Kunstobjekt, Frauenversteher, Sportskanone - der Ford Fiesta ist Europas meistverkaufter Kleinwagen. Eine Karriere, die ihm vor 40 Jahren kaum jemand zutraute.
Köln - Für die Fachwelt kam der Ford Fiesta viel zu spät. Alle Fahrspuren der kleinen Klasse schienen längst besetzt, als seine Produktion anlief. Am 11. Mai 1976 war das, und damals kämpften nicht weniger als 30 europäische Konkurrenten um die Kleinwagenkäufer. Doch Europa war für den Fiesta nicht genug. Er sollte als erster Ford im Kurzformat auf allen Kontinenten verkauft werden – sogar in Nordamerika. Ford-Köln-Chef Bob Lutz verkündete bei der Premiere vollmundig, der Fiesta sei die wichtigste Neuentwicklung seit dem legendären Modell T von 1908. Konzernlenker Henry Ford II – noch kurz zuvor überzeugter Kleinwagen-Kritiker – ließ es sich nicht nehmen, persönlich zu einer Probefahrt an den Rhein zu kommen. Eine Testfahrt, die er mit dem lobenden Urteil „good job“ abschloss. Quelle: Autodrom Die Kleinwagenfans fanden Fords Verdikt offenbar noch untertrieben. Sie verhalfen dem vom italienischen Designstudio Ghia inspirierten und von Ford-Designer Uwe Bahnsen finalisierten Fiesta blitzartig zu einem sensationellen Verkaufserfolg. Der kleine Ford zog nach nur 31 Monaten mit dem VW Golf gleich und gehörte fortan zum Club der Produktionsmillionäre. Seit sieben Generationen hält der Erfolg an, mit mehr als 15 Millionen verkauften Autos führt der Fiesta die europäische Hitliste bei den Kleinwagen an. Eigentlich sollte der Fiesta Luchs heißenDie Namensfindung von Fords Nesthäkchen blieb bis zum Schluss spannend. Zunächst geisterte er als „Bobcat“ (Luchs) durch die Medien. Doch so hieß bereits ein Mercury. Henry Ford II suchte nach weiteren Namensideen, die Taufe jedes neuen Modells war für ihn Chefsache. Irgendwie stieß er wegen der Alliteration mit den beiden Fs auf Fiesta. Für ihn auch deshalb eine perfekte Kombination, weil der neue Ford in einem eigens errichteten Werk im spanischen Valencia gefertigt werden sollte. Einziges Problem: Die Rechte für Fiesta lagen beim Erzrivalen General Motors (GM). Ein kurzer Anruf bei GM-Präsident Tom Murphy habe das Problem gelöst. Ob in Valencia für Südeuropa gebaut, in Dagenham für die Briten oder in Saarlouis und in Köln für weitere 70 Märkte - der Kleine wurde seinem Namen gerecht und zur Fiesta für Ford. Nur in den USA lief es nicht so gut. Dabei priesen US-Medien den Ford als besten Import-Kleinwagen: ein „Wundercar built in Germany“ für den „San Diego Freeway“ ebenso wie für die „high-speed-autobahn“. Es nützte nichts, 1977 war die erste Ölkrise bereits überwunden und so blieb der Sparmeister im Land der Straßenkreuzer chancenlos. Quelle: Ford In Deutschland hätte der Start nicht besser sein können. Ford erlebte 1977 dank des Fiesta das bis dahin beste Ergebnis aller Zeiten. Das Kölner Fiesta-Stammwerk, das 1979 die Produktion aufnahm, gilt als eine der bestausgelasteten Fabriken weltweit. Dessen Exportquote liegt bei 80 Prozent. Einzigartig ist die künstlerische Krönung der Karriere des Weltautos: Der Aktionskünstler HA Schult gestaltete 1991 einen Fiesta als goldenen Vogel mit mächtigen Adlerschwingen, der seinen Horst auf dem Dach des Kölnischen Stadtmuseums fand. Ford investierte zwei Milliarden Mark in den FiestaFür den ersten Ford mit Frontantrieb, Quermotor und Heckklappe investierte der damals zweitgrößte Automobilkonzern der Welt insgesamt rund zwei Milliarden Mark. Mehr hatte Ford noch nie für ein einziges Modell ausgegeben. Die Wettbewerber forderte der Fiesta heraus mit Werbeslogans wie „la concurrente“ (der Konkurrent) in Frankreich, „una forte rivale“ (ein starker Rivale) in Italien und „Manchmal fällt doch ein Meister vom Himmel“ in Deutschland. Aber auch als Edel-Mini mit feiner Ghia-Ausstattung. Oder als Sportversionen für die GTI-Fraktion. Der Fiesta XR2 kam 1981 mit 84 PS. „Gehen Sie in Startposition zum Power Play“, forderte die Ford-Werbung auf, denn der XR2 verwies mit einem Sprintwert von zehn Sekunden bis 100 km/h fast alle Wettbewerber von Fiat 127 Sport bis VW Polo GT auf die Plätze. Eine echte Alleinstellung besaß der Fiesta kurzzeitig durch einen 54 PS leistenden Diesel, der den Ford 1983 zum kleinsten deutschen Sparmeister mit Selbstzünder machte. Zum 40. Geburtstag ein Fiesta ST mit 200 PSFast fünf Millionen mal lief die erste Fiesta-Generation vom Band, eine im September 1983 modifizierte Optik genügte, um den Dreitürer frisch zu halten. Erst nach 13 Jahren wurde eine Neukonstruktion fällig, die in größerem Format und auch als Fünftürer vorfuhr. Zeitweise übrigens parallel als Mazda 121, die vorübergehenden Verflechtungen der Konzerne machten dies möglich. Eine Familie gründete der Fiesta 1996: Zuerst kam der noch kleinere Ka, ein Jahr später das Sportcoupé Puma und 2002 folgten der Roadster Streetka und der Hochdachkombi Fusion. Jüngster Sprössling ist der B-Max, der die Technik des aktuellen, 2008 lancierten Fiesta nutzt. Kultstatus errang der vielseitige Fiesta allerdings nur in Sportversionen. Deshalb feiert Ford das 40. Jubiläum seines kleinen Alleskönners mit dem auf 200 PS erstarkten Fiesta ST. Schließlich soll das Kölner Kraftpaket den Mini-Muskelmännern der Konkurrenz nicht hinterherfahren. Ford Fiesta: Chronik
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