Köln - Nicht selten zeigt der Blick in die Kristallkugel nur unscharfe Konturen. Aus diesem Grund hat Volvo-Chef Pehr Gyllenhammar das Jahr der Ölkrise, 1974, als „ein verlorenes Jahr“ bezeichnet. Auch die damalige Fachpresse glaubte nicht an den Erfolg der neuen Volvo-Modelle 240 und 260, da sie zu sehr Der Zweitürer der Baureihe hieß 242, genau wie die finale Version der 240/260-Serie Quelle: Volvo
an die kastenförmigen Vorgänger 140/160 erinnerten.
Außerhalb der Kristallkugel, in der echten Welt, sah dies aber anders aus. Die als langweilig und uninspiriert bewerteten Limousinen, Kombis und Coupés sind die bis heute meistverkauften Volvo-Modelle. Insgesamt hat Volvo von der 240/260-Serie rund 2,9 Millionen Einheiten verkauft, trotz oder gerade wegen ihrer Optik.
Das sicherste Auto Amerikas
Der Volvo 240 überlebte sogar mehrere Todes-Prognosen. So zum Beispiel die Einführung der Nachfolgereihe 740/760 im Jahr 1982. Sogar nach dem 1991 erfolgten Marktstart des 850 mit Frontantrieb blieb der 240 beliebt: als schwedisches Volksauto, als Alternative für Mercedes-Verweigerer, als vielseitiger Familien- und Lastentransporter, als sicherstes Auto Amerikas oder schlicht als der Volvo unter allen Volvo.
Das erste Konzept für die Baureihe entstand 1968/69, einer Zeit von gesellschaftlichen Umwälzungen und Optisch hatten die 240/260-Modelle nicht viel Neues zu bieten, technisch schon Quelle: Volvo
Studentenunruhen. Deshalb sollten die 240/260 zunächst die Rolle der Revolutionäre einnehmen. Als Vorboten wurden 1972 zehn futuristische "Volvo Experimental Safety Cars" (VESC) vorgestellt, die dank massiger Überrollbügel und riesigen Sicherheitsstoßfängern aussahen wie Trutzburgen mit vorgeschobener Unterlippe.
Optisch alt, technisch neu
Viele neue Techniken der VESC schafften es in die Volvo 240/260. Bei der Optik blieb Volvo jedoch konservativ. Deshalb sehen 240/260 aus wie ein gründliches Facelift der Serie 140/160, mit neuem Vorderwagen und anderer Heckgestaltung.
Crashtest - die NHTSA ernannte den 240 zu ihrem Standardmodell Quelle: Volvo
Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA ernannte den 240 im Jahr 1976 zur Referenzbaureihe ihrer Sicherheitsforschung. Das amerikanische Versicherungsinstitut IIHS bezeichnete 1993 den Volvo 240 als das Fahrzeug mit den wenigsten Unfällen mit Todesfolge unter den in den USA von 1988 bis 1992 verkauften Fahrzeugen.
Motoren für eine Million Kilometer
Fast alle damaligen Volvo-Motoren hatten das Potenzial zum Kilometer-Millionär. Deshalb haben die Schweden bereits die Baureihe 140/160 als erste Fahrzeuge überhaupt mit einem sechsstelligen Wegstreckenzähler ausgestattet.
Nur der 1979 eingeführte weltweit erste Diesel-Sechszylinder im 244 GLD6 entpuppte sich nicht als Marathonläufer. Dabei war er in Zusammenarbeit mit Volkswagen entstanden. Unter der Haube aller Volvo 260 arbeitete ein neuer V6-Benziner, der aus einer Gemeinschaftsentwicklung mit Peugeot, Renault und Volvo (PRV) hervorgegangen war.
Hier ein Volvo 262 Cab mit Rechtslenkung (1979) Quelle: Volvo
Ursprünglich war der Motor als V8 geplant, doch nach der Ölkrise '74 ging das PRV-Aggregat nur noch als V6 in Produktion. Dabei erreichte er aber nie die Laufkultur vergleichbarer Sechszylinder, wie etwa im Mercedes 280 oder im BMW 2800. Immerhin beförderte der neue V6 den Volvo 265 zum ersten europäischen Großserien-Sechszylinder-Kombi.
Sicher und langweilig
Ein weiterer Rekord: Mit dem 154 PS leistenden Benziner im 240 Turbo wurde das Modell zum weltweit schnellsten Serienkombi (in 8,9 s von 0 auf 100 km/h). Diese sportlichen Werte hatte der 240er Ende der 1970er-Jahre allerdings auch dringend nötig. Denn Volvo galt damals als sicher, aber auch als langweilig und litt unter rückläufigen Verkaufszahlen.
Um ein bisschen mehr Schwung in die Modellpalette zu bekommen, entwickelte Volvo die kantigen 240er und 260er zur variantenreichen Großfamilie. Den Anfang machten die viertürigen 244 und 264, gefolgt vom zweitürigen 242 und dem Kombi 245. Dann starteten der zweitürige 262 (nur für die USA) und der luxuriöse Kombi 265.
Die Baureihe ist mit 2,9 Millionen Einheiten die erfolgreichste, die Volvo jemals gebaut hat Quelle: Volvo
Außerdem gab es Fahrgestelle und Fahrzeuge für Krankenwagen-, Feuerwehr-, Lieferwagen- und andere Sonderaufbauten. Sogar an dreitürige Kombicoupés wurde gedacht, allerdings schafften es 243 und 263 nicht in die Serie.
Im Mai 1993 war Schluss
Während 1982 der Volvo 760 den 260 ablöste, erlebte der 240 im zehnten Produktionsjahr sein Allzeithoch, mit einem Jahresausstoß von 234.300 Einheiten. Zwei Jahre später sammelte er Meistertitel in den bedeutendsten Tourenwagenserien.
Dieser Höhenflug des lange unsterblich geglaubten Oldies wurde erst am 5. Mai 1993 mit dem Stopp des finalen Fertigungsfließbandes abgebrochen. Es trug die symbolträchtige Nummer 242.