Mehr Zylinder, mehr Kraft, mehr Anhängelast: Der VW Amarok wird zum Facelift nützlicher. VW sagt, er kann außerdem mit SUVs mithalten. Der Pick-up im Test.
Berlin – Es klingt nach einer Identitätskrise. Der Amarok ist ein Nutzfahrzeug, ganz klassisch mit Leiterrahmen und Blattfedern. Daran ändert sich zum Facelift nichts. Im Gegenteil: V6-Motoren machen den Pick-up stark, souverän, praktischer. Trotzdem bringt VW das Wort „Lifestyle“ ins Spiel. Quelle: MOTOR-TALK Denn Lifestyle machte schon aus großen Blechburgen beliebte Kita-Laster. SUVs verkaufen sich prächtig. Da will der Amarok mitmachen. Die Voraussetzungen sind vorhanden: Im Pick-up gibt es viel Bodenfreiheit, fünf Sitzplätze und eine hohe Sitzposition. Bei Geländegängigkeit und Anhängelast fährt er der selbst gewählten Konkurrenz größtenteils davon. Verstärkte Federn hinten, eine mechanische Differenzialsperre und einen Unterfahrschutz gibt es gegen Aufpreis. Wir haben den Amarok mit mittlerer Motorisierung und Ausstattungslinie zwei Wochen lang im Alltag getestet. Wie er fährt, was der Sechszylinder verbraucht und ob er mit SUVs mithalten kann, lest Ihr hier. Karosserie und Platzangebot: Grenzen der LadeflächeDer VW Amarok überragt große SUVs deutlich. Ein Mercedes GLS baut neun Zentimeter kürzer, ein Audi Q7 sogar 20 Zentimeter. Zu einem US-Pick-up wie dem Dodge Ram fehlen sechs Zentimeter. Kurz: Der Amarok ist ein Riese. 2,24 Meter Breite mit Außenspiegeln disqualifizieren ihn für linke Spuren in Autobahnbaustellen. Und für schmale Parklücken. Parallel geparkt ragt er weit auf die Straße. Quelle: MOTOR-TALK Dafür lädt er viel ein. Zwischen die hinteren Radhäuser passt eine Euro-Palette. Die Ladefläche misst 1,55 Meter in der Länge, 1,22 bis 1,62 Meter in der Breite und gut einen halben Meter in der Höhe. Das genügt zum Beispiel für einen Satz Räder oder zwei Weihnachtsbäume. Sperrgut lässt sich an vier Ösen verzurren und mit offener Klappe transportieren. Schade: Dann sieht die Rückfahrkamera nichts mehr. Die ist nicht unbedingt nötig, denn das Ende der Ladefläche lässt sich gut erkennen. Große Fenster sorgen für eine gute Übersicht. Durch die Größe des Amarok empfiehlt sich trotzdem etwas elektronische Hilfe beim Rangieren. Spätestens in Verbindung mit einer Anhängerkupplung hilft ein drittes Auge. Wo Ladung viel Platz hat, wird es im Innenraum eng. Der größte Nachteil des Amarok aus Pkw-Sicht: Ladefläche und Kabine sind getrennt. Durchlademöglichkeiten oder eine variable Rückbank gibt es nicht. Im Fond wird es an den Knien knapp, wenn der Fahrer zu groß ist. Innenraum: Ein bisschen Golf im NutzfahrzeugSo richtig gemütlich wird es im Amarok nicht. Bequemer als man es von einem Nutzfahrzeug erwartet. Aber eben nicht so, wie man es aus SUVs kennt. Die Türen fallen blechern ins Schloss, die Kunststoffe sind hart und vieles wirkt eher praktisch als liebevoll. Beispiel: Unter der Mittelarmlehne vorn gibt es viel Platz, aber sie ist nicht verstellbar und fällt plump auf das Fach. VW gibt sich viel Mühe, den Innenraum des Amarok Pkw-nah zu gestalten. Schalter, Hebel und Lenkrad kommen von Golf und Passat, Ergonomie und Haptik der Bedienelemente stimmen. Aber die perfekt klickenden Fensterheber-Schalter wirken in den robusten Türverkleidungen wie manikürte Hände, die aus einem Blaumann-Ärmel rausschauen – das passt nicht so richtig zusammen. Besser passen gute Lösungen auf der Ladefläche: Eine robuste, schwarze Beschichtung (833 Euro) verhindert rutschende Ladung. Die Rollabdeckung (3.046,40 Euro) hält Regen und Schnee stand. Die Ladefläche blieb während unseres Tests trocken. Infotainment und Assistenz: Fehlende MöglichkeitenQuelle: MOTOR-TALK Bei Helfern und Unterhaltung verbessert sich der Amarok, fährt aber den SUVs weit hinterher. Ein neues Navigationssystem („Discover Media“, 1.035 Euro) mit Annäherungssensor, Touch-Bedienung und App-Diensten ersetzt das „RNS 510“ des Vorgängers (2015: ab 2.189,60 Euro). Leider schrumpft der Bildschirm von 6,5 auf 6,33 Zoll. Die Menü-Symbole sind zu klein, der Finger tippt gern daneben. Die Lautsprecher im Amarok klingen kaum besser als ein Kofferradio. Bei der filigranen Pkw-Assistenz hat der Amarok nur wenig zu bieten. Multikollisionsbremse sowie Bergan- und Abfahrassistenten gibt es serienmäßig, einen statischen Tempomaten gegen Aufpreis (200 Euro). Der Amarok hilft lieber dort, wo Assistenten abschalten: Die mechanische Differenzialsperre hinten (100 Prozent, 708,05 Euro) und der Unterfahrschutz (178,50 Euro) wollen ins Gelände, nicht auf