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MG Midget Mk II: Spaß mit dem Zwerg

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Der britische Humor treibt manchmal seltsame Blüten: So nannten die Insulaner einen gar nicht so kleinen Roadster vor über 80 Jahren Midget, also zu deutsch Zwerg. Was hätten sie damals nur zu einem Auto vom Schlage eines Kleinschnittger gesagt? Aber der Typenname sollte sich über Jahrzehnte halten, über mehrere Generationen blecherner Zwerge hinweg. Achim besitzt einen davon, und das seit über 15 Jahren.

Am Anfang war der Kobold. Vor über 50 Jahren, im Sommer 1958, schickte die British Motor Corporation den „Sprite“ auf Kundenfang – mit Erfolg. Die Konstruktion Donald Healeys traf – trotz seiner vom US-Markt diktierten Glubschaugen und des fehlenden Kofferraumdeckels – den Nerv des Publikums und verkaufte sich gut. Nach drei Jahren brachen die Verkaufszahlen ein, die Werbestrategen verlangten nach einer moderneren Karosserie ohne Froschgesicht und mit von außen zugänglichem Kofferraum. Diese MK II genannte Version, die ab 1961 bei den Händlern stand, bekam eine Luxusvariante mit MG-Logo zur Seite gestellt: Der Midget war geboren.

Achims Exemplar stammt aus der ersten Hälfte des Jahres 1964 und zählt daher noch zur Baureihe MK II. Zur Unterscheidung vom einfacher ausgestatteten Sprite hatten die BMC-Gewaltigen ihm verchromte Türgriffe, einen längs statt quer gerippten Kühlergrill und seitliche Zierleisten spendiert. Im Cockpit fand sich unter anderem ein Drehzahlmesser.

Seinen Midget fand Achim im Anzeigenteil einer örtlichen Zeitung. Er war im Zustand 3, doch das reichte dem Mann aus Mainz nicht. Er sanierte die Karosse gründlich: „Ungefähr zwei Drittel der Blechteile sind neu gekommen oder wurden fachgerecht instand gesetzt“, erinnert sich Achim. Auch den originalen Motor unterzog er einer Kur. Die typisch britische Elektrik mit ihrer umgekehrten Polung nahm er sich ebenfalls vor und trieb ihr die Schwachstellen aus – nicht umsonst ist der einschlägige Zulieferer Lucas als „Erfinder der elektrischen Dunkelheit“ verschrien. Zeitgenössische Speichenfelgen mit Zentralverschluss heben die Optik. Einmal vernünftig revidiert, erwies sich der in british racing green neu lackierte Zwerg allerdings als ein Musterbeispiel an Zuverlässigkeit: „Ich kann mich nicht erinnern, mit ihm seit der Restauration ein einziges Mal liegen geblieben zu sein“, berichtet Achim stolz.

Das mag zum Teil daran liegen, dass der Midget Achim als reines Schönwetterfahrzeug dient. Zwischen drei und viertausend Kilometern kommen nach seiner Aussage pro Saison zusammen, hauptsächlich auf Ausflügen oder Fahrten zu Treffen. So war der kleine Roadster von seinen Erfindern nicht unbedingt gedacht. Die leichte Stoffmütze war zwar ohne Klappspriegel – ein Faltverdeck gab es erst ab 1966 mit der Baureihe MK IIII, aber sie schützte vor den Unbillen des Wetters, und immerhin hat Achims Zwerg bereits Kurbelfenster an Stelle der unpraktischen, wenn auch „roadstermäßigeren“ Steckscheiben seines Vorgängers. Dennoch gelang es dem Midget und seinem „siamesischen Zwilling“ Sprite nicht, den Erfolg des allgemein „Frosch“ genannten Ur-Sprite zu wiederholen.

Das lag aber weniger an der allgemeinen Kauf-Unlust des Publikums als am Auftauchen eines Konkurrenten: 1962 brachte Triumph mit dem Spitfire ein Modell heraus, das exakt ins selbe Marktsegment zielte. Mit 63 statt der beim Midget vorhandenen 56 PS hatte der Erzfeind auf Anhieb die Nase vorn, und so verkaufte Triumph von 1962 bis 1964 doppelt so viele Exemplare des Spitfire, wie sich Zwerge und Kobolde der BMC zusammen absetzen ließen. Erst mit der von Achim pilotierten Mk II Version des Midget wendete sich das Blatt wieder zugunsten der Produkte aus Albingdon, die dort parallel vom Band liefen. Und das ist auch einer der Gründe, warum der Mainzer, der derzeit noch einen Ur-Transit in Westfalia-Wohnausführung restauriert, heute einen Midget in der Garage hat: „Spitfire fährt doch fast jeder!“, meint er.

von Michael Grote

 

Quelle: Carsablanca

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