BMW Isetta und Messerschmitt Kabinenroller sind die originellsten Rollermobile der Wirtschaftswunderzeit. Sie waren keine Miniatur-Ponton-Autos wie das Goggomobil, sondern mutige Design-Alternativen mit aufregendem Konzept. Das wird heute mit viel Fahrspaß und Preisen um die 20.000 Euro honoriert. Bei BMW Isetta und Messerschmitt Kabinenroller müssen Sie alles vergessen , was Sie über normale Autos wissen. Alles über 20 PS, zwei Zylinder, 500 Kilogramm und 30 Newtonmeter gehört jetzt erst einmal in Frage gestellt. Nicht aus ökologischen Gründen, sondern aus Toleranz. Viele Klassiker-Liebhaber belächeln nämlich die Wirtschafts-Wunderkinder BMW Isetta und Messerschmitt Kabinenroller noch heute als primitive Fahrmaschinen. Doch es sind geniale Minimalisten. Mit 9,7 und 13 PS kann man viel Spaß haben Längst haben sie den Status von Design-Ikonen. Ihre Form, konsequent strömungsgünstig, folgt streng effizienter Funktion. Fritz Fend, der eigenwillige Kabinenroller-Kreateur, war schließlich Flugzeug-Ingenieur bei Messerschmitt. ISO, der Mailänder Kühlschrank- und Rollerfabrikant, packte einen Schuss italienische Leichtigkeit in die eiförmige Zweckform der Isetta, die BMW gottlob kaum veränderte. Dafür wich der anfällige Doppelkolben-Zweitakter dem ursoliden Einzylinder Viertakt-Motorradmotor aus der BMW R 25/3. Trotzdem gelten Rollermobil-Fahrer in den Augen ihrer Gegner nicht selten als Masochisten, die sich mit hoher Drehzahl, bleiernem Gasfuß und manchmal auch blauer Abgasfahne durch die Rallyes quälen und die schnellen Hirsche vor der Kuppe am Überholen hindern. Sie können sich nicht vorstellen, dass es Spaß macht, sie mit 9,7 oder 13 PS wie ein Maestro des Mangels über kurvenreiche Landstraßen zu dirigieren, und ihnen wie ein Virtuose einer virtuellen Drehmomentkurve noch ein paar Newtonmeter im kaum mehr spürbaren Bereich zu entlocken. Die Welt der beiden Rollermobile ist keine Leistungs- und Erfolgsgesellschaft donnernden V8-Sounds und souveräner TR 6-Dampfhammer-Charakteristik. Es ist das Gegenteil von Heavy Metal, ein Volkslied, das man beim Wandern singt. Eine Insel kindlichen Übermuts, ursprünglicher Fahrfreude und bescheidenen Lebensglücks. Es ist der Genuss am Mangel, wenn der Überfluss alltäglich wird. Kleinstwagen für Fahrkönner Der Reiz der Kleinen liegt auch in der Hohen Schule des Fahrkönnens. Ein BMW 507 ist normal gefahren, verglichen mit einer Isetta oder einem KR 200, ein braves Hausfrauen-Auto. Sie erfordern feinmotorisches Geschick und schnelles Reagieren, wenn woanders Leistungsfülle und fest zupackende Bremsen einen Fahrfehler lässig parieren. Der Rollermobil-Pilot fährt stets hochkonzentriert, das erfordert gerade beim Messerschmitt schon die extrem direkte Lenkung. Beim Flanieren fliegen ihm die Massen zu. Da wird aus Mitleid Bewunderung, und die bei Kolonnen- Tempo 60 noch abweisende Hand wendet sich zum Applaus. Auch die meist weißhaarigen Spaziergänger, die sich am Stuttgarter Stadtrand um uns herum scharen, haben große Freude an den kleinen Autos aus ihrer Jugend: ?So einen hatte ich auch mal,? wird einmal mehr zum meistgesprochenen Satz an diesem Tag. Dass die Isetta eine seltene 300er ist und der Messerschmitt KR 200 keineswegs