den Bordstein. Fahrwerk und Fahrverhalten: Straff und nützlichLast statt Luxus steht beim Amarok in der Aufpreisliste: Eine verstärkte Blattfederung an der Hinterachse kostet 238 Euro Aufpreis. Mit ihr steigt das zulässige Gesamtgewicht von 2.920 auf 3.080 Kilogramm. Macht eine erlaubte Zuladung von 1.053 Kilogramm (zzgl. Fahrer) bei Basisausstattung. Gleichzeitig federt der Amarok straffer als mit dem Seriensetup. Auf Kopfsteinpflaster merkt man das kaum, auf alten Autobahnen mit Asphaltplatten aber sehr. Insgesamt unterscheidet sich der Amarok fahrerisch wenig von einem großen Pkw. Er lenkt ausreichend direkt und lässt sich erstaunlich gut manövrieren. Der Wendekreis von knapp 13 Metern nervt, manch großes SUV kann es aber kaum besser. Lange Strecken funktionieren im Amarok mit Basis-Sitzen ohne Zwicken im Rücken. Gut: Die Anhängelast liegt bei 3,3 Tonnen (gebremst, 12 Prozent Steigung). 3,5 Tonnen sind mit Standardachsen maximal möglich. Motor und Antrieb: Souverän und angenehmQuelle: MOTOR-TALK Endlich bekommt der Amarok die passenden Muskeln für harte Aufgaben. Vierzylinder sind in Deutschland nicht mehr im Programm, VW Nutzfahrzeuge baut nur noch Sechszylinder in den Pick-up. Die stammen von Audi und wurden für den Einsatz im Amarok gründlich überarbeitet. Zylinderköpfe, Kolben, Ölwanne, Ölpumpe und Abgasrückführung sind robuster ausgelegt. Im Amarok leisten die 3,0-Liter-Diesel 163, 204 oder 224 PS. Die 204-PS-Version in unserem Testwagen vermittelte das Gefühl, mit den zwei Tonnen des Amarok unterfordert zu sein. Nach einer kurzen Gedenksekunde schiebt der V6 den Trumm mit 500 Newtonmetern zackig an und zieht zügig bis Tempo 180. Kurz vor der 200-km/h-Markierung geht ihm die Luft aus. Nach Abzug der Toleranz ergibt das 184 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Pkw-Herkunft des Motors zeigt sich im Alltag. Natürlich nagelt er, Geräuschkomfort ist in einem Amarok weniger wichtig als in einem Audi A6. Aber mit steigender Temperatur wird er ruhig. Und er verbrauchte bei normaler Fahrweise und gleichmäßig durchmischtem Fahrprofil im Schnitt etwas mehr als neun Liter. Erst bei Geschwindigkeiten ab 150 km/h steigt der Durst stark an. Schuld ist die enorme Stirnfläche des Pick-up. VW nennt einen Normverbrauch von 7,8 Litern pro 100 Kilometer. Derzeit bietet VW im Amarok nur die beiden Topmotorisierungen mit einer Achtgang-Wandlerautomatik und Allradantrieb an. Langfristig folgen Modelle mit Hinterradantrieb und Handschaltung. Der ZF-Automat arbeitet sanft und schnell. Die unteren kleinen Gänge sind so kurz übersetzt, dass eine separate Untersetzung nicht nötig ist. Fazit, Ausstattung und Preis: Ein SUV will er nicht seinQuelle: MOTOR-TALK Die romantische Vorstellung vom Marlboro-Cowboy mit seinem coolen Pick-up funktioniert nur in den USA. Lifestyle bedeutet in Deutschland Luxus, nicht Zuladung. Hier kann der Amarok mit den großen SUVs nicht mithalten. Ihm fehlt es an Komfort, Infotainment und Assistenten. Als Pick-up macht er dafür das, was er soll. Er fährt unkompliziert und handlich, klettert steile Hügel hinauf, lädt viel ein und zieht noch mehr. VW baut ihn so, dass möglichst wenig kaputtgehen kann. Alles fühlt sich robust und haltbar an. Der geliftete Amarok startet von oben nach unten. Derzeit gibt es nur das Volle-Hütte-Modell Aventura sowie die beiden großen Ausstattungsvarianten „Comfortline“ und „Highline“. Der aktuell kleinste Amarok („Comfortline“, 204 PS) startet bei 40.995 Euro. Unser Testwagen in dieser Version mit ordentlicher Ausstattung kostet laut Liste 52.680,11 Euro brutto. Ein vergleichbares Vorfacelift-Modell mit 180 PS und vier Zylindern wäre etwa 500 Euro teurer. Einige Extras kosten zwar mehr als bisher. Dafür wird das Navi günstiger. Der stärkste Konkurrent kommt aus Köln: Ein Ford Ranger mit Doppelkabine, 200 PS, Allrad und Sechsgang-Automatik kostet mindestens 43.554 Euro. Elektrische Ledersitze, Klimaautomatik, Tempomat und ein großer Touchscreen sind bereits dabei (Ausstattung „Limited“). Mit Navi, Sperre, Parkhilfen, Ladeflächen-Rollo und Metallic-Lack liegt sein Preis laut Liste bei 50.867,75 Euro. Er kostet also weniger, auf seiner Ladefläche ist aber auch weniger Platz als beim Amarok. Etwas langsamer und und durstiger ist er außerdem. Dafür bietet Ford zwei alternative Kabinen an. Den Amarok gibt es in Deutschland nur noch mit Doppelkabine. Sonst wäre ja auch noch weiter weg vom SUV. VW Amarok 3.0 TDI Comfortline: Technische Daten
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