Weil ewige Taiga-Folklore (und Stufenheck-Varianten) nicht genug sind: Mit dem Vesta SW bietet Lada einen Kombi. Der SW Cross ist die höher gelegte Variante - Sitzprobe.
Blankenfelde-Mahlow – Wer den Vesta nicht kennt, muss sich nicht schämen. So geht es vielen mit Lada-Modellen – mal abgesehen von der seit den 70er-Jahren praktisch unveränderten Offroad-Legende 4x4 (einst Taiga und Niva genannt). Über die Güte des seit 2017 erhältlichen kompakten Vesta sagt das erst einmal wenig aus. Aber viel über den Fokus der bisherigen Modellpolitik: In Deutschland haben eben die wenigsten auf ein 4,41 Meter langes Stufenheck gewartet. 472 Neuzulassungen registrierte das KBA, den technisch überholten 4x4 kauften mehr als dreimal so viele. Das Angebot richtete sich stark nach den Vorlieben auf dem russischen Heimatmarkt. Dort gehört der Vesta zu den meistverkauften Autos überhaupt. Deutsche wollen traditionell lieber Steilheck-Limousinen oder Kombis und seit einigen Jahren bekanntlich auch Modelle mit Offroad-Anspielungen. Fortan bekommen sie bei Ladas größtem Modell beides. Kombi mit KellerabteilQuelle: Lada Vesta SW (für Station-Wagon) heißt die herkömmliche Variante mit Rucksack. Der Vesta SW Cross ist Ladas Interpretation dessen, was bei Audi „Allroad“ oder bei Dacia „Stepway“ heißt: Eine höher gelegte Variante mit Plastik-Beplankung. Grundkarosse und Innenraumgestaltung unterscheiden sich nicht. So könnte der Vesta zu einer Alternative für Preisbewusste Käufer mit Platzbedarf werden – denen bei der Low-Budget-Konkurrenz vielleicht diese kleinen, cleveren Lösungen fehlten. Die findet man im Vesta vor Allem im 480 Liter großen Kofferraum. Zum Beispiel die Ablagefächer und das Befestigungsband mit Klettverschluss an der Seite. Oder das Schachtel-System im Kofferraumboden. Unterhalb der beiden Abdeckungen befinden sich zwei herausnehmbare Styroporkisten mit Fächern. Im hinteren Bereich geht es noch eine Ebene tiefer. Dort gruppierten die russischen Ingenieure weitere Ablagefächer rund um das Reserverad. Wie man den Haufen aus Kisten und Platten wieder zu einem amtlichen Kofferraumboden macht? Wie man will. Die Elemente sind symmetrisch, passen in jeder (halbwegs rational nachvollziehbaren) Position in die Führungsschienen. Viel Plastik, wenig TristesseDas Cockpit im Vesta wirkt weit weniger trist als jene in den kleineren Lada-Modelle Kalina und Granta. Beim Hartplastik-Anteil besteht wenig Unterschied: Was im Vesta nach Alu aussieht, ist in der Realität meistens Kunststoff. Haptische Schmeicheleien bleiben aus, die Materialien wirken aber solide. Großzügig unterfüttert sind immerhin die Mittelarmlehnen vorne und hinten (Standard in der höchsten Ausstattungslinie Luxus). Die hoch montierten Stoffsitze gerieten vergleichsweise hart und wenig tailliert. Die Heizer-Fraktion mit gesteigertem Bedürfnis nach Seitenhalt visiert Lada mit diesem Auto ohnehin nicht an. Ohne Alternative: 106 PS und FrontantriebQuelle: Lada Der einzig verfügbare Motor leistet 106 PS aus 1,6 Litern Hubraum. Seit 2012 ist Lada Teil der Renault-Nissan-Allianz. doch der Vierzylinder-Saugbenziner entstammt nicht etwa dem französischen oder japanischen Teileregal. Die Lada-Eigententwicklung nutzt einige Komponenten der Konzernmütter, basiert jedoch in Grundzügen auf einem Block wie ihn VW (unter anderem) im Golf I einsetzte. Im Detail ist der Unterschied zum Ur-Kompakten freilich groß: 16 Ventile und variable Ventilsteuerung gab es im Wolfsburger noch nicht. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten ist heute ein Vorteil. Dank Saugrohr-Einspritzung schafft der Vesta die Euro 6d-Temp-Abgasnorm ganz ohne Partikelfilter. Passierfreiheit in den Innenstädten ist damit gegeben. Die Aufstiegskompetenz im Gelände wird sich erst zeigen. Fest steht: Eine zeitgenössische Niva-Variante ist der SW Cross nicht. Allrad ist nicht erhältlich. Serienmäßig leitet ein manuelles Fünfgang-Getriebe die Kraft an die Vorderachse. Optional (700 bis 800 Euro Aufpreis abhängig vom Modell) bietet Lada ein automatisiertes Getriebe an. Kupplung und Getriebeaufbau unterscheiden sich in Grundzügen nicht von einer manuellen Variante, Stellmotoren nehmen dem Fahrer die Arbeit ab. Lada weiß, dass die Fan-Gemeinde dieser Technologie in Deutschland überschaubar ist. Eine Automatik-Variante mit Drehmoment-Wandler oder Doppelkupplung will die heimische Markenvertretung für die fernere Zukunft nicht ausschließen. Was ihn vom Dacia Logan unterscheidetSchon die Gegenwart ist spannend. Mit dem Dacia Logan MCV kommt der größte und bestens etablierte Konkurrent im Segment preiswerter Kombis aus demselben Markenverbund. Mit dem MCV Stepway hat die rumänische Renault-Tochter ebenfalls ein Derivat in Offroad-Optik im Angebot. Konzernchef Carlos Ghosn will aber eigentlich nur eine Günstigmarke pro Markt zulassen. Hier ist das eben Dacia. Quelle: Lada Und ganz so billig ist Lada gar nicht. Die Marke verzichtet auf die nackten Modelle mit echten Kampfpreisen. Die Basis-Variante des Vesta SW kostet mit 12.990 Euro 5.000 Euro mehr als der Einstiegs-Logan. Dafür sind hier bereits Multifunktionslenkrad, hintere Parksensoren sowie eine Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer enthalten. In der Top-Variante für 16.250 Euro kommt der Vesta SW dann praktisch voll ausgestattet mit Rückfahrkamera, farbenfroh gestaltetem Infotainment-System, Klimaautomatik und Sitzheizung für die hinteren Passagiere – weil nicht nur russische Winter kalt sind. Größere Preissprünge gibt es dann nur bei der Auswahl der Autogas-Anlage (LPG) mit Radmuldentank ab 2.900 Euro oder der erwähnten Variante ohne Kupplungspedal. Gleiches gilt für den SW Cross. Der höhere (und breitere) SW-Ableger startet bei 15.990 Euro, die Top-Version (Luxus) kostet ab 17.290 Euro. Immerhin. Einen Dacia Logan muss man erstmal auf den Preis bringen. Allerdings fehlen ihm auch einige Komfort-Extras im Vergleich zum Vesta. Trotzdem: Ladas Topmodell wird es weiterhin schwer haben auf dem deutschen Markt. |