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Experten: Stromer meist nicht als Hauptfahrzeug geeignet - Kommt jetzt der Elektroauto-Boom?

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Kommt mit der E-Auto-Förderung ein Elektroauto-Boom? Bisher blieb das Interesse weit hinter den Erwartungen zurück. Auch wir bezweifeln, dass sich das ändert.

Der BMW i3 kann bis zu 160 Kilometer rein elektrisch zurücklegen Der BMW i3 kann bis zu 160 Kilometer rein elektrisch zurücklegen Quelle: BMW

Bergisch Gladbach/Berlin - Das ging schnell. Ab nächstem Monat wollen Bund und Industrie die Elektromobilität mit einer Prämie von 4.000 Euro für reine Elektro- und 3.000 Euro für Plug-in-Hybridautos ankurbeln.

Das ist offenbar nötig. Denn bisher sind E-Autos in Deutschland nicht gefragt. Nur 12.363 reine Elektroautos wurden 2015 neu zugelassen. Eine Auswertung der Online-Fahrzeugbörse mobile.de, zu der auch MOTOR-TALK gehört, zeigt deutlich, wie gering die Nachfrage bisher ist. „Aktuell werden 18.550 Autos mit alternativem Antrieb und 2.897 reine E-Autos auf unserer Seite angeboten“, sagt mobile.de-Geschäftsführer Malte Krüger. Die Anzahl der Fahrzeuge hat sich seit 2012 zwar fast verzehnfacht, bleibt aber insgesamt auf sehr niedrigem Niveau.

Die Zahl der E-Autos auf der Autoplattform mobile.de hat sich zwar gesteigert, bleibt aber gering Die Zahl der E-Autos auf der Autoplattform mobile.de hat sich zwar gesteigert, bleibt aber gering Quelle: mobile.de „E-Autos sind noch nicht in den Köpfen der Konsumenten angekommen“, sagt der mobile.de-Chef. „Nur rund 1,5 Prozent der Suchanfragen auf unserer Seite entfallen auf Autos mit alternativem Antrieb. 0,5 Prozent der Suchanfragen entfallen auf reine E-Autos.“ Mit der Kaufprämie für E-Autos könnte sich das ändern. Denn sie wirft bei vielen Menschen zumindest die Frage auf, ob sich die Anschaffung eines eigenen Stromers lohnt.

E-Antrieb passt selten ins Profil

Nach Ansicht von Fachleuten dürfte die Antwort auf diese Frage oft negativ ausfallen. Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) erklärt, dass sich „das reine Elektroauto im Moment in der Regel für kleine Kundengruppen als Zweit- oder Drittwagen eignet.“ Bratzel sieht insbesondere die Reichweite als ein Problem. Bei bestehenden Fahrzeugen - abgesehen vom teuren Tesla Model S - sei diese viel zu gering.

Dazu kommt ein enormer Wertverlust, der ironischerweise mit dem Fortschritt in der Batterietechnologie zusammenhängt. Ähnlich wie bei Mobiltelefonen werden alte Modelle mit dem Start neuer abgelöst. Ein i3 mit 160 Kilometern Reichweite sieht neben dem kommenden Chevrolet Bolt mit 320 Kilometern Reichweite alt aus. Wer jetzt noch eines der ersten Elektroautos kauft, der verliert mit dem Marktstart neuer Modelle viel Prestige und Wiederverkaufswert.

Für private Nutzer kommen Elektroautos nach Aussage des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) am ehesten dann infrage, wenn sie als Pendler Arbeitswege zwischen 30 und 50 Kilometer haben und zu Hause oder in der Firma Strom laden können.

Die heimische Garage sollte außerdem entsprechend ausgelegt sein: "Man sollte vorher einen Elektriker fragen, ob man zum Beispiel eine abgesicherte Ladeeinheit, die mit Starkstrom schneller lädt, installieren kann", rät Bratzel.

Anfang 2016 waren in Deutschland insgesamt 25.500 rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge zugelassen Anfang 2016 waren in Deutschland insgesamt 25.500 rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge zugelassen Quelle: picture alliance / dpa

Ein Plug-in-Hybrid kann länger

Der ADAC dagegen rät zum Selbstversuch: "Autofahrer sollten vor dem Kauf des favorisierten E-Autos ihre persönlichen Stammstrecken Probe fahren, um sicher zu gehen, dass die Reichweite ausreicht", empfiehlt Heiko Wolframm von dem Autoclub. Dabei sollte man auch eine Reserve für einen zeitweise höheren Verbrauch einplanen - zum Beispiel durch die Heizung, eventuelle Umleitungen und auch für die mit der Zeit abnehmende Kapazität der Batterie.

Ähnlich wie bei Verbrauchsangaben zu Verbrennungsmotoren sei auf die Reichweitenangaben der Hersteller bei E-Fahrzeugen nicht ausreichend Verlass, heißt es beim VCD. Ein Plug-in-Hybrid mit zusätzlichem Verbrenner sei derzeit für die meisten Menschen geeigneter als ein reines E-Auto. Auch hier muss man laut ADAC genau hinsehen: "Bei Plug-in-Hybriden gibt es enorme Abweichungen zwischen den von den Herstellern angegebenen Normverbräuchen und deren realem Verbrauch", sagt Heiko Wolframm.

Der VCD rät Verbrauchern derzeit abzuwarten. Forscher Stefan Bratzel sieht das ähnlich: "Der technische Fortschritt geht zügig voran. In ein, zwei Jahren wird es Fahrzeuge geben, die technisch besser sein werden. Und auch die Restwertentwicklung ist noch nicht ganz klar."

Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht

Quelle: mit Material von DPA

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