das improvisierte Urmodell KR 175, anfangs noch ohne Rückwärtsgang, Kupplungspedal und Scheibenwischer-Motor, aber mit Seilzugstarter, macht aus der Erinnerung betrachtet, keinen Unterschied. Die schmalen, gewundenen Sträßchen hoch in den Weinbergen zwischen Obertürkheim, Uhlbach und Esslingen bilden den idealen Auslauf für die beiden Rollermobile. Hier jagen sich sich spielerisch gegenseitig, ausgelassen wie Ultraleichtflugzeuge über der lauwarmen Thermik eines endlosen Weizenfeldes. Steile Hangetappen nehmen sie jedoch mit verbissenem Ernst im zweiten Gang unter dem fröhlichen Jubilieren ihrer drehzahlfesten Einzylinder, aber immer noch weit entfernt von den Schmerzensschreien einer gequälten Mechanik. Isetta verzeiht Fahrfehler Die idyllische Szene ist eine Mischung aus Heimatfilm-Romantik und intensiv gelebter Nostalgie. Geduldig tuckert in einer Fahrpause der Einzylinder-Viertakter dumpf im Leerlauf. Er gehört zur 58er Isetta 300 von Elektroingenieur Gerd Berner. Ein Klang, so beruhigend wie ein gleichmäßig-gesunder Herzschlag. Der quadratische Stoßstangen-Motor mit den V-förmig hängenden Ventilen macht, trotz großer Schwungmasse im Sinne einer annehmbaren Laufkultur, keinesfalls einen trägen Eindruck. Seine Charakteristik ist die eines braven Zugpferds. Rote Schraffuren auf dem Tacho geben die Gangbereiche mit entwaffnender Logik wieder. Erster Gang bis 20, zweiter bis 40, dritter bis 60 und der Vierte reicht schließlich bis Tacho 90, wilder sollte man es ohnehin nicht treiben. Das eigenwillige H-Schaltschema der Isetta zeigt sich spiegelverkehrt und auf den Kopf gestellt. Der Schalthebel ragt links aus der Seitenwand. Anfänger müssen sich das Schema immer wieder einprägen, bis es schließlich sitzt. Aber die Isetta verzeiht Fahrfehler, untertouriges Fahren mag sie zwar nicht, aber sie nimmt es gütig hin. Sie lässt erstaunliche hohe Kurvengeschwindigkeiten zu. Die Kupplung fühlt sich giftig an, schließlich hat sie kein Drehmoment zu verschenken, die Zugkraftunterbrechung soll schließlich nur kurz sein. Doppelt kuppeln und vor allem Zwischengas beim Herunterschalten mag das unsynchronisierte Klauengetriebe. Es erfordert Gewöhnung und ein nachhaltiges Einlegen der Gänge. Natürlich besitzt die Isetta einen vollwertigen Rückwärtsgang und sogar ordentliche Hydraulikbremsen, nur auf ein Differenzial kann sie wegen ihrer Schmalspur-Hinterachse ohne Not verzichten. Sauberes Kurvenfahren ist kein Problem, es gibt auch bei engen Kehren kein Radieren der Zwillingsreifen. Für ein so kleines Auto fühlt sich die allerdings ziemlich direkte und zielgenaue Lenkung recht schwergängig an, auch der Wendekreis fällt groß aus. Messerschmitt ist ein Langstrecken-Kabinenroller Im späten Oktober hat das üppige Laub der Schwarzriesling- und Lemberger Rebstöcke bereits eine gelb-rote Färbung angenommen. Im Schatten einer Besenwirtschaft hält der Messerschmitt kurz an. Sein Fichtel & Sachs-Einzylinder-Zweitakter näselt blechern im Stand. Am gebogenen Flugzeuglenker sitzt Berufsschullehrer Marcus Breuninger-Vielhauer. Ein wahrhaft gusseiserner Karo-Freak, der mit seinem mintgrünen 57er KR 200 schon in Schottland, in der Toskana und an der Ostsee war, Autobahn und Sozius