Beim Dienstwagen kennen die Deutschen kein Pardon: Ausländer haben keine Chance. Aus Japan versucht es nun der Lexus ES. Wir ließen ihn gegen den Audi A6 antreten.
Quelle: Christian Bittmann für mobile.de Von Michael Specht
In Dänemark hatten die Juroren des europäischen Auto-Preises „Car Of The Year“ (COTY) beim sogenannten "Tannistest" Gelegenheit, Neuheiten unter die Lupe zu nehmen und zu fahren. Wir waren zum dritten Mal dabei und haben getestet, was uns in die Finger kam. Bindslev - Die Regularien deutscher Dienstwagenverordnungen können gemein sein. Zum Beispiel, wenn sie keine Alternative zu den deutschen Business-Limousinen Audi A6, BMW 5er und Mercedes E-Klasse lassen. Das ärgert manchen reisenden Angestellten und jeden Importeur. Die britische Marke Jaguar oder die japanische Marke Lexus bekommen das direkt zu spüren. Vor allem Toyotas Premium-Tochter hat es bei uns schwer. Umso bemerkenswerter ist das Durchhaltevermögen von Lexus: Die Marke erreicht bald ihr 30-jähriges Jubiläum in Deutschland. Sie verkauft hier pro Jahr aber gerade einmal knapp über 3.000 Autos. Neue Hoffnungen setzt Lexus jetzt auf den frischen ES. Die Limousine tritt die Nachfolge des GS an und debütiert dieser Tage in Europa. Kein Modell verkauft Lexus im Rest der Welt häufiger: 2,2 Millionen Exemplare wurden seit Auflage der ersten Generation 1989 produziert. Bezogen auf die Einwohnerzahl fahren am meisten davon in Omans Hauptstadt Muskat. Wer dort an einer Kreuzung steht, sieht mehr Lexus-Modelle als irgendeine andere Premium-Limousine. Lexus: Mehr Knieraum, weniger KofferraumQuelle: Christian Bittmann für mobile.de Zum Vergleich ziehen wir den Audi A6 heran. Er ist unter den drei deutschen Konkurrenten das jüngste Modell. Optisch könnten Audi A6 und Lexus ES kaum unterschiedlicher sein: Dezent elegant und aufgeregt der Ingolstädter, mit dem üblichen Hexagon-Single-Frame-Grill. Deutlich aggressiver, zumindest in der Vorderansicht, der Japaner. Allein der Diabolo-Grill dürfte polarisieren - und vielleicht manchen Geschäftskunden abschrecken. Vielleicht aber auch begeistern. Zeitloser wirkt auf uns der Audi, vielleicht ein bisschen langweilig. In der Business-Klasse ist Kontinuität eben wichtig für den Werterhalt der Fahrzeuge. An einem schrägen Design zu scheitern, kann sich kein Konzern leisten. Auch Audi nicht. In der Größe geben sich A6 und ES nichts. Auf der Rückbank bietet der Lexus etwas mehr Platz, lässt dafür aber im Kofferraum weniger Volumen übrig. 454 Liter stehen den 530 Litern des Audi gegenüber. Das Audi-Gepäckabteil geht deutlich mehr in die Tiefe, und es lassen sich die Rücksitzlehnen nach vorne klappen, falls längeres Stückgut transportiert werden muss. Hier geht der Punkt nach Ingolstadt. Cockpit: Der Lexus wirkt komplizierterQuelle: Christian Bittmann für mobile.de Das Gleiche gilt fürs Cockpit. Sicherlich, Design und Layout bleiben letztlich Geschmacksache. Aber Audi bietet hier dennoch das überzeugendere Konzept. Black-Panel-Optik, hochwertige Materialien, feinste Verarbeitung, fast selbsterklärende Bedienung, tolle Übersicht: Knöpfe und Schalter sind auf ein Minimum reduziert. Hinzu kommen ein modernes Konnektivitäts-System und einfach eine angenehme Atmosphäre. An die Bedienung im Lexus muss man sich gewöhnen. Vieles erschließt sich nicht intuitiv, manches funktioniert etwas umständlich. Technik-Freaks dürften das riesige Head-up Display sowie das seitlich verschiebbare Rundinstrument cool finden. Es gibt links im Display den Bordcomputer frei. Ein bisschen exzentrisch wirken die beidseitigen zylindrischen Drehschalter oben am Cockpit. Der linke ist nur für das ESP (Welchen Sinn macht das?) zuständig, rechts