Die ersten privaten Stromer müssen zum TÜV. Darunter fällt auch der BMW i3 unseres Autors Michael Specht. Was wird bei einem Elektroauto eigentlich geprüft?
Quelle: Michael Specht für MOTOR-TALK Von Michael Specht Hamburg – Der Blick aufs Kennzeichen bestätigt: Drei Jahre sind um. Mein i3, zugelassen im März 2014, muss erstmalig zum TÜV. Korrekter ausgedrückt: zur HU, zur Hauptuntersuchung. Der Begriff TÜV hat sich zwar eingebürgert, prüfen dürfen aber auch andere Organisationen. Doch egal, wer, spannend bleibt die Frage: Was schaut sich der Prüfer bei einem Elektroauto an? Gibt es da Unterschiede zu einem herkömmlichen Diesel oder Benziner? Während der Fahrt zur HU kommen Erinnerungen hoch, an längst vergangene Zeiten. Damals besaß ich einen alten Renault 4, mit überspachtelten Rostlöchern, festsitzenden Handbremsseilen (auf die Vorderräder!) und ölendem Motor, der natürlich viel zu viel Kohlenmonoxid in die Umwelt pustete. Den Stempel zu kriegen, glich einem Glücksspiel. Wie war der Prüfer drauf? Wo drückte er ein Auge zu? Wird eine Wiedervorführung nötig? Quelle: Michael Specht für MOTOR-TALK Geschichte. Heute sind Autos durchweg besser, solider und haltbarer als früher. Und nach drei Jahren sollte ja schon mal gar nichts sein. Erst recht nicht bei einem Elektroauto. Kein Öl an Bord, also auch keine Leckagen. Kein Zahnriemen, der mürbe wird und reißen kann. Kein löchriger Auspuff, weil weder Kolben noch Zylinder unter der Haube arbeiten. Und Rost? Wie das denn? Das Chassis des i3 besteht aus Aluminium, die Karosseriestruktur aus Carbon, die Außenhaut aus Kunststoff. Das hält alles länger als Legosteine. Mit dem Elektroauto bei der HU: Erste Prüfung nach drei JahrenVermutlich wirkt, gute Pflege vorausgesetzt, BMWs Elektroflitzer noch mit H-Kennzeichen so frisch wie am Tag der Erstzulassung. Vorstellen kann ich mir das durchaus. Die Öko-Recycling-Stoffe beispielsweise, die BMW aus Nachhaltigkeitsgründen verbaute, haben sich bislang bestens bewährt. Nichts ist verblichen, zerkratzt oder defekt. Auch was die Kapazität der Batterie betrifft, deutet nichts auf Ermüdung hin. Bei zwei bis drei Ladevorgängen pro Woche kommt der i3 nach drei Jahren Haltedauer und 35.000 Kilometer Strecke auf rund 350 Ladevorgänge. Einige Tausend sollte der Akku schon schadlos verkraften. Wie viele genau, sagt BMW nicht. Nur, dass „bei der üblichen Fahrzeughaltedauer von zehn bis zwölf Jahren (oder 150.000 Kilometer) kein Austausch der Batterie notwendig sein wird“. Das soll selbst dann gelten, wenn der i3 häufig an einem Schnelllader mit mehr als 20 kW Leistung hängt. Und mindestens ebenso langlebig wie der Akku dürfte der Elektromotor sein. Da berührt sich nichts, da reibt nichts, da explodiert und verbrennt nichts. Prüfung mit Range-Extender wird kompliziertQuelle: Michael Specht für MOTOR-TALK Anhand des Fahrzeugscheines erkennt Prüfingenieur Roland Gillner sofort, dass mein i3 keinen Range Extender besitzt. „Gut so“, sagt der DEKRA-Mann, „wenn schon Elektroauto, dann richtig.