inbegriffen. Tausende Langstreckenkilometer auf Achtzoll-Schubkarrenreifen und mit launischen Seilzug-Trommelbremsen, die gerade einmal so bremsen, wie sie wollen. Gewerbelehrer Vielhauer beherscht sein skurriles Fahrfluggerät virtuos. Flink schiebt er ohne hörbare Pause die vier Gänge quasi sequentiell nach vorne, nutzt dabei das Drehvermögen des Motors optimal aus. Erstaulich, wie gut der nur 230 Kilo leichte Karo beschleunigt. Die Schaltung arbeitet wie beim Motorrad, nur handbetätigt. Beim Runterschalten zieht man die Gänge nach hinten. Hilfreich ist der kleine Knauf unter dem Schaltgriff, betätigt man ihn, wird der Leerlauf zwischen den Gängen eingelegt. Trotzdem muss man vor dem Anhalten fleißig herunterschalten, sonst landet man nachher nicht im ersten Gang. Gekuppelt und Gas gegeben wird per Pedal. Schaltfehler verzeiht der Messerschmitt nicht, einmal untertourig, kommt der Zweitakter nicht mehr in Schwung. Das Rauchen hat Vielhauer ihm mit 1:40 abgewöhnt. Blitzschnell streift er sich die Plexiglas-Kanzel wie einen Overall ab, wenn er aussteigt, der Wagen ist seine zweite Haut. Er will ihn von Hand wenden, wie man es beim KR 175 der ersten Serie noch musste. Ja, er schiebt ihn zurück, vermeidet die Umkehrschaltung des Motors. Sie wird über die Dynastart-Anlage beim Durchdrücken des Zündschlosses ausgelöst. Leider frisst sie deren Kohlen nur allzu gierig und Ersatz ist nur schwer zu bekommen. Karg ist das Cockpit des Kabinenrollers, selbst in Vielhauers De Luxe-Version. Nacktes Blech dominiert, die schmächtigen Sitze sind aus kunstlederbezogenem Stahlrohr. Man fühlt sich trotzdem nicht ausgeliefert. Das flotte Ultraleicht-Dreirad braucht Tempo, um seine Straßenlage quasi von selbst zu stabilisieren, auch in Kurven liegt es, forciert gefahren, eindeutig besser. Nur von Fahrkomfort ist keine Rede, jede Asphaltrille teilt sich dem Körper mit. Die Lenkung ist sensibel wie eine Mikrometerschraube. Isetta wurde mehr als doppelt so oft gebaut als der Messerschmitt Elektroingenieur Berner hat es da in der Isetta weit bequemer und fühlt sich den Elementen längst nicht so ausgeliefert, wie der auf winzigen Achtzoll-Rädern stets tieffliegende Karo-Pilot. Die große ISO-Kühlschranktür zieht das Lenkrad zur Seite und im nächten Moment lässt man sich genüsslich auf die Sitzbank plumpsen. Wenn die Tür zu ist, und das elfenbeinfarbige Volant wieder in Reichweite, genügt ein Handumdrehen, um den bullernden Viertakter spontan zum Leben zu erwecken. Die Isetta wirkt nicht so zerbrechlich und hellhörig wie der gläserne Schneewittchensarg aus Regensburg. Eher wie ein Qualitätsauto eines Nobelherstellers, der sich mit solider Handwerksarbeit dafür entschuldigt, von einem billigen Lizenzmobil leben zu müssen. Immerhin trugen 136.367 Motocoupés zur Rettung von BMW bei. Fends futuristischer Kabinenroller, der zum endgültigen Durchbruch einen Zweizylinder-Viertakter mit 20 PS á la NSU Prinz und 10 Zoll-Räder benötigt hätte, lief in allen Versionen immerhin knapp 67.000 Mal vom Regensburger Band. Ein Achtungserfolg für ein Konzept, das seiner Zeit weit voraus war.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 19.09.2011
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