legt die vier Fahrmodi Sport S+, Sport S, Eco und Custom ein. Motoren: Hybrid gegen DieselBei der Motorisierung sind die Karten klar verteilt. Die häufigste Variante beim Audi A6 nennt sich 40 TDI. Dahinter steckt der Zweiliter-Diesel mit 204 PS. Er wurde in großen Teilen neu entwickelt und überzeugt durch gute Elastizität, frühes Ansprechen und ruhigen Lauf. Zu hören ist der Diesel lediglich beim Starten oder in der Stadt, wo häufig aus niedrigem Tempo beschleunigt wird. Auf Strecke dagegen entpuppt sich der A6 erwartungsgemäß als angenehme, leise Reiselimousine. Gekoppelt ist der Motor an eine 8-Gang-Automatik. Sie verrichtet ihre Arbeit fast unmerklich im Hintergrund. Insgesamt bilden beide eine ausgewogene Kombination: Im Alltag reichen die Fahrleistungen, und mit seinem niedrigen Verbrauch (nach Norm 4,3 l/100 km) zählt Audis Volumen-Diesel zu den effizientesten Antrieben in der oberen Mittelklasse. Die Lexus-Ingenieure dürften hier anderer Meinung sein. Sie versprechen mit 106 g/km einen geringeren CO2-Ausstoß als Audi. Das erreichen sie sogar mit weniger energiehaltigem Benzin. Vom Dieselmotor hat sich Lexus schon seit Jahren verabschiedet. Im Lexus ES arbeitet folgerichtig Toyotas modernste Hybrid-Generation. Unter der Haube der japanischen Limousine steckt ein 2,5-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 178 PS ohne Turboaufladung. Anschubhilfe erhält er von einem 120 PS starken Elektromotor. Im Verbund leisten die beiden 167 kW (218 PS). Davon verschwinden allerdings gefühlt einige in die Tiefen der 4. Generation des Toyota-Hybridantriebs. Der Lexus setzt voll auf KomfortWas dem Lexus ES nicht ganz gelingt ist die Souveränität, die man von einer Limousine dieses Segments erwarten würde. Beim heftigeren Beschleunigen wirkt er leicht angestrengt. Das mag zum Teil an der stufenlosen Automatik liegen. Der oft zitierte Gummibandeffekt wurde zwar erheblich reduziert, aber nicht vollständig eliminiert. Quelle: Christian Bittmann für mobile.de Die nackten 0-bis-100-Zahlen sprechen für sich. 8,1 Sekunden benötigt der Audi, 8,9 Sekunden der Lexus. Die Höchstgeschwindigkeit begrenzt Lexus auf 180 km/h (Audi: 246 km/). Das ist in der Business Class eine mutige Ansage, zumindest in Deutschland. Im Rest der Welt wird das vollauf genügen. Doch bei uns wird sich Lexus damit schwertun. Die Spezialität des ES ist das sanfte Dahinrollen. Er ist ein Cruiser, ein Gleiter. Und ein sehr leiser obendrein. Die japanischen Entwickler haben alle Register gezogen, um so viel Komfort wie möglich hineinzupacken. Sei es beim Fahrwerk oder beim Aufwand der Geräuschdämmung. Diese Kunst beherrschten die Lexus-Akustiker schon vor knapp 30 Jahren. Damals galt der LS 400 als die leiseste Limousine der Welt. Gegen die damals zum Konkurrenten auserkorene Mercedes S-Klasse half selbst das nicht. Ähnlich dürfte es sich mit dem neuen ES gegenüber dem A6 verhalten. Viel zu wenige Kunden haben das japanische Modell bei der Anschaffung eines neuen Autos überhaupt auf der Liste. Und im direkten Vergleich zum Audi bietet der ES in keinem Kapitel – Assistenzsysteme eingeschlossen – einen kaufentscheidenden Vorteil - wenn man nicht gerade ein großer Fan des Vollhybrids ist. Zumal sich der Wettbewerb auch preislich in einer Liga abspielt. Bleibt als Motivation für den Lexus-Eigner einerseits der Charakter des superleisen Gleiters – andererseits die Gewissheit, in seiner Wohnstraße nicht den x-ten deutschen Langweiler vor der Tür stehen zu haben. Sondern ein Auto, mit dem man sich in dieser Klasse optimal differenzieren kann. Audi A6: Technische Daten
Lexus ES 300h: Technische Daten
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