• Online: 3.230

Smart 451: Fahrt im Rontex-Schneeschieber - Mit Räumschild und Driftwinkel

verfasst am

Dieser Kleine ist ausgerechnet im Winter ganz groß - im Einsatz. Der Smart von Ronny Friedrich arbeitet als Räumfahrzeug bei Schneefall. Testfahrt im Mikro-Schneepflug.

Mit der Schneefontäne durchs Industriegebiet: Testfahrt im Smart-Schneeschieber von Rontex Mit der Schneefontäne durchs Industriegebiet: Testfahrt im Smart-Schneeschieber von Rontex

Freienbrink – Dieser Smart ist nicht nur selten und putzig, er ist die Erfindung eines brandenburgischen Handwerkers. Ronny Friedrich hatte im Winter 2012 eine Idee. Damals arbeitete der Mann seit zwei Jahren im Schneeräumdienst östlich von Berlin. Sein Gutbrod-Traktor mit Räumschild war schmal genug für Arbeiten auf Bürgersteigen. Aber zu langsam, um zügig zwischen Brandenburger Dörfern zu pendeln. So kam Ronny auf den Smart. Klein, modern, flink, nur nicht als Räumfahrzeug konstruiert.

Winterdienst im Smart: Vom Prototyp zur Kleinserie

Schnee-Smart-Erfinder Ronny Friedrich im Gespräch mit MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander Schnee-Smart-Erfinder Ronny Friedrich im Gespräch mit MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander Quelle: MOTOR-TALK Darum bastelte er sich einen Schnee-Smart. „Der Dekra-Prüfer hat mir ‘nen Vogel gezeigt!“ Vor fünf Jahren erklärte er einem Ingenieur seine Idee von einem Schneeschieber auf Smart-Basis. „Gebaut hab‘ ich das Auto trotzdem.“ Nach dem „Nein“ des Prüfers stieg der Druck für Ronny. Er hatte bereits Aufträge für den Winter angenommen, die er mit seinem Traktor kaum geschafft hätte. Also kaufte er einen Smart der zweiten Serie (451) und begann, ihn in seiner Garage zum Schneeschieber umzubauen. Nach drei durchschraubten Wochen stand der erste Prototyp einsatzbereit auf dem Hof. Ein anderer Prüfer, einer, der viel Erfahrung und viel Spaß an dem Auto hatte, nahm den Umbau ab.

Noch im gleichen Winter entstand der zweite Smart-Schneeschieber, ebenfalls in der heimischen Garage. Ronnys Idee funktionierte so gut, dass er sie patentieren ließ und die Eigenbau-Räumfahrzeuge zum Verkauf anbot. Heute wühlen 41 Räum-Smarts im Schnee. 28 davon verkaufte er im vergangenen Jahr. Seine Autos schieben in Deutschland, Österreich und Dänemark Schnee vom Asphalt. Sogar bei Smart-Chefin Anette Winkler fahre eines seiner Autos, sagt Ronny stolz.

Die Technik: Schneepflug für den Smart 451

Nach jeder Saison verbessert Ronny Details an seiner Konstruktion. Prinzipiell habe sich seit der ersten Version wenig verändert. Ein Edelstahlprofil (V4A) mit zwölf Zentimetern Breite und vier Zentimetern Höhe ist fest mit der Vorderachse verschraubt. Ein zweites Stahlprofil stützt die Mechanik am Querträger vor dem Wasserkühler ab. Unter einer Kunststoffabdeckung sitzt eine Hydraulikpumpe mit 1,2 Kilowatt Leistung und vier Magnetventilen. 1,3 Liter Hydrauliköl und zwei Hydraulikstempel positionieren den Pflug. Bedient wird alles über einen Joystick auf dem Mitteltunnel.

Der Schild misst 1,70 Meter in der Breite. Verschränkt ist er so breit wie der Smart Der Schild misst 1,70 Meter in der Breite. Verschränkt ist er so breit wie der Smart Quelle: MOTOR-TALK Der Schneeschild selbst besteht aus acht Millimeter starkem Lexan. Visiere von Motorradhelmen und die Verglasung vieler Bushaltestellen sind aus dem gleichen Material. „Da kommt man nicht mal mit einer Fünf-Kilo-Spaltaxt durch“, scherzt Ronny. Trotzdem sei es flexibel genug, um den Rahmen des Autos nicht zu sehr zu belasten. Und, zu Schneeschieber-Uhrzeiten ganz wichtig: Die Gummilippe am Schild schabt leise über den Asphalt.

Früher baute Ronny alles selbst. Mittlerweile hat er Zulieferer aus Deutschland für seine Bauteile. Er arbeitet mit schwäbischer Hydraulik und Stahl aus Fürstenwalde. Die Endmontage findet nach wie vor in seiner Garage statt. Dort entgratet und bohrt er den Schild und schraubt alles zusammen. Zwei Tage dauert es, bis in dem Ein-Mann-Betrieb aus einem Smart ein Schneeschieber wird. Beigebracht hat sich der gelernte Möbeltischler alles selbst.

