Auf manchem Händler-Kiesplatz stehen besondere Fundstücke. Diese Autos stellen wir Euch auf MOTOR-TALK vor. Diesmal: Ein Ford Granada mit karger Ausstattung aus erster Hand.
Von Haiko Prengel Berlin - „Sechs sells“ - so dachte man einst bei Ford, als man in Europa die meisten Autos mit Sechszylindern verkaufte. In den Siebzigern und Anfang der Achtziger Jahre war das, als Hubraum alles war und Downsizing noch ein Fremdwort. Ein besonders volksnaher Vertreter aus dieser Zeit steht gerade in Berlin zum Verkauf. Basisausstattung, Ruhrgebietsvergangenheit, Rost und Moos als Patina. Im Schatten einer kahlen Betonwand wartet ein Granada 2.0 L auf seinen zweiten Frühling. Prunkstück: ein stattlicher V6 unter der Haube, der allerdings nur 90 PS mobilisiert. Die Ausstattung des kantigen Hecktrieblers hält sich ebenfalls in Grenzen. Das L am Stufenheck könnte für „Light“ stehen, denn viele Extras hat dieser Fast-Buchhalter-Granada nicht an Bord, wenn man mal vom Radio oder der heizbaren Heckscheibe absieht. Das Kürzel könnte aber auch für „large“ stehen. Denn Platz biete der Granada enorm viel, schwärmt Händler Mathias Krtschil. von der "Auto-Centrale" in Berlin-Pankow: „Ein absolutes Reiseauto.“ Also auf zur Probefahrt. Die roten Kennzeichen hat Krtschil fix anmontiert. Der V6-Zweilitermotor braucht dagegen einen Moment. Nach ein paar Sekunden Anleiern springt das zwei Liter große Aggregat mit sonorem Brummen an. Später V6 aus der R4-ZeitJa, das waren noch Zeiten. 1972 stellte Ford den Granada vor. Der war praktisch Luxus fürs Volk: Die Platzverhältnisse großzügig, der Radstand von knapp 2,80 Meter beinahe auf S-Klasse-Niveau. Auch bei der Leistung konnte Ford mit dem Granada Mercedes-Benz und BMW Konkurrenz machen. Gerade die kultivierten V6-Motoren fanden großen Anklang, für die schmächtigen Vierzylinder entschied sich nur ein Bruchteil der Kunden. Die Spitzenmotorisierung boten die 2,8-Liter-Maschinen (nach der Ausmusterung des 3,0-Essex-Motors), die zwischen 135 PS (Vergaser) und 160 PS (Einspritzer) boten. Der Berliner Granada ist ein Exemplar der zweiten Generation, nach dem großen Facelift 1982, mit wenig Chrom und viel Plastik. Zu seiner Erstzulassung 1983 wurde der kleine 2.0 V6 schon nicht mehr so oft bestellt. Denn der modernere 2.0 OHC bot bessere Fahrleistungen und war überdies weniger durstig. Die Karosserielinien indes bestechen immer noch: ein klares, schnörkelloses Design. Klassisches Stufenheck. Im Innenraum: Sitze wie Wohnzimmersessel, Mittelarmlehne und ein knochiges Schaltgetriebe mit Viergang-Menü. Gemütlich schaukeln wir über den Asphalt, die 90 PS verpuffen irgendwo in der schnorchelnden, aber unverwüstlichen Mechanik. Neue Zündkerzen könnte der ehrliche Kölner mal gebrauchen. Marianne steht noch auf dem HeckZuletzt rollte der Wagen vom Ruhrgebiet in die Hauptstadt. Händler Krtschil hat sich auf besondere Klassiker spezialisiert, privat fährt der Oldtimerfan einen Mercedes 500 SL (R129). Den Granada spürte er in Duisburg auf und kaufte ihn einer älteren Dame ab, aus erster Hand. Marianne heißt sie, der Name steht noch auf einem Aufkleber an der Heckklappe. Ehemann Herbert hatte den Granada 1983 erworben. Nach seinem Tod vor einigen Jahren wurde der Wagen nur noch wenig bewegt, stand lange Zeit in einer Garage. Bis Händler Krtschil ihn nach Berlin holte. Mit abgelesenen 35.149 Kilometern auf der Uhr. Der Tacho misst allerdings nur fünfstellig. Der Innenraum suggeriert eine Null hintendran. Das mit den neuen Zündkerzen geht natürlich klar, verspricht Verkäufer Krtschil. Überhaupt würden vor Verkauf alle Betriebsflüssigkeiten erneuert. Die Reifen sind in gutem Zustand, die Pneus sind Markenreifen von 2014. Ein gutes Zeichen. Ein Problem kann die Teileversorgung werden. Ford kümmert sich nicht besonders um den Erhalt seiner Klassiker. Aber die Traditionsmarke hat eine rührige Fanszene, die gerne bei der Teilesuche hilft. 4.900 Euro möchte der Händler für seinen Ersthand-Granada haben. Das ist ein stolzer Preis, denn das Auto hat einige Mängel und als Nullausstatter sind die Limousinen nicht sonderlich begehrt. Wäre der Granada ein Turnier, wäre er vermutlich längst vom Hof. Granada rosten gernBeim Berliner 2.0 L ist der vordere rechte Kotflügel durchgerostet. Außerdem hat ein HU-Prüfer bei einem Vor-Check die defekte Warnblinkanlage und den „unsachgemäß“ befestigten vorderen Stoßfänger moniert. Die häufig angegriffenen A-Säulen und der Heckscheibenrahmen sehen dagegen sauber aus. Auch im Motorraum ist kein Rost zu erkennen. Häufig gammelt es beim Granada hier an der Stehwand hin zur Schraubkante des Kotflügels. Händler Krtschil verspricht, die vom Kfz-Prüfer monierten „Kleinigkeiten“ in seiner Partnerwerkstatt beheben zu lassen, wenn ihm jemand den Klassiker abkauft. Ein neues HU-Siegel und H-Kennzeichen-Abnahme seien dann inklusive. Classic Data notiert den Marktwert des Granada II mit 2.0 V6 übrigens bei 6.800 Euro im Zustand zwei. Im Zustand drei wird er mit 4.600 Euro gehandelt. Schön wäre es ja, wenn Mariannes und Herberts Schätzchen bald wieder auf die Straße kommt. Als die „letzten Straßenkreuzer aus Köln“ bezeichnete der Autor Bernd Tuchen einmal den Granada und sein Schwestermodell Consul. Bis Produktionsende 1985 rollten über 1,5 Millionen Exemplare vom Band. Davon sind heute nicht mehr viele übrig, vor allem Rost hat den Bestand arg dezimiert. Die Granada-Fangemeinde ist überschaubar geworden. Noch gibt es aber einige Autos auf dem Markt. Eines eine alle Granada, meint Händler Krtschil: „Für wenig Geld gibt es eine Menge Auto.“ Ford Granada bei mobile.de finden Technische Daten Ford Granada 2.0 V6 (1977-1985)
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