! Wer ernsthaft glaubt, man müsse einen Drift routinemäßig über den “Clutch Kick” einleiten, dem gehört der Zündschlüssel für jedes Auto abgenommen. Wenn Top Gear Autos zurichtet, sind sie wenigstens selbst gekauft. Wo ist der Respekt, Autos von den Presseabteilungen zu schnorren und ihnen dann bewusst und willentlich den Rest zu geben? Ich mag es auch, Autos zu quälen und sie hart ranzunehmen. Aber nicht sinnlos über Gebühr abzurocken, bis das Differenzial kurz vor dem Hitzekoller steht und die Kupplung den Geist aufgibt. Ich finde es widerlich, wie diese Autos gewollt kaputtgefahren werden - wenn man sich überlegt, dass dafür ein Pressefahrzeug vom Hersteller, quasi im Vertrauen, gestellt wird. Mein Wunsch statt mutwilliger Respektlosigkeit und zur Schau gestellter Unfähigkeit: richtiges Entertainment für richtige Petrolheads. Zum Glück geht am Sonntag wieder Top Gear los. Video: Bleibtreu und Stein gegen Nissan 370Z Nismo
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