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Automatikgetriebe im Auto: Wandlerautomaten und Doppelkupplungsgetriebe - Mehrgang-Menü ohne Schaltsalat

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Automatikgetriebe legen zu. Früher galten fünf Schaltstufen als ausreichend, heute sind es acht, neun oder zehn Gänge. Wohin geht der Trend? Ein Überblick.

Mehr Gänge in modernen Getrieben: Automaten schalten mittlerweile durch bis zu zehn Gänge Mehr Gänge in modernen Getrieben: Automaten schalten mittlerweile durch bis zu zehn Gänge Quelle: dpa / Picture Alliance

Köln/München - Noch vor rund 15 Jahren galten Doppelkupplungsgetriebe oder Wandlerautomaten mit mehr als fünf Stufen als sehr sportlich. Heute sind sie Standard, zum Teil sogar veraltet. Hersteller wie Ford, Mercedes, VW und Zulieferer wie ZF bauen Getriebe mit immer mehr Gängen.

Aktuelle Spitze der Schaltarbeit: Getriebe mit zehn Gängen. Im neuen Ford Mustang etwa arbeitet optional eine Zehngang-Automatik. „Mehr Gänge helfen, im optimalen Drehzahlbereich zu bleiben, so eine bessere Beschleunigung und dadurch mehr Effizienz zu erreichen“, sagt Ian Oldknow, Getriebeentwickler bei Ford.

Anders als üblich legt das Automatikgetriebe nicht zwangsläufig den nächsthöheren Gang ein, sondern wählt den aus, der am besten passt. So kann der Mustang im zweiten Gang anfahren und dann direkt in den vierten schalten. Dieser sogenannte Skip Shift wird durch eine Elektronik gesteuert, die mit Hilfe verschiedener Fahr- und Motorparameter die richtige Stufe findet.

Getriebe sichern das beste Übersetzungsverhältnis zwischen Achse und Motor

Viele (Plug-in-)Hybride verfügen über einen Elektromotor in der Getriebeglocke Viele (Plug-in-)Hybride verfügen über einen Elektromotor in der Getriebeglocke Quelle: ZF Jeder Motor in aktuellen Serienautos hat ein Getriebe. Ganz gleich, ob Verbrenner, Hybrid oder Elektrofahrzeug. „Ohne Gänge wäre die Drehzahl des Verbrennungsmotors fest an die Geschwindigkeit des Fahrzeugs gekoppelt. Will man die Motordrehzahl bei einer gegebenen Geschwindigkeit variieren, benötigt ein Fahrzeug eine Gangschaltung“, sagt Professor Karsten Stahl, Leiter der Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG) an der TU München. Auch bei Elektroautos drehen sich Räder und Motorwelle unterschiedlich schnell.

Je mehr Gänge, desto mehr mögliche Übersetzungen stehen zur Verfügung, um die optimale Motordrehzahl bei einer gegebenen Geschwindigkeit zu erreichen. Zum vollen Beschleunigen benötige das Auto eine möglichst hohe Drehzahl im Bereich der maximalen Leistung des Motors, „für niedrigen Spritverbrauch die Drehzahl mit dem geringsten spezifischen Verbrauch und für ein angenehmes akustisches Verhalten eine niedrige Drehzahl bei hohen Geschwindigkeiten“, sagt Stahl.

Getriebe mit acht Gängen und einer vernünftigen Spreizung erfüllen heutige Anforderungen schon optimal. „Ein oder zwei Gänge mehr schaden nicht, bringen aber aus technischer Sicht nicht unbedingt etwas“, sagt Stahl. Denn jeder Gangwechsel sei mit Energieaufwand verbunden. In den Schaltelementen und Kupplungen gehe mechanische Energie durch Reibung verloren, und Aktoren benötigen zusätzliche Energie. Denn die wandeln elektrische Steuersignale in mechanische Bewegung um.

Sieben bis neun Gänge sind für Verbrenner ideal

Bei Quermotoren setzt Daimler Doppelkupplungsgetriebe ein. Dieses Layout ermöglicht Front- oder Allradantrieb Bei Quermotoren setzt Daimler Doppelkupplungsgetriebe ein. Dieses Layout ermöglicht Front- oder Allradantrieb Quelle: Daimler Aus heutiger Sicht reichen sieben bis neun Gänge, abhängig von der Leistungsfähigkeit des Antriebsstrangs und der Fahrzeugplattform, meint auch Marcus Sommer, Projektleiter Entwicklung Automatgetriebe bei Mercedes. Die Stuttgarter setzen zwei Automatikgetriebearten ein: Bei den Kompakten mit Frontantrieb Doppelkupplungsgetriebe, bei Längsmotoren in großen Fahrzeugen Wandler-Planetenautomatikgetriebe.

Planetenradgetriebe sind kompakt. Auch dann, wenn sie ein hohes Drehmoment verarbeiten müssen. „Der Drehmomentwandler bietet den höchsten Anfahr- und Rangierkomfort“, sagt Bernd Vahlensieck, Leiter der Vorentwicklung Antrieb bei ZF. Moderne Wandlerautomatikgetriebe sind effizient, auch im Vergleich zu manuellen Schaltgetrieben.

In Sachen Schaltdynamik bewegen sie sich auf dem Niveau von Doppelkupplungsgetrieben. Nachteil: Aktuell drehen Planetengetriebe nicht so hoch wie Doppelkupplungsgetriebe, wiegen meist mehr und sind größer.

Zukunft: Einganggetriebe für Elektroautos

Eine Neungang-Planetenautomatik von Mercedes Eine Neungang-Planetenautomatik von Mercedes Quelle: Daimler „Mit acht Gängen im Standardantrieb und neun Gängen für Front-Quer-Motoren sind wir schon heute im Bereich des Optimums angekommen“, sagt Vahlensieck. Technisch wären mehr Gänge möglich, allerdings kontraproduktiv, da sich durch Mehraufwand am Getriebe kaum Potenzial aus Verbrennungsmotoren herausholen ließe. „Weitere Gangstufen würden nur minimale Vorzüge bei der Spreizung und Stufung bringen, wären aber durch mehr Gewicht und mehr Verlustleistung, wie durch mehr Schaltvorgänge, zu erkaufen“, sagt Vahlensieck.

Der wichtigste Trend sei künftig die Elektrifizierung von Autos. „Viele Aspekte wie Komfort, Bauraum und Kosten sprechen für die Ein-Gang-Variante im Elektroauto“, sagt Vahlensieck. „Ein Zahnradgetriebe mit einer festen Übersetzung passt die hohen Drehzahlen des E-Motors an das niedrigere Niveau der Radgeschwindigkeit an.“ Mehrere Gänge können die Effizienz der E-Maschine nicht wesentlich verbessern. Das Wettrüsten mit mehr Gängen hätte damit ein Ende.

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Quelle: dpa/Fabian Hoberg

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