“ Zudem hätte es eine aufwändigere Prüfung nach sich gezogen. Denn der Range Extender, ein Zweizylinder-Benziner, muss laufen, damit ein Kontrolllämpchen ausgeht. Klingt paradox. So will es aber die Prüfordnung. Das Problem: Ist die Batterie noch zu mehr als 70 Prozent gefüllt, springt der Motor nicht an. Das verhindert die BMW-Software. „Wir mussten dann den Wagen so lange bewegen, bis diese Marke unterschritten war“, sagt Gillner. Oder die Programmierung austricksen. Das geht mit offener Heckklappe und Fahrertür, außerdem einer Pedal-Kombination. Bitte nicht nachmachen! Meinen i3 kann Roland Gillner ohne dieses Prozedere auf die Hebebühne fahren, Untersucht werden der Unterboden auf Beschädigungen – wichtig für den Schutz der Batterie – und die Radaufhängungen auf zu viel Spiel. Zu letzterem Problem liegt dem DEKRA-Mann ein Schreiben von BMW vor. Darin wird auf ein „konstruktionsbedingtes Kolbenstangenspiel in den Stoßdämpfern der Vorderachse“ hingewiesen. Mit anderen Worten: Ruckelt der Prüfer an den Rädern und spürt ein leichtes Spiel, ist dies also normal und stellt keinen Mangel dar. Ebenso bekannt war Gillner die Sache mit dem Aufhängungsbolzen des Motorlagers. Diesen hat BMW bei meinem i3 im Zuge des ersten Services nach zwei Jahren vorsorglich getauscht. Warum? Auffällig geworden waren einige Mietfahrzeuge von Drivenow, bei denen besagter Bolzen Beschädigungen aufwies. Es dauerte etwas, bis der Grund dafür gefunden war: Kunden hätten den Wagen zu heftig über Speedbumps geprügelt, hieß es aus der Niederlassung in Hamburg. Geringer Bremsenverschleiß am ElektroautoQuelle: Michael Specht für MOTOR-TALK Nächster Punkt: ab in die Rolle, Prüfung der Bremsen. Ich bin gespannt. Schließlich unterliegen diese bei einem Elektroauto so gut wie keinem Verschleiß. Wer defensiv und vorausschauend fährt, kann ausschließlich mit dem Fahrpedal verzögern. Der Elektromotor bremst den Wagen ab und erzeugt dabei gleichzeitig Strom (Rekuperation). Damit ist auch das nervige Problem „schwarzer Bremsstaub auf silbernen Felgen“ vom Tisch. Die Leichtmetallräder bleiben ansehnlich. Doch Optik interessiert Gillner nicht, er fährt den i3 in die Rollen, bremst, lässt sich herausstoßen. Die Zeiger der Instrumente schlagen parallel aus. Alles perfekt. Nur die Handbremse hat zehn Prozent Abweichung (links zu rechts). 50 Prozent sind erlaubt. Dennoch warnt mich der DEKRA-Techniker vor zu geringem Einsatz der Bremsen. „Benutzen Sie ruhig öfter mal die Feststellbremse“, die Trommeln können sonst „einschlafen“, obwohl sie wie neu sind. Geschafft. Nach weniger als 20 Minuten klebt der Stempel auf dem Nummernschild. Keine Mängel. Ob er in den vergangenen Monaten schon einen i3 in der Prüfung gehabt hat, der durchgefallen ist, frage ich Gillner. Und falls ja, warum? Er schüttelt den Kopf. Nicht einmal jene von Drivenow, die wie Taxis jährlich zur HU müssen. Statistische Erhebungen, sogenannte Mängelreports von DEKRA und TÜV, gibt es für den i3 noch nicht. Dafür durchliefen bislang zu wenige dieser Modelle die Hauptuntersuchung. Sicher gibt es in zwei Jahren mehr Erfahrungswerte. Keine Alternativen zum BMW i3Quelle: Michael Specht für MOTOR-TALK Dann ist auch mein i3 wieder an der Reihe. Ich bin sicher, dass ich ihn dann noch immer besitzen werde. Zum einen, weil er nichts von seiner Exklusivität verloren hat. Zweitens, weil es andere Hersteller bislang nicht geschafft haben, etwas Gleichwertiges auf die Räder zu stellen. Das wird wohl erst nächstes Jahr mit dem Tesla Model 3 passieren. Opel Ampera-E und Renault Zoe fahren in der gleichen Fahrzeugklasse und mit höherer Reichweite, für mich aber in einem anderen Segment. Umgebaute Verbrenner wie der VW E-Golf kommen für mich nicht infrage. Echte Elektroautos kommen von VW erst 2020. Der BMW-i3-Kauf vor drei Jahren war mein bislang größter und folgenschwerster Schritt, was meine persönliche Mobilität betrifft. Es war die endgültige Abkehr vom Verbrennungsmotor. |