Ohne Allrad, aber mit Autocrossreifen

Allradantrieb vermisst er nicht im Smart. Sicherheitshalber stecken Autocrossreifen mit 15 Millimetern Profil auf seinem Schneewinzling. Die Hydraulikstempel drücken mit einer Tonne Gewicht auf die Konstruktion. Der Schild hebt in Räumposition seinen Smart sanft an. Das erhöht den Druck auf Antriebsachse und Schild. Lenken lässt sich der Smart trotzdem problemlos.

Das zeigt uns Ronny auf einem verschneiten Industriegelände. Die ersten Bahnen räumt er selbst: Auto positionieren, Schild absenken und zur Seite schwenken, Gas geben. Bei Ronny eine fließende Bewegung. Der Smart türmt den festgebackenen Schnee vor seinem Schild auf und schiebt ihn zur Seite. Die Traktionskontrolle bleibt aus – sie würde beim Schieben nur stören.

Nach ein paar Minuten tauschen wir die Plätze. Die Schildsteuerung arbeitet ähnlich simpel wie ein Computerjoystick. Wer früher auf einem 486er-PC Hubschrauber lenken konnte, der kann den Schild bewegen. Mit einem kurzen Ruck hebt sich die Smartfront. Alles andere funktioniert wie in einem normalen Kleinstwagen. Abgesehen von einer Kleinigkeit: Wer schnell schiebt, muss gegenlenken. Sonst drückt der Schild den Smart zur Seite.

Der neue Smart ist zu groß

Die Mechanik: Zwei Hydraulikstempel bewegen den Schild in Position. Die Pumpe sitzt unter der Abdeckung zwischen den Scheinwerfern Die Mechanik: Zwei Hydraulikstempel bewegen den Schild in Position. Die Pumpe sitzt unter der Abdeckung zwischen den Scheinwerfern Quelle: MOTOR-TALK Ronnys Schnee-Smart kann sehr schnell schieben. Wir pflügen mit bis zu 40 km/h durch die Schneedecke. Zugegeben: So richtig nützlich ist alles oberhalb von 25 km/h nicht mehr. Wir räumen zwar, aber der Schnee stäubt in alle Richtungen. Dafür macht es verdammt viel Spaß. Und es zeigt, dass der Smart nicht überfordert ist.

Viel Leistung braucht es nicht. Der Pflug funktioniere mit jeder Motorisierung, sagt Ronny. Mit einem 45-PS-Diesel-Smart ebenso wie mit seinem 102-PS-Brabus. Aber eben nur mit der schmalen, zweiten Generation. Der Neue baut mit 1,66 Metern zu breit für Bürgersteige.

Das nächste Projekt: Ein Streumechanismus

Ronny erklärt die Funktionsweise seiner Konstruktion Ronny erklärt die Funktionsweise seiner Konstruktion Quelle: MOTOR-TALK Mit Schaufeln und Streugut wird es im Smart-Innenraum allerdings eng. Ronny tüftelt deshalb schon am nächsten Projekt: Ein Streumechanismus für das Heck, befestigt auf den Abschleppösen. Das wünschen sich die meisten Kunden. Im Frühling 2017 soll das System fertig sein. Die Entwicklung läuft wieder dort, wo das Projekt Winterdienst-Smart anfing.

Ausfälle habe es gar nicht gegeben, sagt Ronny. Seit einem halben Jahr sei die Schneepflugtechnik so weit, dass er in großem Stil produzieren kann. 70 Autos will er 2017 bauen. Langfristig sollen es noch mehr werden. Dafür sucht Ronny einen Investor.

Mechanik und Umbau kosten 7.500 Euro, fertige Autos mindestens 14.000 Euro. Ein Umbaukit bietet Ronny noch nicht an, um Montage und Eintragung kümmert er sich selbst. Nach dem Winter können die Kunden ihre Autos aber selbst zum Serien-Smart zurückrüsten. Das Kennzeichen überdeckt das Loch in der Frontschürze. Den Winterdienst sieht man ihnen dann nicht mehr an.

Rontex-Winter-Smart: Technische Daten

  • Modell: Smart 451 1.0 Brabus
  • Motor: 1,0-Liter-Dreizylinder-Benziner
  • Leistung: 102 PS (75 kW) bei 6.000 U/min
  • Drehmoment: 147 Nm bei 2.500 – 3.600 U/min
  • Getriebe: Fünfgang, automatisiert
  • 0-100 km/h: 8,9 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 155 km/h
  • Verbrauch: 5,2 l/100 km
  • Länge: 2,70 m
  • Breite: 1,56 m
  • Höhe: 1,54 m
  • Länge mit Schneepflug: Ca. 3,15 m
  • Breite Schneepflug: 1,7 m, angewinkelt 1,56 m
  • Preis Komplettfahrzeug mit Brabus-Basis: ca 25.000 Euro
  • Einstiegspreis Rontex-Smart: ca. 14.000 Euro
Avatar von SerialChilla
BMW
39
Hat Dir der Artikel gefallen? 11 von 12 fanden den Artikel lesenswert.
Diesen Artikel teilen:
39 Kommentare: